Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 18.9.1914

sept-18Ein orkanartiger Sturm hat in der Nacht eingesetzt & wütet & rast den ganzen Tag. Er schüttelt das meiste Obst von den Bäumen, deckt etwa 20 Pfannen vom Dach u.s.w.. Man sucht den ganzen Tag Obst auf. Der wilde Tag ist ein Abbild des Kriegssturmes & wir haben keine Nachricht als daß die Schlacht zwischen Maas & Oise noch im Gange ist.

Endlich am Abend kommt die Nachricht von einem Siege auf dem rechten Flügel bei Noyon und weiteren kl[einen] Fortschritten. Da atmet man auf. Endlich einmal wieder Böllerschüsse. –

In der Jugendabteilung auf der Wehme erzähle ich von Minden.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 15/18.09.1914

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier aus Brake, 18.9.1914

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Freitag, den 18/9.1914.

Liebste Mutter!

Gestern erhielt ich eine Karte & die Chocolade von Euch. Ich danke herzlich dafür. Ihr könntet mir wohl jede Woche eine Sendung ganz feingeschnittenen Check-Tabak schicken. Es gibt welchen in Blechdosen. Zu rauchen ist in Frankreich nämlich gar nichts zu kriegen. – Seid Sonntag wütet hier schon eine große Schlacht & war unser Regiment am 13. 14. & 15[.] ununterbrochen im Gefecht & hat auch unsere Kompagnie viel Leute verloren, die meisten Gott sei Dank nur leicht verwundet. Ich selbst habe eine Kugel durchs Kochgeschirr & eine durch den gerollten Mantel bekommen. Wie ich gestern schon schrieb, ist aus Brake von meiner Kompagnie Paula Meier ihr Bräutigam Steffen, Kampemeier von der Wiembeckerstraße & der Briefträger Strohmeier leicht verwundet. Solltet Ihr den Brief früher wie die Verlustliste vom Regiment bekommen, könnte es Johanne von den beiden ersten ja den Angehörigen mitteilen. Sie sind bestimmt nur ganz leicht verwundet – Bis Ende Oktober muß meine Lebensversicherung auch bezahlt werden. Der Agent wird schon eine Zahlkarte an meine Adresse schicken & wollt Ihr es dann bitte absenden. Solltest du viel Geld gebrauchen, so nimm nur ruhig meine Sparkassenbücher in Gebrauch. – Die Schlacht dauert noch an & wird es wohl die größte sein, die je Kulturvölker miteinander geschlagen haben. Aus der ersten Linie sind wir abgelöst & liegen in reserve, tag & Nacht draußen, mit gewehr im Arm, um sofort bereit zu sein. Es regnet augenblicklich viel. Am 9. voriger Woche habe ich mich zuletzt gewaschen & so geht es allen. Hoffentlich dauert die Schlacht nicht ehr zu lange, sonst möchten die Nerven doch versagen. ich könnte Euch Augenblicke beschreiben, daß Ihr vor Entsetzen weinen würdet. Aber das ist früh genug, wenn ich wiederkommen sollte. Wenn Ihr den Brief bekommt, wird die Schlacht wohl geschlagen & gewonnen sein & dann schreibe ich sofort, wie es mir geht.

herzliche Grüße an Fritz, Johanne & alle Bekannte & küßt Dich Dein tr[euer] Sohn Paul.

Quelle: Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Familiennachlass Depositum Vietmeier