Bildung von Bürgerwehren im Kreis Halle/ Westf., August 1914

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Bereits unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden in allen Ämtern des ehemaligen Kreises Halle – wie hier im Falle Borgholzhausens – bewaffnete Bürgerwehren gebildet. Diese Wehren waren knapp 400 Mann stark und sollten die örtliche Polizei bei der Spionageabwehr unterstützen. Inwieweit sie tatsächlich flächendeckend aktiv wurden, lässt sich den Akten nicht entnehmen.

(Ralf Othengrafen, Kreisarchiv Gütersloh)

Signatur: Kreisarchiv Gütersloh, H LR 2 K – 002/04

Tagebuch Hermann Bornemann, 5.8.1914

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Herford, den 5. August 1914
Nachdem ich von den Meinen Abschied genommen, brachte mich Gustav Wiglinghaus nach der Bahn. 10 Uhr 27 fuhr ich mit Herrn Friese, Stuckmeier, Schwarze, Weingarten ab nach Detmold. Mächtiges Gedränge ist auf den Bahnhöfen. Einige Züge mit Truppen rollen vorüber, Richtung Cöln, alles singt und ist guter Dinge. Im Detmold meldeten wir uns in der Kaserne um 12 Uhr. Nachdem alles verlesen, marschierten wir zum Restaurant ‚Preußischer Hoft‘, wo wir im Saal eingekleidet wurden. Ich hatte allerlei Schwierigkeiten, Rock und Hose passend zu bekommen. Eine Reithose fand ich nicht für mich, begnügte mich mit einer Tuchhose. Auch war keine Mütze für mich vorhanden und trug ich erst einen Helm, der mir passte. Mein Truppenteil ist die Reserve Fuhrpark Kol[onne] 20 des Train-Btl. [Transport-Bataillon]  7 beim 7. Reserve A.K. [Armeekorps]. K[omman]d[eu]r  ist Lt. [Leutnant] Puwelle, außerdem noch Lt. Henrici, ein Husaren-Offizier und Lt. Meier zu Hartlage. Abends war Löhnungsappell; bekommen 13,00 M[ar]k. Wir sind ca. 20 Untffz. [Unteroffiziere] in der Kol[onne]. Mein Quartiert war in Spork Nr. 50 bei Bunte, Tischlerm[ei]ster. Ein Herr Homann aus Herford lag mit mir im Quartier. Dieses [… Papierfehler …] liebe Leute. Nur das Bett wurde für uns beide ziemlich [Seite 3] knapp, sodaß wir es vorzogen, abwechselnd immer einer auf dem Stuhl zu nicken. Die Bettstatt war für zwei Leute in unserer Körperfülle nicht berechnet.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Kutschen- und Pferdemusterung auf dem Kesselbrink, Bielefeld, Anfang August 1914

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Kutschen- und Pferdemusterung auf dem Kesselbrink, Bielefeld, Anfang August 1914

Die kaiserliche Armee benötigte für den Vormarsch im Westen zusätzliche Ausrüstung. Auf dem Kesselbrink wurden requirierte Kutschen und Pferde begutachtet. Im Hintergrund ist die Kuppel der 1905 eingeweihten Synagoge zu erkennen (Foto: Otto Zähler).

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,10/Sammlung Militärgeschichte, Nr. 299

Lit.: Jochen Rath, Der Kriegssommer 1914 in Bielefeld – Otto Zählers „Illustrierte Kriegschronik eines Daheimgebliebenen“, in: Ravensberger Blätter 2011, Heft 1, S. 1-17

Schulkinder für Erntearbeiten, 5.8.1914

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Lippische Post, 5. August 1914

Schulkinder und Freiwillige für Erntearbeiten

Bei der großen Wichtigkeit der rechtzeitigen Einbringung der Ernte für die Landesverteidigung hat der Kultusminister durch Erlaß vom 31. Juli d.J. angeordnet, Anträge auf Abberufung der größeren Schulkinder von dem Unterricht in denjenigen Gegenden, in denen die Bergung der Ernte durch die Mobilisierung gefährdet ist, zum Zwecke landwirtschaftlicher Arbeiten zu genehmigen. Ein gleicher Erlaß ist für die höheren Lehranstalten an sämtliche Provinzialschulkollegien ergangen.

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Bestand Z

„Ein furchtbar Schrecknis ist der Krieg“ – Das Herforder Augusterlebnis 1914

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Herforder Kreisblatt, 31.07.1914, Setzung in den Zustand der drohenden Kriegsgefahr (Kommunalarchiv Herford, Zeitungssammlung)

Vor 100 Jahren, im August 1914 zogen die Deutschen begeistert in den Ersten Weltkrieg. Später sprach man vom „Augusterlebnis“, einem rauschhaften, alle Bevölkerungskreise ergreifenden nationalen Erweckungserlebnis. Dieses Bild wurde lange in Schule und Geschichtsbuch vermittelt. Neuere Untersuchungen sprechen eine andere Sprache. Die Reaktionen auf Kriegserklärung und Mobilmachung unterlagen starken Schwankungen: Erwartung und Ernüchterung, Hochstimmung oder Zukunftsangst, Euphorie und Panik lagen dicht beieinander.

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Herforder vor dem Verlagsgebäude des Herforder Kreisblatts in der Mönchstraße in Herford bei der Ausgabe der Mobilmachungsbekanntgabe (Kommunalarchiv Herford, Fotosammlung Städt. Museum)

Dieser Wechsel von Trara und Tristesse lässt sich vor allem bei einem Blick in die Lokalzeitungen erkennen. Da die Presse staatlicher Zensur unterlag, muss zwischen den Zeilen gelesen werden. So erinnerte am 31. Juli 1914 eine Herforder Zeitung selbst an ihre Pflicht, positive Stimmung zu machen: „Es gab einen deutlichen Vorgeschmack von der Stimmung, die beim eventuellen Ausbruch eines Kriegs herrschen würde. Wir haben nicht nur bis zum Höchstmaß erregte Männer und Jugendliche erblickt, wir haben auch Frauen und Mädchen erblickt, denen die blasse Furcht anzusehen war, wir haben solche, die ob begründet oder nicht, weinten und sich nicht beruhigen lassen wollten, weil sie glaubten, es müsse doch schief gehen. Deutlichere Hinweise, manche Zeitungen an ihre erste Pflicht zu erinnern, bedarf es wohl nicht.“

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Herforder Zeitung für Stadt und Land, 1.8.1914, Mobilmachung (Kommunalarchiv Herford, Zeitungssammlung)

Die Redakteure waren so zugleich Propagandisten, sie beruhigten die Leser am 31. Juli 1914: „Die Setzung in den Kriegszustand ist an sich noch keine Mobilmachung“, gaben als glaubwürdige Chronisten aber auch die wahre Stimmung wieder: „Wohl hielt gestern in Herford einen Begeisterung der Einwohner an, wohl hörte man überall stolze, selbstbewußte echte deutsche Worte, aber hinein klang doch etwas, das an den großen Ernst der Stunde mahnte und eine bangende, aber fürchterliche Bestätigung der Schillerschen Worte bot. ‚Ein furchtbar Schrecknis ist der Krieg.’ Die Wirkung der Bekanntmachung war überraschend. Waren die Straßen vorher noch verhältnismäßig leer gewesen, so strömten jetzt die Massen dicht dahin. In der allgemeinen Stimmung vollzog sich kein Wandel, aber edle Begeisterung machte dem Zweifel Platz. Wer die Stadt durchwanderte, sah keine lärmenden, aber ruhig-fröhliche Menschen…“.

Auch nach den Extrablättern über die Mobilmachung am 1. August zeigte die Presse die zwei Seiten des Augusterlebnisses. Begeisterung: „Da, zehn Minuten vor 7 Uhr zerreißt ein Schrei die Luft, in dem die aufgespeicherte Stimmung sich erklärt – Die Meldung der Mobilmachung ist da! – Wie ein Aufatmen geht es durch die Menschenmengen …“ und Ernüchterung: „In den Kirchen standen die Andächtigen dicht gedrängt. … Den Frauen, Müttern, Jünglingen, Mädchen hielt Pastor Wilmans eine ergreifende Predigt. In der Kirche hörte man Schluchzen und Weinen. Eindringlich und packend wusste der Prediger die Geister zu erheben…“

Die echten Sorgen zeigten sich eher in den kleinen Meldungen. Die „zurückbleibenden“ Angehörigen der Soldaten „haben da dieselben Tugenden zu bewähren, wie der Krieger: Ruhe, Selbstzucht und Opferbereitschaft.“ Gegeißelt wurden Hamsterkäufe: „Wenn, wie es in den letzten Tagen vielfach geschah, alles panikartig die Lebensmittelläden stürmt und größere Vorräte einzukaufen sucht. Zu solcher Panik liegt kein Anlaß vor.“ Auch dass „bei den Sparkassen ein verstärkter Andrang und eine umfangreiche Abhebung von Spareinlagen zu erkennen“ ist, wurde kritisiert: „Es gibt unter den Sparern solche, die nicht wissen, dass gerade in Kriegszeiten das Geld nirgends sicherer angelegt ist.“ Die Meldung „Letztwillige Verfügungen sind in den letzten Tagen von einberufenen Mannschaften zahlreich getroffen worden…“, zeigte die Zukunftsangst ebenso wie das Angebot der Münsterkirche zu einem „Abendmahl für ausziehende Krieger“.

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Ausflug nach Paris, das Bild des Augusterlebnisses in den Medien (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Franz Tellgmann)

Am Bahnhof – dem Ort des Abschiednehmens – eskalierte die Situation: „Kopf an Kopf stand die Menge. Als aber kurz vor zehn Uhr der Posten an der Sperre plötzlich scharfe Schüsse abgab, brach ein unbeschreiblicher Tumult los. Man hörte verzweifelte Rufe von Frauen und Mädchen, von denen manche Ohnmachtsanfälle bekamen. Andere krochen eiligst in die am Rorigschen Hause liegenden großen Kanalisationsrohre, wieder andere, wohl die meisten liefen in die Stadt zurück. Und die Ursache? Der Posten hatte auf einen gesichteten Flieger geschossen. Die ungeheure Aufregung der Menge legt sich erst allmählich, fand aber durch allerlei unmittelbar hinterher auftauchendes unsinnige Gerüchte immer neuen Nährboden.“

Der Autor der „Herforder Kriegsskizzen“ am 5. August 1914 ist wieder ein gefühlvoller Chronist, als er über ein Mädchen, das um einen verlorenen Ring weint, berichtet: „Ja den Ring hat sie von ihrem Vater, der mußte weg in den Krieg heute morgen! Mir ging etwas – war es Schreck oder Mitleid – jäh durch die Seele. Ich sah die ganze Nacht im Träume ein blondlockiges Kind vor mir, das mit brennenden Augen den Ring seines fern im Heere weilenden Vaters suchte.“

Auf der anderen Seite wurden auch in Herford die bekannten Bilder der fröhlich in den Krieg ziehenden Soldaten wurden gepflegt „Solche lustige Reisegesellschaft lässt keine trübe Anwandlung aufkommen. Und die Zurückbleibenden werden angesteckt von diesem tollen und tollsten Humor, der in tiefer, edler Liebe zu Kaiser und Reich wurzelt. Wir erleben eine vaterländische Begeisterung ohnegleichen.“

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)