Das erste unschuldige Kriegsopfer, 2. August 1914

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Traueranzeige für Erika Buddeberg, die der Spionen-Hysterie zum Opfer fiel

Die allgemeine Nervosität nahm bisweilen hysterische Züge an, konnte aber auch tragisch enden. Die zwölfjährige Erika Buddeberg aus Bielefeld wurde am 2. August 1914 in Kleinenberg im Kreis Paderborn erschossen. An einer Straßensperre postierte Angehörige des örtlichen Kriegervereins hatten im Auto der Familie russische Agenten vermutet und das tödliche Feuer eröffnet. Die verbreitete und auch von den Zeitungen geschürte Spionagefurcht („Spionitis“) griff ungehemmt um sich, so dass mancher, „der irgend ein etwas aussergewöhnliches Aussere[s] im Gesicht oder in der Tracht oder an der Sprache zur Schau trägt“, wie mehrfach beobachtet, Gefahr lief, „als Spion festgenommen zu werden […]. Selbst Diakonissen vom Mutterhause Sarepta sind als vermeintlich verkleidete französische Spione auf Bahnstationen verhaftet worden“, kommentierte Otto Zähler.

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Quelle: Bielefelder General-Anzeiger v. 3. August 1914

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Nr. 5

Lit.: Salchow, Peter, Am 2. August 1914 starb Erika Buddeberg: „das erste unschuldige Opfer dieses grossen Krieges“, in: Ravensberger Blätter 2014, Heft 1, S. 1–8.

Mobilmachung, Gadderbaum, 2. August 1914

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Als die Westfälische Zeitung am frühen Abend des 1. August 1914 die Mobilmachungs-Nachricht veröffentlichte, schrieb Otto Zähler aus Gadderbaum: „Alle gedrückte Stimmung, alle Sorge, aller Ernst wich einem frohen Ausdruck. Wie von einer grossen Last befreit atmete die Bürgerschaft auf. Die Gefahr schwebte nicht mehr über unserm Kopf, sondern sie stand vor uns. […] Die Erregung war eben eine zu grosse, standen wir doch vor der Tatsache, als Volk und Land für immer vernichtet zu werden, oder über diese Welt von Feinden die Oberhand zu behalten.”

Ernst Lohöfeners Motive sind aus Perspektiven, Lichtverhältnissen und Arrangements komponiert, Schnappschüsse waren nicht sein Metier. Die Fotografie einer kleinen Gruppe vor einem Mobilmachungs-Aushang in Gadderbaum am 1./2. August 1914 wirkt inszeniert (Foto: Ernst Lohöfener, Bielefeld).

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,49/Foto Lohöfener, Nr. 3, Bild 192.

Nottrauung in Detmold, 2.8.1914

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Nottrauung!
Der Zollsekretär Kurt Wilhelm Ferdinand Rudolf Neitzel, Reservist geb. am 23. Januar 1888 zu Hannover, wohnhaft Bünde hat heute die Eheschließung mit der Haustochter Marie Emma Beneke, geb. 28. November 1891 in Detmold der Mobilmachung wegen ohne Aufgebot beantragt.
Die Eheschließung ist sofort vorgenommen .

(Verf[ügung] Fürstl[iche] Reg[ierung] v[om] 3.3.13. No 8356)
Detmold, 2. August 1914
Der Standesbeamte
Bröker.

Historische Einordnung

Viele Menschen klärten in dieser als bedrohlich empfundenen Situation wichtige persönliche Angelegenheiten, überschrieben Immobilien oder regelten ihre Nachlässe. Ein auffälliges Phänomen sind die unmittelbar nach der Mobilmachung einsetzenden „Nottrauungen“. Nachdem der preußische Innenminister am 31. Juli 1914 für Militärpflichtige die Möglichkeit einer Nottrauung bekanntgemacht hatte, verfügte einen Tag später auch die Fürstlich Lippische Regierung die Befreiungen vom Aufgebot für Brautpaare, die von der Mobilmachung betroffen waren. Standesbeamte waren damit befugt, Verlobte ohne weitere Formalitäten zu trauen. In Detmold nutzten zahlreiche Soldaten und ihre Bräute spontan diese Möglichkeit. Die erste Nottrauung eines Reservisten fand am Sonntag, 2. August statt, bis zum 11. August folgten 22 weitere. Dazu erschienen die Verlobten vor dem Standesbeamten, der die Kriegstrauung umgehend vollzog. Mit dem Auszug der ersten Truppen nahm die Zahl der Nottrauungen wieder ab. Bis zum Ende des Jahres 1914 wurden in dieser vereinfachten Weise noch 13 Eheschließungen durchgeführt.

(Dr. Bärbel Sunderbrink, Stadtarchiv Detmold)

Signatur: Stadtarchiv Detmold, DT Standesämter, Nr. 1066