Aus dem Tagebuch von Hedwig Stegemann, Herford, 20.10.1914

Ein ungemütlicher Regentag! Gegenüber in Müllers Kohlenschuppen singen die Soldaten beim Gewehrputzen. Noch eine kurze Zeit, dann kommen auch sie fort ins Feld, in die Freiheit, in – den – Tod.
Und es kommen Neue und werden ausgebildet, doch auch diese ziehen dann ins Feld. Wann kommen sie wohl wieder? Und wie viele? Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, war das Herz mir voll so sehr, als ich wiederkam, —–

Quelle: Das Tagebuch der Hedwig Stegemann aus Herford im Ersten Weltkrieg (1.1.1914-10.5.1918)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E 521 (Transkription C. Laue)

Feldpostbrief von Rudolf Kisker, 20.10.1914

St. Marguerite südl. Comines. 20/10.[1914]

Liebe Eltern!

Heute morgen habe ich eine flüchtige Karte mit der Post mitgehen lassen.
Gestern schrieb ich zuletzt von südl[ich] Lille. Wir marschierten dann weiter durch Lille wo wir viele Truppen trafen, in deren Stellungen hier bei Comines unsere Kav[allerie] eingerückt war. Es war das 13. Korps welches wie es hiess bei Arras eingesetzt werden sollte. In Lille sah man das seltene Bild „Deutsche Inf[anterie] mit Regimentsmusik“. Sonst bot sich dasselbe Bild wie am Sonntag. Über Quesnay wurde weitermarschiert nach hier. Noch in später Nacht wurden die Wagen an den Handpferden der Esk[adron] herangezogen. Die Schützen lagen in den festen und sicheren Inf[anterie] Stellungen zwischen Comines und Warneton. Ich fuhr dorthin um meinen Herren etwas zu futtern zu bringen fand natürlich nur wachende Posten und schnarchende Leute in den Unterständen. Ich wollte bis zum Tag dort bleiben musste aber um 5 Uhr mit einem Befehl zurück. Es sollte ein allgemeiner Angriff mit Beginn des Tages stattfinden und nur von jeder Esk[adron] 4 Schützen in den Stellungen bleiben. Ich ging daher zurück trank im Quartier noch einen Morgenkaffee und sammelte dann die Wagen hier bei St. Marguerite.
Die Engl[änder] sollen von Westen auf Commines vorgestossen sein und dabei in die Arme der von Norden kommenden Korps und der von Süden angreifenden Kav[allerie] Divisionen und Jäger [?] gelaufen sein. Da wir aber bisher nur schwaches Gefecht hören, glaube ich, dass sie versucht haben in der Nacht durch kurz kehrt Rettung zu machen.

Eben kam ein Telegramm (man sagt Funkenspruch) dass die Russen durch die Oestreicher u. Perser [?] Schlappen erlitten hätten und dass mehrere englische U.Boote gesunken sein sollen. Auch seien einige deutsche Torpedos verloren gegangen.

Gestern hatte ich mit der Post Vaters Brief vom 13/9 mit Kurts und Mutters Einlagen und eine Wurst v. Mutter. Da war aber ein Schlemmeressen. Kommissbrod mit Butter u. westf[älischer] Wurst.

Heute wieder 50 Cigarillos u. von Hilde ein Paketchen mit Kniewärmern, Chokolade u.s.w. Ich schreibe Ihr gleich meinen Dank. Ich hätte nicht geglaubt, dass Hilde so viel für mich übrig hätte.

Von Siveke hörte ich eben, dass Vater bei Frau S. war und dass sie sehr erfreut über den Besuch gewesen war.
Mit dem Federhalter kann man überhaupt nicht mehr schreiben. Ich ergreife daher wieder den Bleipinsel.
Ich glaube dass all die angemeldeten Sendungen jetzt eingetroffen sind u. noch eintreffen. Wenn Ihr die durch die Ersatz-Eskadron angeforderten Ausrüstungsstücke
Mantel aus Mannschaftstuch mit grossen Taschen u. Kragen matte Knöpfe
Reithose u. Waffenrock aus Mannschaftstuch starkes Futter. Feldmütze
abschickt, so bitte ich auch eine meiner langen Hosen und ein Paar Zugstiefel beizulegen.
An den armen Günter Delius muss ich immer wieder denken. Aber für uns heisst es nicht rückwärts sondern nur im „Vorwärts“ schauen und auf eine baldige Beendigung des Ringens und einen ehrenvollen Frieden zu hoffen.

Alle Augenblicke werde ich gestört und finde keine Ruhe zum Schreiben. Ich schliesse daher mit herzl. Grüssen und einem Kuss für Euch Alle

Euer Sohn Rudolf

Quelle: Feldpostbrief 75, von Rudolf Kisker

Signatur: Privatarchiv Kisker, Nr. 189

Gefallene der Evangelischen Kirchengemeinde Levern, 1914

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In der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Levern, einem Ort im Kirchenkreis Lübbecke zwischen dem Wiehengebirge und dem Stemweder Berg, amtierte der Missionarssohn Theodor Olpp (1875-1968), Verfasser etlicher heimatkundlicher Schriften, über ein Vierteljahrhundert lang, von 1909 bis 1935, als Pfarrer. Wegen seiner kompromisslosen NS-regimekritischen Haltung wurde Olpp gegen Ende seiner Amtszeit mit Schutzhaft und Verbannung bestraft.

Im Ersten Weltkrieg trug Pfarrer Olpp die verstorbenen Soldaten unter seinen Gemeindegliedern gesondert listenförmig ins Kirchenbuch ein. Er führte biografische Daten der Gefallenen auf und nannte nähere Umstände zu ihrem Sterben und ihrem Tod in seinen Eintragungen, die schon im August 1914 einsetzen.

Signatur: LkA EKvW Kirchenbuch Kg. Levern, Beerdigungen 1885-1918 [EKvW_1709_B_1885-1918.pdf]

Todesanzeige Julius Eick aus Herford, 1914

HZSL 17 10 1914 Eick Tod A

Todesanzeige in der Herforder Zeitung für Stadt und Land, 17. Oktober 1914

Statt besonderer Anzeige!
Am 8. September starb in Frankreich den Tod fürs Vater-
land unser innigstgeliebter, hoffnungsvoller Sohn, unser guter
Bruder, Schwager und Onkel, der
Garde-Schütze
Julius Eick
Im Alter von 21 Jahren.
In tiefer Trauer
Familie Julius Eick.
Wir bitten von Beileidbesuchen abzusehen.

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Zeitungssammlung

Heimatbrief Nr. 3 von Pfarrer Johannes Meyersieck (Oetinghausen), 15.10.1914

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Die 1907 errichtete Dorfschule Oetinghausen (darin die „Schulkapelle“), Abb. aus Rottschäfer, a.a.O., 31.

Brief Nr. 3
Oetinghausen, den 15. Oktober 1914

Liebe Kameraden!

In dem Blatt Nr. 81 findet Ihr diesmal etwas über die Himmelsbriefe [kleine (Verteil-)Blätter mit Versen, Sinnsprüchen, Lebens- und/oder Glaubensweisheiten oder volkstümlichen Reimen, die, die Gunst Gottes in beruflichen oder außergewöhnlichen Aufgaben sichern bzw. persönliches Wohlergehen garantieren sollen] zu lesen. Ich weiß, daß eine Anzahl von Euch auch mit einem solchen Briefe in der Tasche oder im Brustbeutel ins Feld gegangen sind, ich habe den Wortlaut desselben in Händen und bin dankbar, daß mir von den Gliedern der Gemeinde solches Vertrauen entgegengebracht wird, daß man mir diesen Brief gezeigt hat, den man sonst nicht gern den Pastoren zeigt. Wenn Ihr gelesen habt, was darüber geschrieben wird, dann werdet Ihr selbst nicht mehr meinen, daß dieses Stückchen Papier Euch schützen könnte.
Ich will Euch nicht schelten, daß Ihr die Torheit dieser Sache nicht gleich eingesehen habt, Ihr habt es aus Unwissenheit getan, aber war diese Unwissenheit nicht Eure Schuld, ists nicht Eure Schuld, daß Ihr Euren Gott so wenig kennt, wo doch jeder von Euch eine Bibel hat und Ihr evangelische Christen seid! Wie traurig, daß in unserm Lande der Reformation noch solche elenden Dinge unter uns umgehen. Alle die Beschwörungen haben gar keinen Wert, wohl aber halten sie den armen betörten Menschen von einer wahrhaftigen Hinkehr zu Gott ab.
Zu Beginn des Krieges ist irgendwo ein Bauer zu seinem Pastor gekommen und hat ihn um einen Himmelsbrief für einen Verwandten gebeten und dann, als der Pastor seinen Wunsch nicht erfüllen konnte, gemeint, dann wolle er seinem Neffen den 121. Psalm abschreiben und senden. Das war ein guter Gedanke. Ich kann mir dies Abschreiben wohl sparen, denn ich glaube, dieser Psalm steht in Eurem Feldgesangbuch [Psalm 121, in: Ev. Militair-Gesang- und Gebetbuch, Berlin (Reimer) 1888, S. 136/137; Feldgesangbuch für die evangelischen Mannschaften des Heeres, Berlin (Mittler) 1897, S. 59]. Aber tragt ihn nicht nur in der Tasche, sondern im Herzen. Auch dieser Psalm macht Euch nicht „kugelfest“, aber Ihr wißt: „Ein feste Burg ist unser Gott“ [Martin Luther (1483–1546), Choral (1529) „Ein feste Burg ist unser Gott“, EG 362]. Das Vertrauen auf die Himmelsbriefe ist Torheit und Sünde, aber manche der Mahnungen, die am Schlusse stehen und Euch auffordern, als fromme, ehrliche deutsche Soldaten zu leben, sind gut und nützlich.
Einige Worte solch schöner Spruchweisheit aus dem Volke, die einem anderen Himmelsbrief entnommen sind:

Obschon die Feinde Dich verfolgen und hassen So trau auf Gott. Er wird Dich auch in keiner Not verlassen.

Was Gott tut erquicken, kann niemand unterdrücken.

Gott läßt die Seinen sinken, aber nicht ertrinken.

Gott weiß wohl Hilfe und Rat, wenn Menschenhilf ein Ende hat.

Im Unglück hab ein Bärenmut, auf Gott trau, es wird werden gut, ja besser als man hoffen tut.

Zu dir Herr Jesu Gottes Sohn steht meines Herzens Freud und Wonn.

Mein Ruhm, mein Trost, mein höchstes Gut ist mein Herr Jesu, dein teures Blut.

Der Christen Herz auf Rosen geht, wenns mitten unterm Kreuze steht.

Verzage nicht im Kreuze dein, auf Regen folget Sonnenschein. Herr Jesu, der süße Name dein erquicke mir die Seele mein.

Herr Jesu Christ, mein Trost und Freud, ich trau auf dich zu jeder Zeit.

O frommer Christ hier leid und meid, bald kommt darauf die gute Zeit. Vielleicht kommt der wohl über Nacht, der aller Not ein Ende macht.

Bete rein und schätze dich klein, arbeite fein, trau Gott allein, die Sorge laß Gott befohlen sein.

[Die 12 volkstümlichen Sinnsprüche, die Meyersieck hier aufgreift, sind über die „Himmelsbriefe“ hinaus auch als Stickbilder und Poesiealbenverse verbreitet gewesen, dennoch nur teilweise näher identifizierbar, so der achte (Wahlspruch/Wappenspruch Martin Luthers) oder auch der neunte (H. J. Schmitz, Sitten und Sagen. Lieder, Sprichwörter und Räthsel des eifler Volkes nebst einen (sic) Idiotikon, Bd. 1, Trier 1856, S. 167, Nr. 10).]

Mit herzlichem Dank gegen Gott haben wir am 4. d[ieses] M[onats] das Erntedankfest gefeiert. In der Predigt habe ich gesagt, es sei fraglich, ob unser Deutsches Volk schon jemals so viel Ursache zum Danken in einem Herbst gehabt habe als in dem diesjährigen. Was wäre aus unserm Volk geworden, wenn wir in diesem Jahr eine Mißernte gehabt hätten!

In Lippinghausen hielten uns mächtige Korngarben zu den Seiten des Altars und prachtvolle Früchte, ganz besonders auch schönes Gemüse und ein mächtiger Kürbis während des Gottesdienstes den Segen Gottes vor Augen.

In Oetinghausen erinnert uns daran noch jetzt immer ein dicker Kranz von Ähren um das Kreuz auf dem Altar und zwei Ährensträuße an den Leuchtern. Was wir am Nachmittage des Erntedankfestes gemacht haben, das erzähle ich Euch, wills Gott, das nächste Mal.

[Bei der sogenannten „Oetinghauser Schulkapelle“ handelte es sich um ein Provisorium, das die Gemeindeglieder im Oetinghauser Gemeindebezirk des alten Kirchspiels Hiddenhausen in der 1907 neu errichteten Dorfschule eingerichtet hatten. Diese Dorfschule bestand aus zwei Klassenräumen, die jeweils nach rechts bzw. links von einem breiten Flurraum abzweigten. An der Stirnseite dieses Mittelgangs stand der (wochentags durch Tücher verhängte) Altar. Während der (i.d.R. gut besuchten) Gottesdienste ließ sich der „Gottesdienstraum“ zu den Klassenzimmern hin erweitern. Der „Betsaal“ der zweiklassigen Volksschule diente dem Gemeindebezirk drei Jahrzehnte lang, bis zum Bau der Oetinghauser Kirche 1937/1938, als dörfliche Gottesdienststätte und, wie Pfarrer Meyersieck gern in seinen Briefen betont, als „Heimatkirche“ (s. Abb. oben).]

Gott befohlen, Euer Heimatpastor Meyersieck.

Quelle: Feldpostbriefe von Pastor Johannes Meyersieck aus Oetinghausen.

Lit.: Ulrich Rottschäfer (Hg.): „Wir denken an Euch“. Feldpostbriefe eines ravensbergischen „Heimatpastors“ im Ersten Weltkrieg, Bielefeld 2011.

Signatur: LkA EKvW 4.53 (Archiv der Ev. Kg. Hiddenhausen), Nr. 958

Feldpostbrief von Rudolf Kisker, 13/14.10.1914

bei Fleurbaix 13/10.[19]14 5 1/2Uhr

Liebe Eltern!

Vor einer Stunde war ich auf der Post um eine Karte und M 500 -. an Euch zu senden und einen Brief an Frau Staege abzugeben. Jetzt, nachdem ich erst Tee dann Kakao getrunken habe benutze ich die Dämmerstunde vor Eintreffen des Befehls um Euch noch allerlei zu erzählen.

Aus dem Kohlengebiet sind wir nun glücklich heraus und in eine Gegend gezogen, die ein ähnliches Bild zeigt wie unser ländliches Westfalen. Die Häuser der Ortschaften liegen in der Feldmark zerstreut und das Land ist durch viele Zäune Hecken Gräben u. kleine Buschstücke zerteilt. Für unsere Kavallerie ist dieses Gelände äusserst ungünstig und Patrouillen haben einen schweren Stand. Unsere Regimenter greifen daher auch nur im Fussgefecht an oder liegen eingegraben in Verteidigungsstellungen. Eine schwere Aufgabe für Kavalleristen überlegene Artillerie und starke Infanterie aufzuhalten bis die Ersatztruppe eintrifft. Dieses Spiel treiben wir ja nun seit Wochen und ich bin gespannt, ob es gelingt den Feind zu überflügeln und vom Meere abzuhalten. Vielleicht mit Hülfe unserer in Antwerpen freiwerdenen Kräfte. Da die Regimenter meistens auch des Nachts dicht am Feinde liegen werden fast nur die Lebensmittel u. Futterwagen herangezogen die dann unter Führung des Zahlmeisters abgehen. Ich bleibe dann mit den Packwagen irgendwo an der Strasse in der Nähe eines Hauses liegen. Man muss sehen, dass man für die Nacht ein Dacht über dem Kopfe hat denn es wird jetzt in klaren Nächten emfindlich kalt. Ich habe mich recht gut abgehärtet und werde schon durchhalten.

Meine langen Stiefel habe ich neulich frisch besohlen lassen und komme mir nun wie ein neu beschlagener Gaul vor.

Von Günter Delius kann ich nichts Neues erfahren, da er nach seiner Verletzung in ein bayrisches Lazarett gekommen ist, hoffe dass Ihr mir bald schreiben könnt „es geht ihm besser“.

Es ist jetzt (6 Uhr) schon fast dunkel und wir erwarten jeden Augenblick den Befehl, irgendwohin abzurücken. Meistens haben wir Nachtmärsche, da erst gegen Abend die Entscheidung getroffen wird, vor – zurück – rechts – oder links. Manchmal ist es zum Verzweifeln wenn sich mehrere Bagagen begegnen und auf schmalen Strassen aneinander vorbeifahren müssen. Meine Stimme nimmt dann manchmal einen drohenden Ton an und in ernsten Fällen singt die Reitgerte mit. Besonders wenn wir lange Märsche über Tag haben und dann auch Nachts noch weiter vor müssen, sind die Leute nach einem Halt und wieder Anfahren nur mit Hilfe des Reitstockes wach zu halten. Auf den Pferden im Schritt u. im Trab schläft ein richtiger Kavallerist wie im Himmelbett.

Ich will meine Wünsche betreffs Uniformen hier nochmals wiederholen und vervollständigen.

1. Rock aus Mannschaftstuch so gross u. bequem wie möglich d.h. wenn noch ein guter Rock da ist, so ist er vielleicht weiter zu machen und mit Offizierslitzen u. Achselstücken -Unterlage dunkelblau wie an der Litze- zu versehen. (Litzen für den z. Z. getragenen Rock im Brief.)

2. Mannschaftshose die auf dem Boden im Schranke hängt.

bis auf die Litzen brauche ich die Sachen aber erst nach Verschleiss der z. Z. getragenen auf besonderen Wunsch u. Nachricht.

Ich erwähne nochmals dass Ihr im Falle des Ausbleibens der Post vielleicht bei Frau Siveke in Herford Neustädtische Apotheke Nachricht erhaltet. Siveke ist auch ein eifriger Schreiber. Frau Siveke ist viel in Bielefeld und kommt vielleicht mal zu Mutter zum Kaffee, ich glaube sie ist sehr nett, denn ihr Mann gefällt mir sehr.

 

bei Fleurbaix 14/10

Gestern Abend kam noch Befehl ich sollte sämtliche bei der Bagage überflüssigen Mannschaften zu Fuss in die Front bringen. Ob zur Verstärkung oder zu einem Gefangenentransport war nicht bekannt. Heute Morgen habe ich dann um 4 Uhr meine Leute gesammelt und 149 Mann hoch abgeführt. In der vorderen Linie bei Pont de Ham gab ich alle Leute an die einzelnen Reg[imen]ter ab und führte meine Kür. 21 Mann in die Schützenlinie. Es herrschte eine ziemlich gedrückte Stimmung weil es hiess die Kavallerie müsse sich noch 2 Tage halten. Es war ein ganz nettes Konzert da draussen hin u. her flogen die Granaten u. Schrapnells. Als ich nach 2 Stunden zurück ritt platzen 3 Schrapnells über mir und die Sprengstücke flogen mir wie Mücken um die Ohren ohne mich oder das Pferd zu treffen.

Zur Zeit 12 Uhr bin ich wieder hier bei der Bagage um mich zu stärken.

Die gestern nicht eingetroffene Post ist heute eingetroffen und wird gleich geholt.

Mir geht es sehr gut und ich grüsse Euch herzlichst. Euer Sohn Rudolf

Quelle: Feldpostbrief 70, 13. und 14. Oktober 1914, von Rudolf Kisker

Signatur: Privatarchiv Kisker, Nr. 189

Aus dem Tagebuch von Hedwig Stegemann, Herford, 12.10.1914

Sonnabend morgen läuteten nach vielen bangen Wochen endlich einmal wieder die Siegesglocken. Wie feierlich das doch klingt! Ich lag noch im bette, wie konnte ich

Da aber heraus! Bei offenem Fenster habe ich mich angezogen, nur um das herrliche Glockengeläute zu hören. Antwerpen war nach 12tägiger Belagerung gefallen!
Mutter ist nun schon seit Freitag vor acht Tagen vereist, hoffentlich erscheint sie in diesen Tagen wieder. Es ist ganz schön, aber allerhand zu tun habe ich doch.
Gelangweilt habe ich mich noch nie, ich glaube es ist gar nicht möglich, das ich mal lange Weile habe.

Es ist doch herrlich, wenn man mal allein sein kann. Gestern waren wir mit Ahlersmeyers auf dem Waldfrieden, wo es sehr interessant war. Ich sah zum ersten Mal Leutnant M. (Satz eingeschoben CL). Vorige Woche war schon mal mit Frau Ahlersmeyer dort. Wie anders ist es da doch jetzt als im vorigen Jahre! … Gestern Mittag 1:44 Uhr fuhren unsere 17ner, die hier zur Ausbildung gelegen hatten, ab. Vor dem Zuge hatten sie ein Schild angebracht mit der Aufschrift: Lieb Vaterland magst ruhig sein, das soll unsere Losung sein! Freudig und tapfer fuhren sie jungen Menschen ab, der schweren Zeit entgegen, alle nur beseelt von dem einen Gedanken: Sieg oder Tod!

Und das werden sie auch halten, ja, die jetzt schon vor dem Feinde geblutet haben, haben es schon gehalten.
Heil Sieg und Rache!

Quelle: Das Tagebuch der Hedwig Stegemann aus Herford im Ersten Weltkrieg (1.1.1914-10.5.1918)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E 521 (Transkription C. Laue)

Feldpostkarte von Rudolf Kisker, 11.10.1914

Aubers 11/10. [1914]

L[iebe] E[ltern]

Gestern marschierten wir über Carvin nach hier. Unterwegs begegneten wir vielen gefangenen Zivilisten, die hier eingekleidet werden sollten um eine neue Armee zu bilden. Angeblich sind etwa 10000 gefangen genommen worden. Hier in A[ubers] trafen wir erst um 5 Uhr morgens ein. Heute liegen wir schon (1/2 2 Uhr) den ganzen Tag hier und pflegen uns. Gefangenentransporte kommen noch dauernd durch. Alle Kirchen waren über Nacht von Gefangenen belegt.

Ich bitte bei Gelegenheit um ein Luntenfeuerzeug. Das Paket mit den Stiefeln habe ich bisher nicht erhalten. Post kam heute nicht.

Wenn wir so weiter nach Norden u. Westen ziehen, sind wir bald am Wasser. Die Pferde die über den Kanal schwimmen sollen sind bereits ausgesucht. Es geht mir sehr gut.

Herzl. Grüsse Rudolf.

Quelle: Feldpostkarte 73, von Rudolf Kisker

Signatur: Privatarchiv Kisker, Nr. 189

Gefaltete Propaganda, 1914

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Ein Propagandafaltblatt aus dem Oktober 1914 – entfaltet und gefaltet (Abb. oben). Entfaltet zeigt es Profil-Karikaturen der seinerzeitigen vier Hauptkriegsgegner der Mittelmächte und stellt die Frage „Rätsel des Weltkrieges! Wer bleibt Sieger?“. Faltet man das Blatt an den markierten Stellen, ergibt sich eine Profil-Zeichnung Kaiser Wilhelms II.

Mit der Frage „Wer wird siegen?“ (Abb. unten) wurde der Betrachter zum Falten aufgefordert. Aus dem im wahrsten Sinne des Wortes zusammengefalteten Septett von Kriegsgegnern wurden „Wilhelm Zwo“ und der österreichische Kaiser Franz Joseph. Eine Variante lässt Wilhelm II. aus vier Feind-Porträts entstehen.

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld; Rolf-Dietrich Müller, Stadtarchiv Paderborn)

Signatur (der oberen beiden Abbildungen): Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 200,1/Familienpapiere, Nr. 123,1; Stadtarchiv Paderborn, S 1/3/2, S. 131

Signatur (der unteren beiden Abbildungen): Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,10/Sammlung Militärgeschichte, Nr. 361 (2 Varianten)

Feldpostkarte aus Sennelager, 5.10.1914

P1100424

Franzosen am Baracken bauen

P1100425

Feldpostkarte aus Sennelager, 5.10.1914

Feldpost

An Familie
Philipp Mergarth [Mergard]
in Hamm i.W.
Steinstr. 15

Liebe Geschwister im Herrn!

Endlich ist auch die Zeit gekommen an Euch
ein Lebenszeichen zu geben
und übersende hiermit eine
kleine Ansicht von unsern Gefan-
genen. Geht mir gut. Vielleicht
sehen wir uns am Sonntag.
Dem Herrn befohlen grüßt Euch Gottl[ieb] J[?]

Sollte Lis schon dort sein viele Grüße

Feldpostkarte aus Sennelager, 5.10.1914

Quelle: Private Fotosammlung Martin Hülsenbeck (Bielefeld), Album 2 [P1100424 und P1100425]

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 2.10.1914

Mutters Geburtstag 1/2 Monat vor der Schlacht bei Leipzig*. Wann wird die Entscheidung in diesem furchtbaren Kriege fallen? Gott gebe in Gnaden, daß sie eine für uns gute sei. –

Brief von Roland: „Wir kommen vielleicht am 1 October oder 1-10/10 nach Reims“. Gott behüte den lieben Jungen, der uns soviel Freude stets gemacht hat.

Packetadressen für Menke – Möller Marten geschrieben: Immobile Etappen-Kommandantur I Hannover. Manche haben m[eine] Briefe erhalten. 10 Wehrmänner & Reservisten versichert. –

Auf der Post lese ich das Telegram: „Höhen von Roye & Fresnog den Franzosen entrissen. Französ[ische] Angriffe aus Toul zurückgewiesen. Feind hatte schwere Verluste. Auf daß doch bald eine siegreiche Entscheidung käme, daß der Kriegsgreuel endete!“

* Völkerschlacht bei Leipzig, Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege, 16. bis 19. Oktober 1813

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 17/2.10.1914

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 1.10.1914

Endlich treibt uns wieder ein Böllerschuß aus dem Bette. Deutsches Kriegsschiff habe 4 engl[ische] Dampfer in den Grund gebohrt. Wir verstehen erst Kriegsschiffe & jubeln. Dann kommt der Dämpfer, es sind nur Dampfer (aber immerhin Kriegsdampfer). – Auch das stellt sich als Irrtum heraus. Man sollte nicht zu früh mit Böllern schießen!

Es soll alles vorhandene Geld ans Rote Kreuz abgesandt werden. –

Karte von Heini: Versetzt zur Torpedo-Division nach W[ilhelms9haven. Clara & Magdalene nach Oldendorf bringen einen Brief von m[einem] Patensohn Reg[ierungs-]Baum[ei]st[e]r Ernst Hitzemann mit, der eine ergreifende Schilderung von den furchtb[aren] Opfern in der Schlacht bei Tannenberg geben zugleich von seinem Gottvertrauen. Er war durch Streifschuß im Gesicht tagelang geblendet. –

Brief von einem Duisburger über das Gefangenenlager in der Senne. Nur die Engländer sind bitter verhaßt.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 17/1.10.1914

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)