Tagebuch Hermann Bornemann, 22.8.1914

140822bornemann

Tagebuch Hermann Bornemann, 22.8.1914 (Ausschnitt)

Schloß Le Usine Mechelin, den 22. August 1914

4 ½ Uhr wecken, 5 ¾ Abmarsch nach Wavre über mehrere Dörfer. Hier sind wieder mehr Berge und Steigungen. ½ 11 Uhr in Wavre. Von weitem sehen wir schon, daß der Ort brennt. Wir können wegen der Hitze von den brennenden Häusern fast nicht die Straßen fahren, die Pferde wollen nicht voran. In der vergangenen Nacht sind unsere Truppen von den Einwohnern beschossen, man spricht von 15 bis 19 Toten. 1 Off[i]z[ier], 20 Mann seien verwundet. Die Leute schossen aus den Kellern und von den Dächern. Soeben ist unsere Infanterie dran, den ganzen Stadtteil in Brand zu stecken. All die schönen Gebäude und herrlichen Möbel. Viele Bewohner sahen wir mit einigen Habseligkeiten in die Berge ziehen. Wir halten erst. Die Kar[abiner]schützen müssen noch voran. In einem Hause reicht uns eine Dame eine Menge riesenhafter Weintrauben; solche Früchte sah und aß ich noch nie. Auch geben die Leute in ihrer Angst uns Bonbons, Butterbrot und mehr. Unser Lt. nimmt einige alte Leute in Schutz gegen die Infanterie. Viele von ihnen sind anscheinend betrunken. Die Häuser, welche noch nicht brennen, hängen weiße Tücher raus. Wir marschieren auf dem Marktplatz auf. In einem brennenden Kaufhause wird viel Wäsche von unserer Leuten requiriert. Auch ich bekomme zwei Hemden ab. Um ½ 1 marschieren wir weiter. Auch die anderen Truppen setzen sich in Marsch. Es ist doch [Seite 18] ein trostloser Anblick, die schönen 3- bis 4-stöckigen Häuser so verwüstet zu sehen. Bald ist eine mehrstündige Rast: Abkochen, füttern und tränken. Wie eben das Essen fertig ist, wird angefahren, die Kochapparate an den Wagen hängen und weiter. Später soll gegessen werden. Kommen an einer großen Rennbahn vorbei. In Charbey [Ortsname unklar] wird Biwack bezogen und um ½ 1 Uhr des Nachts gegessen. Begebe mich dann auch in einem Wagen auf Nachtruhe, unbequemes Lager, schlafe aber bald ein. Das brennende Städtchen steht noch vor meinen Augen. Das Pferd ‚Hexe‘ vom K[omman]d[eu]r pflege ich nun immer mit.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

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