Tagebuch Hermann Bornemann, 15.8.1914

Merzenich, den 15. August 1914
4 ½ bis 6 Stalldienst. Die Unt[ero]ff[i]z[iere] pflegen ihre Pferde selbst, tun es auch gern, denkt doch ein jeder, daß der Krieg in wenigen Monaten beendet ist. 6 ¾ anspannen, 7 Uhr Abmarsch nach Düren. Wunderschöne Wasserkunstanlagen sind hier. Am Bahnhof Fourageempfang. Major von Sand, ein Dragoner-Offizier ist hier; es ist der K[omman]d[eu]r der Staffel. Auch Generalmajor Cade, der K[omman]d[eu]r der Mun[ition]  und Tr[ain]  des 7. R.A.K.  [Reserve Armeekorps] ist hier im Auto, ein alter weißer Herr, scheint sehr freundlich zu sein. ½ 2 weiter nach Kleinau [Kleinhau] in der Eifel. Großartige Gebirge, mächtige Steigungen; die Pferde dampfen. Unendlich lange Marschkol[onne]. Eigenartige Dörfer, Dächer reichen bis zur Erde. Mit drei Unt[ero]ff[i]z[ieren] liege ich bei einem kleinen Kuhbauer, die Pferde stehen auf der Hausdiele. Abends kommen [Seite 10] zirka 60 Lastautos mit Anhängern hier durch, ein grausig schönes Bild. Landwehr, Weinberg und Vizew[achtmeister] Dahlhoff liegen mit bei mir. Um ½ 12 steigen wir in eine Bodenkammer und finden ein ganz gutes Lager vor. Der Quartierwirt heißt Haupt, Nr. 59. Bin auch recht müde; das Reiten ist noch zu ungewohnt. Heute abend hört man ganz deutlich mächtigen Kanonendonner.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Abiturprüfung im Fach Deutsch, 1914

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Die wiederholt unterstellte Kriegsbegeisterung gerade der Absolventen des Notabiturs 1914 ist mindestens fraglich, ja eher patriotische Propaganda und Waffen-klirrendes Konstrukt („Langemarck-Mythos”!). Die Reifeprüfungsklausuren atmen keine Blutrünstigkeit, sondern offenbaren Patriotismus und vor allem einen klaren Blick für die militärischen Kräfteverhältnisse und drohenden Folgen. Im August 1914 legten zehn Ratsgymnasiasten in Bielefeld das Notabitur ab. Die Aufgabe für die Deutschklausur lautete schlicht: „Die Gegenwart – eine ernste, aber schöne Zeit für Deutschland“.

Der Prüfling Werner Bentrup erkannte drei Voraussetzungen für den Krieg: „erstens Geld, zweitens Geld und drittens wiederum Geld“. Weitsichtig beschrieb Heinrich Thöne mögliche Konsequenzen, die aus den jüngsten Kriegserklärungen resultierten: „Hierdurch ist für uns die Lage sehr ernst geworden. Englands Flotte ist der unsrigen überlegen, wiewohl Deutsche Seeoffiziere im Ringen mit England siegreich zu bestehen glauben. Verbindet sich gar Englands Flotte mit der französischen – woran sich doch kaum zweifeln läßt – so ist die Aussicht auf Sieg sehr gering. Und sollten wir besiegt werden, so wird zweifellos Rußland, dieser slawische Staat, eine Großmachtstellung in Europa einnehmen. Deutschlands Größe wäre dahin, Elsaß-Lothringen gingen verloren, verloren die Deutschen Ostseeprovinzen, sein Handel läge danieder, ungeheure Kriegskosten müßten wir aufbringen.“

Lehrer Hermann Tümpel kommentierte die Siegesskepsis mit einem großen Fragezeichen, ergänzte aber „Die sicher bevorstehenden Verluste fehlen“, womit er die Kriegstoten meinte.

Als erster der Notabiturienten fiel Fritz Mangelsdorf am 7. Dezember 1914 in der Schlacht bei Limanowa-Lapanow in den Karpaten (heute Südpolen) als Angehöriger des Reserve-Infanterie-Regiments 218.

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 150,14/Ratsgymnasium, Nr. 1069

Lit.: Altenberend, Johannes, „Mars regierte die Stunde” – Der Kriegsausbruch 1914 im Bielefelder Gymnasium zwischen Euphorie, Skepsis und Ernüchterung, in: Ravensberger Blätter 2014, Heft 1, S. 9–21