Lazarettaufenthalt des Theologiestudenten Karl Prüßmann, 1915

Nach zehn Monaten an der Westfront wird der Betheler Theologiestudent Karl Prüßmann verwundet. Er selbst bezeichnet sich als „leicht“ verwundet. In den Verlustlisten des Ersten Weltkriegs wird er hingegen als „schwer verwundet“ geführt.

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Feldpostkarte aus dem Vereinslazarett Leverkusen an Pastor Samuel Jaeger (Bethel), Absender: Pionier-Unteroffizier Karl Prüßmann

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29. Sept. 1915

Heiloh Herr Pfarrer!

Am 21. d. M. durch Granatsplitter leicht verwundet bin ich vor einigen Tagen hier eingeliefert worden. Ein so feines Lazarett hab’ ich noch nicht gesehen. Ihnen sowie den andern Lehrern dort frohen Heilgruß!
Habe geistigen – Hunger.

Ihr Karl Prüßmann

gen[annt] Waldmensch

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/1

Post von Ernst Brünger (1898-1917) aus Herford

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Ernst Brünger, um 1915

Ernst Heinrich Brünger stammte aus Herford, wurde am 3. September 1898 geboren. Seine Familie wohnte in der Radewig 319 (später/heute: Diebrocker Straße 80). Dort betrieb sein Vater Hermann Heinrich, ein Schuhmachermeister, eine Werkstatt.

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Heinrich Brünger mit Familie und Schuhmachergesellen vor seinem Haus in Herford, Radewig 319 bzw. Diebrocker Straße 80, um 1905

Seine Mutter Johanne geb. Kuhlmann gebahr zwölf Kinder, von denen sechs bereits im Kindesalter verstarben. Ernst war das achte Kind der Familie. Er wollte Lehrer werden und besuchte daher die Präparandenanstalt in Herford zur Vorbereitung auf das Lehrerseminar.

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Familie Brünger 1917. Stehend v.l.: Ernst, Helene, Hermann, Clara; sitzend v.l.: Mutter Hanna, Elisabeth, Vater Heinrich, Martha

Da Ernst verbotenerweise einmal des nächtens das Internat verlassen hatte, wurde er relegiert und musste sich nach einem anderen Beruf umsehen. Er befand sich Anfang 1916 in Essen, wo er einer nicht näher bekannten Tätigkeit nachging. Er hoffte auf eine Rückkehr nach Herford und auf eine Anstellung im Amt bzw. im Magistrat. – Seine Spur verliert sich ein wenig. Doch schon im November 1916 befand er sich als Kriegsfreiwilliger in der Rekrutenausbildung in Soest.

Ernst Brünger hat seiner Familie nach Hause geschrieben, aus Essen, aus Soest und „aus dem Felde“. Die Briefe von Ernst Brünger an Eltern und Geschwister liegen seit 2014 gedruckt vor, zum Teil zusätzlich als Faksimile, herausgegeben von seinem Neffen Eberhard Brünger. Der hatte die Post und Feldpost vor einigen Jahren von Ursula Büker aus Herford-Eikum erhalten. Deren Mutter Clara Büker war eine Schwester Ernst Brüngers, die seine Briefe sorgfältig aufbewahrte und ihrer Tochter weitergab. Weder der Neffe Eberhard noch die Nicht Ursula haben ihren Onkel je kennengelernt.

Denn Ernst Brünger ist am 31. Juli 1917 im Alter von 18 Jahren am Chemin des Dames südlich von Laon in Nordfrankreich gefallen. Sein Grab befindet sich auf dem Soldatenfriedhof von Veslud.

Die Briefe sind bewegende Zeugnisse eines noch unsicheren jungen Menschen, der aus einem behüteten Elternhaus in die Barbarei des Stellungskriegs gerät. Das Buch ist angereichert mit vielen Fotos und Dokumenten und trägt den Titel „Ernst Brünger – Briefe von der Westfront 1917“. Es kann im Buchhandel (ISBN 978-3000455711), oder schriftlich bzw. telefonisch beim Herausgeber zum Preis von 10 Euro zuzüglich Porto bezogen werden: Eberhard Brünger, Heimstatt 12, 27259 Freistatt, 05448/88295.

(Fotos aus dem o.g. Buch)

Der „Eiserne Wehrmann“, Bielefeld, 1915

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Der „Eiserne Wehrmann“ wurde am 18. September 1915 am Alten Markt eingeweiht. Gegen Spenden konnte das Publikum Nägel in die von Franz Guntermann (1881-1963) gestaltete Holzstatue am Rathaus treiben. Am 24. Juli 1919 wurde der „Bielefelder Feldgraue“ auf die Sparrenburg versetzt.

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,10/Sammlung Militärgeschichte, Nr. 179

Erste Fronteindrücke des Theologiestudenten Alfred Heinisch, 1915

Den 10.9. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Ganz plötzlich mußten wir nach 7 wöchentlicher Ausbildung von Detmold fort. Unsere Fahrt führte über Bielefeld, wo ich einen letzten Blick nach Bethel hinaus hatte, über Barmen, Düsseldorf Aachen nach Belgien. Am Dienstag kamen wir durch Lüttich. Der Morgennebel verhüllte uns leider jede Aussicht. Dann bekamen wir sehr schönes, klares Wetter und fuhren den ganzen Tag durch erobertes Gebiet. Da merkte ich, was unsere Truppen im August 1914 geleistet haben. – An der Bahnlinie eine dichte starke Postenkette, oft zerschossene Häuser und hier und da ein Massengrab. Hinter Löwen, wo wir die Hälfte Häuser zusammengeschossen sahen, überholte uns [Luftschiff] LZ 77 und ging dann in eine Halle nieder. Wir fuhren durch Brüssel, Mons, dann nach Frankreich hinein, ?, Montigny und Douai. Südlich von Lille wurden wir nun 20 km hinter der Front noch ein paar Wochen unter dem zeitweiligen Kanonendonner, der von Ypern oder La Bass?in herübertönt, ausgebildet. Oft besucht uns ein feindlicher Flieger. –
Unser Feldwebel fragte mich, ob ich nicht lieber Helfer eines Feldgeistlichen werden wollte. Ich glaube, ein solcher Dienst könnte mich besser auf den künftigen Beruf vorbereiten als das Leben im Schützengraben, und der Feldwebel versprach mir, sich für mich zu bemühen. Vielleicht aber soll mir das Kämpfen mit der Waffe nicht erspart bleiben. Ich bin bereit dazu; denn ich habe volles Vertrauen zu Jesus. Die Wege, die er mich bis jetzt geführt hat, waren manchmal so schwer, daß ich dachte, ich könne nicht mehr durch, aber gerade dadurch ist mir das Wort Mal. 3:3 so lieb geworden: „Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen.“-
In treuem Gedenken
Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Zeichnung von Kriegsanleihen, 1915

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Die Finanzierung des Ersten Weltkrieges erfolgte vorwiegend durch die Zeichnung von Kriegsanleihen (verzinsliche Wertpapiere), die von der Reichsregierung ausgegeben wurden. Die erste Kriegsanleihe wurde bereits im September 1914 aufgelegt, bis zum Kriegsende folgten noch acht weitere. Den Verkauf der Anleihen in Banken und Postämtern begleiteten groß aufgelegte Werbekampagnen. Schüler bekamen schulfrei, um an diesem Tag von Tür zu Tür zu gehen und Anleihezeichner zu werben.

Mit Plakaten und Handzetteln wurde zur Zeichnung der Anleihen aufgerufen, auf Vereinsversammlungen wurden Vorträge zu diesem Thema gehalten. Auch im Kreis Halle/ Westf. kamen solche Werbematerialien zum Einsatz, in denen mehr als deutlich auf die patriotische Pflicht jedes Einzelnen hingewiesen wurde: „Alles verfügbare Geld gehört dem Vaterland!“

(Ralf Othengrafen, Kreisarchiv Gütersloh)

Signatur: Kreisarchiv Gütersloh,H LR 2 K – 009/2

Nahrungsbeschaffung im Osten

Carl Titgemeyer mit Edelweiß

Portrait Carl Titgemeyer mit Edelweiß (Foto: Stadtarchiv Herford)

Carl Titgemeyer requiriert im Osten – Bilder, wie sich Soldaten im Ersten Weltkrieg Nahrung beschafften

Der Herforder Verleger Carl Tigtemeyer stellte nach 1918 ein kleines Bändchen „Weltkrieg 1914 – 1918“ zusammen. Er war – erkennbar am Edelweiß an seiner Uniformmütze – offenbar bei der Gebirgstruppe eingesetzt – warum, ist unklar.

Die österreichisch-ungarische Gebirgstruppe befand sich 1915 an der Ostfront in Galizien, was für Österreich-Ungarn angesichts des Kriegseintritts Italiens gefährlich wurde. Daher stellten die Deutschen zur Verteidigung der Grenze nach Italien ein eigenes Deutsches Alpenkorps auf. Es diente hauptsächlich dazu, den Verbündeten verhinderte aber auch einen italienischen Durchbruch im Dolomiten-Raum. Aus Dankbarkeit verlieh das k.u.k. Oberkommando der deutschen Gebirgstruppe das Edelweiß – wie es heute noch von den Gebirgsjägern der Bundeswehr getragen wird, allerdings anders als in Österreich mit dem Stiel nach vorne. Auf Titgemeyers Portrait ist die Richtung des Stieles nicht genau zu erkennen, aber er wird wohl kaum zur österreichisch-ungarischen Gebirgstruppe gehört haben.

Von wann die Bilder in Titgemeyers Album stammen, ist unklar, in jedem Fall aber von der östlichen Front, denn er trifft sich mit seinen Kameraden zum „Morgenkaffee in Galizien“. 1916/17 kämpfte das deutsche Alpenkorps auch in Siebenbürgen und Rumänien. Seine Fotos zeigen aber unter anderem auch die Essensbeschaffung im Krieg: Requirierte Rinder werden aus einem Dorf getrieben, geschlachtetes Vieh liegt auf einem Pferdewagen und an der Feldküche wird das daraus bereitete Essen geholt.

Feldküche Titgemeyer

„Soldaten holen ihr Essen von der Feldküche“ (Postkarte: Stadtarchiv Herford)

MOrgenkaffe in Galizien Titgemeyer

Morgenkaffee in Galizien (Foto: Stadtarchiv Herford)

KochstundeTitgemeyer

Kochstunde (Foto: Stadtarchiv Herford)

requiriertes Vieh Titgemeyer

Requirierte Rinder werden aus dem Dorf getrieben (Foto: Stadtarchiv Herford)

Schlachtstücke auf dem Wagen Titgemeyer

Schlachtstücke auf dem Wagen (Foto: Stadtarchiv Herford)

Der gebürtige Herforder Carl Titgemeyer hatte in Enger die Verlags Anstalt Carl Tigtemeyer Enger Westfalen (VACTEW) gegründet, die er nach dem Ersten Weltkrieg 1921 nach Herford verlegte. In der Festschrift des Verlags zum 50ten 1952 schilderte sein Sohn Karl das Kriegerlebnis seines Vaters: „Der Krieg 1914-18 unterbrach die erfolgreiche Aufbauarbeit des noch jungen Unternehmens. Carl Titgemeyer erlebte ihn von Anbeginn bis zum bitteren Ende mit. … Krank kehrte Carl Titgemeyer aus dem Kriege zurück und ging dennoch gleich wieder an die Arbeit.“

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford Slg. N 30 139

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Theologiestudent Alfred Heinisch vor dem Ausrücken, 1915

Detmold, den 1. Sept. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Herzlichen Dank für die freundliche Karte vom 12.8. Ich fand sie in meinem Quartier vor, als ich von meinem 3 tägigen Heimaturlaub zurückkehrte. Daß es mir vergönnt war, vor dem Ausmarsche noch einmal mit meinen Eltern zusammen zu sein, danke ich Gott; denn die Tage waren durch die liebevolle Sorge meiner Eltern für mich eine wahre Erholung von dem rauhen Soldatenleben, für das man letzten Endes eben doch nicht eingerichtet ist, wenn es für eine Zeit lang auch ganz schön ist. Wie mögen sich die Kameraden draußen nach der Heimat sehnen! Aber „bei den Preußen“ kommt nicht einmal der Gedanke eines Widerstandes gegen Vorschrift und Dienstbefehl auf. Man tut alles, ohne zu überlegen – und ist dabei im Ganzen recht fröhlich. – Nächsten Sonntag kommen wir auf 8 Tage nach der Senne bei Paderborn, um in größeren Truppenverbänden zu üben. Nach der Rückkehr werden wir wohl gleich von Detmold ausrücken. Hoffentlich kann ich dann vorher noch einmal nach Bethel kommen. – Die lutherische Gemeinde in Detmold hat zwei tüchtige Pastoren, ich glaube, sie heißen P. Jahr und P. Scheumann. Vor allem der letztere macht mir, seinen Predigten nach zu schließen, den Eindruck eines tiefgläubigen und ernsten Christen, der wirklich vom Heiland berührt ist. Es war mir immer mein Sonntagsvergnügen während der Ausbildungszeit, ihn zu hören. Abgesehen von einem Bethelbruder, Bruder Schorrmann aus Gilgal, stehe ich ganz allein; die Kameraden meist recht gute Jungens, die Vorgesetzten auch gut, aber von Gott wissen sie gar nichts. –
In Dankbarkeit bleibt Ihnen verbunden

Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2