Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

vietmeier1913

Paul Vietmeier im Jahr 1913 (Foto: Stadtarchiv Lemgo)

Paul Vietmeier an seine Mutter, 1. August 1914 (Detmold)

Meine Adresse ist: 11/55 [Kompagnie 11 / Infanterie-Regiment 55, aus Detmold]. Wir werden wahrscheinlich erst morgen früh eingekleidet & treiben uns jetzt so in der Kaserne herum. Ich habe eine menge Bekannte in der Kaserne & zwischen den Reservisten getroffen. Sonst alles gut. 1000 Grüße Dein Paul

Paul_Sophie_01_08_1914

Das Stadtarchiv Lemgo veröffentlicht sukzessive Feldpostbriefe des Paul Vietmeier (8.11.1892 – 13.4.1915) aus Brake. Paul Vietmeier war der vierte Sohn von Ernst (26.9.1847 – 18.9.1908) und Sophie Vietmeier (22.11.1860 – 4.2.1936), Pächter der Öl- und Sägemühle in Brake. Sie hatten insgesamt sechs Söhne (Fritz, Willi, Otto, Ernst, Paul und Walter) und eine Tochter (Johanne). Bis auf den ältesten Sohn Fritz, der in der Zeit des Ersten Weltkrieges die väterliche Mühle leiten musste, waren alle Söhne als Soldaten im Krieg. Paul Vietmeier beschreibt sein Kriegserleben seit den ersten Augusttagen bis zu seinem Tod im Frühjahr 1915.

Die Chronik aus Vietmeiers Briefen setzt das Stadtarchiv Lemgo zunächst bis Frühjahr 2015 fort. Es wird dabei nicht für jeden Tag einen entsprechenden Beitrag geben können. Den Feldpostbriefen ist jeweils eine Transkription oder eine kurze inhaltliche Zusammenfassung beigegeben. Bewusst ist auf eine weitergehende Kommentierung verzichtet.

Quelle: Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Familiennachlass Depositum Vietmeier

Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen

hartmann1

hartmann1t

Pfarrer Ernst Hartmann wurde 1860 in Preußisch Oldendorf als Sohn eines Apothekers geboren. Wie sein 10 Jahre älterer Bruder studierte er Theologie. Nach seiner Ordination wurde er 1886 Pfarrer und blieb dort bis zu seinem Ruhestand 1926. Er starb am 23. Februar in Preußisch Oldendorf.

Viele Lehrer und Pfarrer erkannten die Bedeutung des Krieges und führten deshalb Kriegschroniken oder Kriegstagebücher. Damit wollten sie auch für ihre Schulen und Kirchengemeinden dokumentieren, wie sie diesen Abschnitt der deutschen Geschichte erlebt haben.

Die Chronik beginnt im Juni 1914 und endet im Dezember 1918. Sie ist handschriftlich auf 824 Seiten geführt worden. Sie befand sich im Nachlass des Pfarrers Ernst Hartmann und ist der Kirchengemeinde Rödinghausen, übergeben worden. Eine Transkription in heutige Maschinenschrift erfolgte durch den Enkel Fregattenkapitän a.D. Gerhard Baumann.

Die Chronik berichtet von der Kriegszeit aus der Sicht der Heimat. Auf dem Lande wurde der Krieg nicht nur aus der Ferne wahrgenommen. Kriegsbetstunden, Kriegstrauungen, aber auch Meldungen über mögliche Spionageaktivitäten und natürlich auch die Veränderungen in der Versorgungslage machten die Auswirkungen des Kriegs in der Provinz deutlich.

Auf der anderen Seite berichten Wetterbeschreibungen und Ausflugsschilderungen über den Alltag. Die geistliche Versorgung der Bevölkerung, aber auch die Stimmungswechsel werden deutlich.

(Wolfgang Günther, Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld)

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Auflösung von Erziehungsanstalten

Rund 6.500 Kinder und Jugendliche lebten 1914 in Westfalen und Lippe in Einrichtungen der Fürsorgeerziehung. Damit war ein vorläufiger Höchststand erreicht, nachdem das 1900 verabschiedete Preußische Fürsorgeerziehungsgesetz, das auch eine vorbeugende Anordnung der Zwangserziehung erlaubte, zu einem kontinuierlichen Anstieg der Zahlen geführt hatte. Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Fürsorgeerziehung mehr als verzehnfacht. Nun legte der Landeshauptmann noch kurz vor dem eigentlichen Mobilmachungsbefehl den Fürsorgeerziehungsanstalten nahe, ihren Betrieb einzustellen. Das hier konkret angeschriebene Rettungshaus Schildesche folgte dem Vorschlag des Landeshauptmanns nicht, sondern entwickelte stattdessen einen Katalog von Maßnahmen, wie der Alltag weitergeführt werden konnte. Die Zahlen sprechen dafür, dass viele andere Anstalten ebenfalls so verfuhren. Im Verlauf des Krieges stieg der Zahl der jungen Menschen in Erziehungsanstalten noch weiter an.

rettungshaus_1914

Rundschreiben des Landeshauptmanns vom 1. August 1914 Der Landeshauptmann der Provinz Westfalen, Wilhelm Hammerschmidt, schickte dieses Rundschreiben am 1. August 1914 an die westfälischen Fürsorgeerziehungsanstalten. Dazu gehörte auch das Rettungshaus Schildesche bei Bielefeld.

Transkription:

Der Landeshauptmann der Provinz Westfalen

Münster, den 1. August 1914
Va. Tageb. Nr. 4763

Mit Rücksicht darauf, dass im Falle der Mobilmachung infolge Eintritts des Erzieherpersonals zum Heeres- oder Krankendienst in vielen Anstalten ein geordneter Anstaltsbetrieb sich doch nicht aufrechterhalten lässt, will ich die Anstalten hiermit ermächtigen, nach ihrem Ermessen den Anstaltsbetrieb einzustellen und die Zöglinge zu entlassen. Soweit zwecks Einbringung der Ernte von dem eigenen oder benachbarten Grundbesitz oder aus sonstigen triftigen Gründen die Zurückhaltung eines Teils angebracht erscheint, will ich mich auch damit einverstanden erklären.
Den zu entlassenden Zöglingen ist in einem mitzugebenden Entlassungsschein die Verpflichtung aufzuerlegen, sich unverzüglich nach einer geeigneten Arbeitsgelegenheit umzusehen und die Anstalt über ihren Aufenthalt dauernd unterrichtet zu halten. Es ist ihnen anzudrohen, dass sie im Falle der Zuwiderhandlung gegen dieses Gebot, sowie bei schlechter Führung überhaupt die Überführung in eine geschlossene Anstalt zu erwarten haben.
Die Anordnung weitergehender Maßnahmen muss ich mir vorbehalten.
Von den getroffenen Maßnahmen bitte ich mich in Kenntnis zu setzen.
I. V.

(Bärbel Thau, Archiv des Ev. Johanneswerks)

Signatur: Archiv des Ev. Johanneswerks, Re/Schild – 8

Menschenmenge auf dem Alten Markt, Bielefeld, Ende Juli 1914

StArchBI_300_10_299037
StArchBI_300_10_299036
StArchBI_300_10_299007
StArchBI_300_10_299_006
Im Juli/August 1914 fand das öffentliche Leben Bielefelds auf den Straßen und Plätzen statt, wo Eilmeldungen diskutiert wurden. Am Alten Markt belagerten die Menschen die Redaktion des General-Anzeigers, um sich auf den neuesten Stand zu bringen.

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,10/Sammlung Militärgeschichte, Nr. 299; Fotos: Otto Zähler

Über Jahrzehnte hinweg und gelegentlich noch bis in die jüngste Zeit hinein haben Medien und – auch lokalgeschichtliche – Veröffentlichungen die Existenz einer verbreiteten Kriegsbegeisterung in Deutschland einschließlich Bielefelds 1914 behauptet. Gestützt auf Zeitzeugenerinnerungen, Tagebücher und jüngst auch Abiturprüfungsunterlagen etc., wird dieses inzwischen differenzierter gesehen. Auch wenn der letzte größere kriegerische Konflikt (1870/71) seinerzeit mehr als 40 Jahre zurücklag, musste doch – u. a. wegen der Erfahrungen aus den Kolonialkriegen – jeder wissen, was ein Krieg angesichts des Potentials der Konfliktparteien bedeuten musste: Tod und Trauer, Verwundung und Verstümmelung wohl in jeder Familie und Nachbarschaft. Insofern war es kaum eine echte Kriegseuphorie, sondern eher eine nationale Entschlossenheit und patriotische Begeisterung in der Hoffnung auf einen schnellen Feldzug und in der Überzeugung, einen unausweichlich, aber auf jeden Fall gerecht erscheinenden Krieg zu führen.

Otto Zähler beschreibt die Situation im Sommer 1914, als nach dem Attentat von Sarajewo permanent einlaufende Nachrichten über Ultimaten und Vermittlungsversuche der europäischen Diplomatie die Bielefelder Bevölkerung verwirrten und erregten, nachdem sie das Schützenfest (25. bis 27. Juli 1914) schon mit „gemischten Gefühlen“ gefeiert hatte. Das öffentliche Leben verlegte sich „von der Wohnung auf die Straße und zwar dort, wo man möglichst schnell und gut über alle Vorgänge unterrichtet wurde“. Menschenmengen umlagerten Telegrafenämter und Zeitungsredaktionen, um Eilnachrichten und Extrablätter zu ergattern. Der Bielefelder General-Anzeiger bestätigte um die Monatswende Juli/August die verhaltene Reaktion in der Bevölkerung. Am 1. August 1914 berichtet die Zeitung nach der Verkündung des Kriegszustands: „Von lauter, geräuschvoller Begeisterung war nicht viel zu merken. Jeder einzelne war sich des Ernstes der Stunde bewusst. […] Fast wie eine Erlösung hatte die Botschaft gewirkt, eine Erlösung aus quälenden Zweifeln und drückender Ungewissheit. Der Alpdruck war wenigstens gewichen, wenn auch nicht alle Zweifel beseitigt. […] Große Stunden sind es, die wir jetzt miterleben, Stunden voll fürchterlichen Ernstes, aber voll erhabener Weihe, in denen die deutsche Kraft […] sich wieder einmal sammelt, selbstbewußt und leidenschaftslos, einmütig in dem Gedanken, zum Segen des Vaterlandes alles zu opfern, komme, was kommen mag.“ Und für den Mobilmachungstag hält der General-Anzeiger am 2. August 1914 fest: „Eine furchtbare Schwüle lastete am Sonntagabend über der Stadt. Dumpf und bleiern. Es lag etwas in der Luft. Ein gedrücktes Gefühl hatte einen jeden beschlichen. […] Keine Nachricht. Drückendes Schweigen. Die Ruhe vor dem Sturm … Mit einem Mal war es da, das Unabänderliche. Der Augenblick, in dem das Rad der Zeit still zu stehen schien. Es kam wie eine Erlösung, wie eine Befreiung von quälenden Zweifeln. […] Aber die Begeisterung ist nicht laut und geräuschvoll. Sie ist innerlicher, leuchtet aus den Blicken der Einzelnen entgegen. Darin liegt Kraft und Mut.“

Lit.: Jochen Rath, Der Kriegssommer 1914 in Bielefeld – Otto Zählers „Illustrierte Kriegschronik eines Daheimgebliebenen“, in: Ravensberger Blätter 2011, Heft 1, S. 1-17

Bekanntmachung der Mobilmachung der Armee, 1. August 1914

HZSL Extrablatt 1.8.1914 Mobilmachung 72 dpi

Herforder Zeitung für Stadt und Land, 1.8.1914, Mobilmachung

Extra-Blatt
der
Herforder Zeitung für Stadt und Land
Herford, Sonnabend, den 1. Aug[ust] 1914
Bekanntmachung.
(Amtlich.)

Se[ine] Maj[estät] der Kaiser und König haben die
Mobilmachung der Armee befohlen
und den 2. August 1914 zum
ersten Mobilmachungstag
bestimmt.

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Zeitungssammlung

Rundschreiben in Bethel zum Kriegsbeginn, 1914

Quelle1In einem Rundschreiben vom 1. August 1914 bereitet Pastor Friedrich v. Bodelschwingh d.J., Anstaltsleiter in Bethel, die Bewohner und Bewohnerinnen auf die Kriegsauswirkungen vor. Deutlich werden die Einschränkungen für das Alltagsleben benannt.

(Kerstin Stockhecke, Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel)

Signatur: Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Nachlass Trittelvitz

Aus dem Tagebuch von Hedwig Stegemann, Herford, 1.8.1914

Herrliche 4 Wochen liegen hinter mir. Fast jeden Tag nach Salzuflen gondeln macht viel Spaß. In der ersten Zeit wurde es durch ein trauriges Ereignis gestört. Fräulein Beißerts Tod. Da sie die letzte Zeit furchtbar gelitten hat, erwarteten sie schon wochenlang das Ende. Ich hörte es zuerst von Frau Brauner, als ich morgens die Brötchen hereinholen wollte.  Nach der Beerdigung sind wir noch bis abends 11 Uhr oben gewesen. –

Ein großes Ereignis der letzten Zeit war auch der Krach mit Grete Müller. Die ersten Tage war ich sehr unruhig darüber, nachdem wir es aber Frau Fröhlich erzählt haben, und die auch Müller die Schuld gibt, muß ich nur mit Verachtung an Frau und Fräulein Müller denken. Frau Fülling haben wir gestern ja auch aufgeklärt, daher wird sich deren beleidigendes Verhalten auch wohl etwas ändern. Jedenfalls das habe ich bei der ganzen Geschichte gemerkt: „Daß Frau Müller eine alte Kanaille ist.“

Quelle: Das Tagebuch der Hedwig Stegemann aus Herford im Ersten Weltkrieg (1.1.1914-10.5.1918)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E 521 (Transkription C. Laue)