Die Jagd nach der Knolle. Kartoffelknappheit in Herford 1916

Während, vor allem aber zum Ende des Ersten Weltkrieges kam es zu einer enormen Nahrungsmittelknappheit, die nahezu alle Nahrungsmittel, aber auch Dünge- und Futtermittel betraf. Dies lag vor allem daran, dass der Krieg direkt zu Beginn der Erntezeit 1914 ausbrach und durch die eingezogenen Männer und die beschlagnahmten Pferde in der Landwirtschaft Arbeiter und Zugtiere fehlten, so dass die Ernteerträge rapide sanken. Durch die unerwartete Länge des Krieges und die britische Seeblockade (keine Einfuhr auf dem Seeweg mehr möglich) wurde die Nahrungsmittelknappheit immer gravierender.

Von staatlicher Seite wurde mit der Festlegung von Höchstpreisen, Zwangsbewirtschaftung und Rationierung mittels Lebensmittelkarten schon früh eingegriffen, um Preistreiberei und dem Schleichhandel vorzubeugen und eine Mindestversorgung der Bevölkerung auch in den armen Schichten der Bevölkerung zu gewährleisten. Brotgetreide wurde zuerst knapp. Um weiter Brot backen zu können, wurde das sogenannte „K-Brot“ (Kriegsbrot) eingeführt, das einen Anteil von bis zu 30% Kartoffel als Ersatzstoff enthalten durfte und zu dessen Verzehr in den Zeitungen aufgerufen wurde.

Abb.1_HK_1914.12.05_Haushaltung_Lebensmittel_neu

Aufruf aus dem Herforder Kreisblatt vom 05.12.1914 zum Essen von K-Brot und zur Sparsamkeit im Umgang mit Nahrungsmitteln (Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Zeitungssammlung)

In einem Zeitungsaufruf im Herforder Kreisblatt vom Dezember 1914 wurde z. B. sehr eindringlich dazu aufgerufen, mit den Nahrungsmitteln gut hauszuhalten und nichts zu vergeuden, gleichzeitig aber auch gesagt, dass wenn alle sparsam mit den Lebensmitteln umgehen und ‚K-Brot’ essen, es zu keinerlei Versorgungsproblemen kommen wird.

Aufruf aus dem Herforder Kreisblatt vom 05.12.1914 zum Essen von K-Brot und zur Sparsamkeit im Umgang mit Nahrungsmitteln:

Haltet haus mit den Nahrungsmitteln!
Deutschland steht gegen eine Welt von
Feinden, die es vernichten wollen. Es wird ihnen nicht
gelingen, unsere herrlichen Truppen niederzuringen, aber
sie wollen uns wie eine belagerte Festung aushungern.
Auch das wird ihnen nicht glücken, denn wir haben genug
Brotkorn im Lande, um unsere Bevölkerung bis zur nächsten
Ernte zu ernähren. Nur darf nicht vergeudet werden und die
Brotfrucht nicht an das Vieh verfüttert werden.
Haltet darum haus mit dem Brot, damit die Hoffnungen
unserer Feinde zuschanden werden.
Seid ehrerbietig gegen das tägliche Brot, dann werdet
Ihr es immer haben, mag der Krieg noch so lange dauern.
Erzieht dazu auch Eure Kinder.
Verachtet kein Stück Brot, weil es nicht mehr frisch ist.
Schneidet kein Stück Brot mehr ab, als Ihr essen wollt.
Denkt immer an unsere Soldaten im Felde, die oft aus vor-
geschobenen Posten glücklich wären, wenn sie das Brot hät-
ten, das Ihr verschwendet.
Eßt Kriegsbrot; es ist durch den Buchstaben K kennt-
lich. Es sättigt und nährt ebenso gut wie anderes. Wenn
alle es essen, brauchen wir nicht in Sorge zu sein, ob wir
immer Brot haben werden.
Wer die Kartoffel erst schält und dann kocht, vergeudet
viel. Kocht darum die Kartoffeln in der Schale, Ihr spart dadurch.
Abfälle von Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, die Ihr nicht
verwerten könnt, werft nicht fort, sondern sammelt sie als
Futter für das Vieh, sie werden gern von den Landwirten
geholt werden.

Da die Kartoffel nun zu den wichtigsten Nahrungsmitteln zählte, wurde, um die Kartoffelversorgung zu sichern, außerdem die Schlachtung von ca. 1/3 des gesamten Schweinebestandes angeordnet, da diese zuvor die Kartoffeln als Futtermittel bekommen hatten, was später zu einer Lücke in der Fettversorgung führen sollte.

Trotzdem wurden im Verlauf des Krieges Kartoffeln (vor allem wegen der mageren Ernten) immer knapper bis im sogenannten ‚Kohlrübenwinter’ 1916/17 statt Kartoffeln fast nur noch Kohlrüben (Steckrüben) als Ersatzstoff ausgegeben wurden.

Verständlicherweise war die Freude über Kartoffellieferungen bei der Bevölkerung, aber auch bei den Gemeindeverwaltungen z. B. zur Versorgung der häufig eingerichteten Kriegsküchen immer sehr groß. In Herford wurden größere Kartoffellieferungen in den Zeitungen angekündigt und konnten dann direkt am staatlichen Güterbahnhof Herford abgeholt werden.

Abb.2_HK_1916.07.31_Kartoffelabholung_Güterbahnhof_neu

Bekanntmachung aus dem Herforder Kreisblatt vom 31.07.1916 über den Kartoffelverkauf am Güterbahnhof der Staatsbahn in Herford (Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E450)

Kartoffeln
Heute nachmittag von 4-7 Uhr und Dienstag vor-
mittag von 7-10 Uhr werden auf dem Güterbahnhof der
Staatsbahn Kartoffeln an jedermann verkauft.
Ein Pfund kostet 11 Pfg, bei Abgabe von einem Zent-
ner und mehr 10 ½ Pfg.
An Wiederverkäufer werden die Kartoffeln mit 10 Mark
für einen Zentner abgegeben.
Herford, den 31. Juli 1916.
Der Magistrat

Es herrschte dann ein großer Andrang am Güterbahnhof und zum Transport der Kartoffeln kamen Karren, Körbe, aber auch Kinderwägen zum Einsatz.

Abb.3_Gummich Kartoffelausgabe 1916 Güterbahnhof

Foto von der Kartoffelausgabe am Güterbahnhof der Staatsbahn in Herford 1916

(Saskia Bruns, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Zeitungssammlung; Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E450

Der Soldat und Flieger Rudolf Kisker (1889-1916) aus Bielefeld

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Rudolf Kisker (1889-1916), Foto ca. 1913, Privatarchiv Familie Kisker, Nr. 7

Rudolf Kisker wurde am 9.11. 1889 in Bielefeld als zweitältestes Kind des Webereifabrikanten Georg Kisker und seiner Frau Marie geboren. Im Jahr 1896 wurde er in die Vorschule zum Gymnasium und Realgymnasium in Bielefeld aufgenommen, die er bis 1899 besuchte. Nach bestandener Aufnahmeprüfung für die Sexta der weiterführenden Schule ging er bis zum Herbst 1900 auf das Gymnasium und Realgymnasium seiner Heimatstadt. Georg Kisker zufolge war sein Sohn ein „schwieriger, bockiger Junge, aber ehrlich, furchtlos und treu“ (Fi. AWK, 334). Dementsprechend schwer tat sich Rudolf Kisker mit der Schule.

Zur besseren Förderung schickten ihn seine Eltern deshalb nach Godesberg auf das evangelische Pädagogium, wo er in die Sexta aufgenommen wurde. 1906 bestand er dort die Prüfung zum Einjährig-Freiwilligendienst und kehrte anschließend – im Alter von 16 Jahren – nach Bielefeld zurück. Hier besuchte er die Obersekunda und Unterprima der städtischen Oberrealschule zu Bielefeld, wurde jedoch in der Unterprima nicht versetzt. Sein Vater gab daraufhin seiner Bitte nach, die Schule verlassen zu dürfen. Seine nächste Station war die Deutsche Kolonialschule in Witzenhausen, denn er strebte eine Kolonialtätigkeit als Farmer oder Pflanzer in Südwest-Afrika an. Nachdem er ein Praktikantenjahr absolviert hatte musste er die Kolonialschule jedoch aufgrund eines Schulverweises wieder verlassen.

Kiskers beruflichen Pläne richteten sich nun darauf, Landwirt in Deutschland zu werden. In den folgenden Jahren widmete er sich erfolgreich seiner landwirtschaftlichen Ausbildung in Theorie und Praxis und leistete zudem seine einjährige Dienstzeit und erste Übungen bei den Jägern zu Pferde in Erfurt ab. Nachdem er einige Monate die Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin besucht hatte, erreichte ihn dort Ende Juli 1914 der Einberufungsbefehl: Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.

Rudolf Kisker wurde zum Kürassier-Regiment von Driesen nach Münster beordert, mit dem er sofort nach der Mobilmachung als Vizewachtmeister bei der Bagage, die für das Gepäck zuständig war, in Belgien einrückte. Er war beim Vormarsch des rechten Flügels bis kurz vor Paris und dem anschließenden Rückzug nach Norden dabei. Er erhielt dann ein Kommando bei einem Infanterie-Regiment, das in Polen gegen die Russen kämpfte. Hier erkrankte er nach nur wenigen Tagen an einer schweren Bronchitis und wurde in ein heimatliches Lazarett geschickt. Wieder zurück bei den Erfurter Jägern, wurde er Ausbildungsoffizier bei der Ersatzschwadron.

Seine Pläne richteten sich in der Folgezeit darauf, Flieger zu werden, was ihm auch gelang: Zur Fliegertruppe versetzt und in Leipzig ausgebildet, wurde er im Oktober 1915 an die Front nach Belgien befohlen, wo er vor allem im Fliegerlager von Menin bei Courtrai als Aufklärungsflieger tätig war. Nur wenige Wochen nach einem Heimaturlaub in Bielefeld wurde Rudolf Kiskers Flugzeug am 29. Juli 1916 im Luftkampf durch ein englisches Geschwader über Zandvorde bei Ypern abgeschossen. Mit ihm starb sein Beobachter Leutnant vom Holtz. Nach der Überführung der Leichen wurde Rudolf Kisker am 4. August 1916 auf dem Bielefelder Sennefriedhof beigesetzt.

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Der Grabstein Rudolf Kiskers auf dem Sennefriedhof (Foto: E.-M. Hartmann)

(Eva-Maria Hartmann, Privatarchiv Familie Kisker, Bielefeld)

Foto: Rudolf Kisker in Uniform mit Pickelhaube, aufgenommen 1913 (oder 1914) in Erfurt bei den Jägern zu Pferde (in Erfurt: Ableistung der einjährigen Dienstzeit und erster Übungen)

Signatur: Privatarchiv Familie Kisker, Nr. 7 (Foto); Firmenarchiv A.W. Kisker, Nr. 334

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 28.7.1916

Konfirmandenunterricht.  Über Holzel (Frau Schöneberg) zum Bahnhof. Sitzung des konservativen Partei Vorstandes in Herford. Man will Bethmann stürzen – das mache ich im Kriege nicht mit. Rückfahrt mit Landrat v. Ledebur, P[astor] Husemann P[astor] Meyer. Besuch bei Frau Schöneberg & Brinker.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 93/28.07.1916

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Feldpost des Theologiestudenten Alfred Heinisch aus dem Schützengraben, 1916

Feldpostbrief von Musketier Alfred Heinisch,
Infanterie-Regiment 13, 12. Kompanie, 13. Infanterie-Division, mit Stempel vom 28.7. 1916

Lieber Herr Pastor Jaeger, liebe Frau Pastor!

Vielen herzlichen Dank für Ihre lieben, frdl. Zeilen und das Paketchen mit Keks und div. Schriftchen. Es war mir eine große Freude, denn ich erhielt es in Stellung, 100 m vom Feinde. Heute morgen sind wir für einige Tage in Ruhe gekommen. Es war eitel Freude, als wir die Granatenfelder hinter uns hatten und keine Granaten mehr angeheult kamen. Einer spielte Mundharmonika, dann wurde gesungen und gescherzt. Wir sind diesmal sehr gut davongekommen, nur 2 Verwundete in der Kompagnie; der eine ist allerdings schon gestorben. Eine Gewehrgranate hat ihm den Fuß abgerissen. „Meine arme Frau und Kinder“, rief er noch, dann war er still. Es ist traurig u. die Furchtbarkeit all dieser Dinge kommt einem bloß nicht so zu Bewußtsein, weil man gar nichts anderes mehr erlebt als dies und sich daran gewöhnt hat. Wann wird der Herr diesen großen Druck von den Herzen nehmen? Wir haben alle gelernt hier draußen in der Not des Schützengrabens, auch ich, der Krieg war ein guter Lehrmeister. Dem Herrn sei Dank für alles.

Im Herrn Jesu grüßt Sie alle herzlich
Ihr Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Soldaten des 2. Ersatzbataillons des Infanterieregiments 67 bei der Feldarbeit (1916)

Soldaten

Soldaten des 2. Ersatzbataillons des Infanterieregiments IR 67 bei der Feldarbeit im Lemgo (1916), Fotograf unbekannt

Das Bataillon im Lemgo pachtete etwa 22 Hektar Ackerland an, das von den Soldaten in Eigenregie bewirtschaftet wurde.

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Fotosammlung Bartelsmeier

Aufruf „Sammelt die Obstkerne“

Obstkerne

„Sammelt die Obstkerne und schickt sie durch Eure Kinder in die Schule oder an die nächste Sammelstelle!“
Farbiges Plakat des Kriegsausschusses für Öle und Fette mit Aufruf zum Sammeln von Obstkernen. Der „Kriegsausschuß für Öle und Fette“ wurde im Januar 1915 gegründet und als eine einheitliche Stelle mit der Beschaffung von Ölen und Fetten für alle Industriezweige beauftragt.

Plakat: Julius Gipkens (1883-1968), ca. 1916

Lit.: Anna Roehrkohl: Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges, Stuttgart 1991.

Signatur: LkA EKvW 4.256 Nr. 415