Tagebuch Hermann Bornemann, 17.8.1914

Eupen, den 17. August
4 bis 6 Stalldienst. Im Stalle fanden wir Wachtmeister Erpenbeck ziemlich krank vor. Anscheinend war ihm der gestrige Abend nicht gut bekommen und der Kopf ziemlich schwer. 6 Uhr alles abmarschiert auf den Parkplatz, den Wachtmeister hatten wir mit Mühe mitbekommen. Es regnet seit dieser Nacht stark und läßt der Staub etwas nach. Riesige Militärkol[onnen] auf allen Straßen; welch‘ ein Betrieb! ½ 12 Abmarsch der Kol[onne] nach Verviers. 12:50 über die Grenze, Karabinerschützen sind eingeteilt. Viel geschossene Häuser und Gehöfte. Landschaftlich schöne Gegend. Kommen an einem Tunnel vorbei. Hier hatten die Belgier 16 schwere Lokomotiven drin aufeinander fahren lassen. In kurzer Zeit hatten unsere Pioniere und Eisenbahner die Strecke wieder frei; die Kessel der Maschinen liegen vor dem Tunnel. Viel Industrie hier, alles steht aber leer. In Verviers, 73.000 Einwohner, viele Häuser geschossen, ganze Reihen mit Kugeln gespickt. Die Menschen machen einen recht verlebten [?] Eindruck. Aus allen Fenstern weiße Tücher, die Türen sind mit Kreide beschrieben: ‚Schonen;  gute Leute, geben alles.‘ usw. In der inneren Stadt viel schöne Gebäude und herrliche Kirchen, Plätze und Straßen. Einwohner ruhig K[omman]d[eu]r wollte [Seite 12] Abends mit der Kol[onne] in einer Fabrik biwakieren, wurde aber von einem Inf[anterie]-Off[izier] abgeraten, sei zu gefährlich. Blieben auf der Hauptstraße liegen. Wie es schon dunkel war, wurde aus allen Ecken geschossen, kleine Abteilungen kamen im Laufschritt vorbei; es sollen viel Freischärler in den Vororten auf unsere Leute schießen.  Wir hatten auch stets Karabiner zur Hand. Wie ich auf dem Bordstein stehe, wurde in dem Hause in der ersten Etage ein Fensterflügel leise geöffnet; als ich meinen Kar[abiner] vornahm, wurde er schnell wieder zugezogen. Man muß auf alles gefaßt sein. Um 1 Uhr setzte ich mich in einen Wagen und versuchte zu schlafen, müde genug bin ich. Doch ist man alle Augenblicke wegen der Schießerei wieder wach.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Feldpost Rudolf Kisker, 17.8.1914

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Rotkreuzschwester und der Soldat Rudolf Kisker, Dezember 1914. – Bei dieser Rotkreuzschwester handelt es sich um Rudolfs Schwester Gertrud Kisker (geboren 1892). Insgesamt waren es sechs Geschwister, Gertrud war die älteste Tochter von Georg und Marie Kisker. Sie arbeitete während des Ersten Weltkriegs im Lazarett.

Biwak

Folx les Caves. 17/8.

Liebe Eltern!
Wir haben heute etwas Ruhe und da kann ich Euch etwas mehr berichten. Am 14/8 sind wir um 3 Uhr von Seny aus abmarschiert und bei Hermal über die vom Corps-Train gebaute Brücke der Maas marschiert. Der Brückenbau hat 2 Stunden gedauert (160 m) ohne vom Feinde gestört zu werden. Unsere Division hat dann noch unbehindert einen Vormarsch bei Viemme [Waremme] gemacht. Hier u. da giebt es Scharmützel mit den Bewohnern. Hier sind die Leute aber besser gesinnt als in den anderen Quartieren. Maire u.s.w. werden stets sofort festgesetzt und alle Flinten p. p. zerstört. Ab u. zu giebt es auch belgische Gefangene.

Am 15/8 gings bis Crehen bei Hannut und gestern am 16/8 bis hier. Unsere Div. war gestern an der belgischen Vorstellung [Abschrift: „Vorpostenstellung“ hinzugefügt] am Flüsschen Dyle. Wir hatten Erfolge. Mit Masch. Gewehr wurden 3 feindl[iche] Esk[adrone] vernichtet. Unsere Art[illerie] war auch erfolgreich tätig. Die 4. Kav. Div. hat sich an der Stellung unerklärlicherweise die Zähne ausgebissen. Die 2. Küras. hatten 272 Pferde tot u. verwundet aber nur ganz unerhebliche Verluste an Menschen. Wir warten auf schwere Art. u. Infanterie. Lüttich [korrigiert in Original und Abschrift zu Lüttich] soll laut Divisions-Befehl-Meldung ganz in unseren Händen sein. Alle Forts sind gefallen. Huy hat sich ergeben. (Gardecorps) Wir hören nur wenig aus der Heimat da Post noch nicht eingetroffen ist. Meine versch. Wünsche wirst Du mir bei Gelegenheit wohl erledigen. Es fehlt mir z. Z. Nichts Kleider in Ordnung, satt zu essen und guten Mut zur baldigen siegreichen Beendigung des Feldzuges. Unsere 9. Div. besteht aus

13. K. Brig. – Hus. 8  – Kur. 4
14 K. Brig. – Ul. 13  – Drag. 19
19. Kav. Brig. – Hus. 11 – Ul. 5
Jäger 10
Art. 10 u.s.w.

Ich bin stark verbrannt und pelle ab. Mein Bart wird herrlich wenn wir noch lange machen komme ich als Landwehrmann mit tadellosem Vollbart zurück. Die Bagageführung ist elend langweilig. Beim Offiziercorps des Regiments hab ich es aber sehr gut. Ich bin beim Stabe und habe stets zu futtern. Das Elend ist nur, dass wir über Tag meistens irgendwo lagern und erst Nachmittags oder Abends zur Div. herangezogen werden wo wir natürlich immer erst des Nachts ankommen. Die Hitze neulich war nicht schön. Der Regen ist aber schlimmer. Wenn man des nachts aufwacht weil einem das Wasser in die Nasenlöcher läuft, dann hört der Spass auf. Man wird sehr genügsam. Katzenwäsche ist selten und kurz. Der Kopf ist kahl abgeschoren, dafür wächst der Bart. Kurz es geht mir gut. Ich hoffe von Euch das Gleiche. Bald wird ja wohl mal Heimatpost eintreffen.

V.W. d. Res. K. [Vizewachtmeister der Reserve Kisker]
Kur. Regt. 4.
9. Kav. Div.
Kriegsschauplatz

Herzl. Grüsse
Rudolf.

Bitte Regen-Gummimantel

Signatur: Privatarchiv der Familie Kisker, Nr. 189: Feldpostbrief von Rudolf Kisker