Gedenkbuch der Evangelischen Gemeinde Sieker

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„Zum Gedächtnis an die im Weltkriege 1914-1919 gefallenen Söhne der Gemeinde Sieker“, o.D. [nach 1919]. – Auszug aus dem Gedenkbuch der Evangelischen Kirchengemeinde Sieker bei Bielefeld für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, hier für einige der zwischen dem 17. August und 8. November 1914 gefallenen Soldaten. Genannt werden der Name, das Alter, der Dienstgrad, die Kompanie und das Regiment, Sterbedatum und Sterbeort.

Signatur: LkA EKvW 4.190 Nr. 28

Aufenthaltsorte des Soldaten Heinrich Büsemeyer von März 1916 bis Mai 1918

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Heinrich und Johanne Büsemeyer um 1910 (privat)

Der Besenkämper Hauptlehrer Heinrich Büsemeyer (*13.8.1884, †16.5.1918) hat als Soldat im Ersten Weltkrieg hunderte von Briefen, Ansichtskarten, Fotografien und Visitenkarten an seine 1909 geehelichte Frau Johanne Büsemeyer (1886-1957) und seinen 1911 geborenen Sohn geschickt, die die Familie bis heute bewahrt. Neben seinen Briefen hat Heinrich Büsemeyer, der Mitte Mai 1918 fiel, auch ein Kriegstagebuch geführt. Aus diesen Quellen hat sein namensgleicher Enkel folgende Aufenthaltsorte für die Jahre 1916 bis 1918 exzerpiert.

Aufenthaltsorte von Heinrich Büsemeyer  von März 1916 bis Mai 1918

1916

6.3.    „… bin auf dem Weg nach Münster“ (eingezogen)

12.3.    Neuer Krug, Münster

16.4.        „Fahrt über Haltern, Wanne und Düsseldorf-Rath nach Cöln, das wir gegen Abend erreichen.“

12.00 Uhr nachts: „Wir sind in Herbestal. … Hinter mir das liebe deutsche Vaterland … Im Morgengrauen tauchen die Türme von Lüttich auf … Weiter geht die Fahrt durch das Maastal nach Namur… Über Namur geht die Fahrt weiter nach Charleroi… Von Charleroi bis Mons … . Gegen Abend sind wir in Tournay … weiter geht die Fahrt in der Richtung auf Orchies… Auf der Haltestelle Rumes verlassen wir den Zug und marschieren bei Anbrechen der Dunkelheit schwer bepackt durch den strömenden Regen nach Bourghelles …

20.4.        Verlegung nach Bachy, etwa 4km südlich von Bourghelles. „Ostern feierte ich in Bachy in Nordfrankreich.“ „Bachy war mein erstes Quartier auf französischem Boden.“

1.5.        „Letzter Tag meines Aufenthaltes in Bachy. Morgen geht’s zum Regiment 13.“

2.5.        „Nach langem, beschwerlichen Marsch über die holprigen französischen und belgischen Straßen bin ich in Antoiny (Belgien) beim Regiment 13 angekommen.

9.5.        (Brief 311 vom 9.5.1918:) „Heute vor 2 Jahren (…) fuhren wir von Bavi-Maulde in Belgien ab nach den blutgetränkten Feldern von Verdun.“

3.6.    „… bin nicht mehr in Belgien“

4.6.    „30 km nördlich von Verdun“. „Pfingsten feierte ich auf den Totenfeldern vor Verdun.“

6. – 16.6.    keine Korrespondenz

7.6.        „Am 7. Juni marschierte unser Bataillon von Murvaux aus in Stellung. Wir brachen um drei Uhr nachmittags feldmarschmäßig bepackt auf, waren gegen acht Uhr in Danneroux, wo wir aus der Feldküche das Essen empfingen. Um 10.30 Uhr ging’s im strömenden Regen weiter. Wir kamen bald in einen großen Wald, wie ich später feststellte, war es der berüchtigte, von französischen Granaten arg heimgesuchte Forges-Wald. … Als wir aus dem Walde heraus waren, kamen wir in das Forgesbachtal.

17.6.    „… schwere Tage liegen hinter mir“

19.6.    „… liege am Ufer der Maas“

25.6.    „… bin in der Nähe des ‚Toten Mann'“

1.7.        Mauldes in Belgien, Beginn der Daumenentzündung (siehe Brief 16.7.)

2.7.    „… wohne in der Taufkirche der Johanna von Orleans“ (Domrémy-la-Pucelle, Dep. Vosges)

3.7.    „… wohne in einer arg zerschossenen Dorfkirche, 15 km hinter der Front, am ‚Toten Mann'“

4.7.         „Vor Verdun“

6.7.        „Morgen werden wir in unsere Sturmstellung einrücken. Ich habe mich freiwillig für den Stoßtrupp gemeldet.“

8.7.         Am „Toten Mann“ vor Verdun

9.7.    „… bin ins Feldlazarett in einer früheren Pfarre überwiesen worden“ (Daumenoperation)

11.7.    Hat in den vergangenen Tagen eine Karte aus Brieulles geschickt

11.7.    „Wir liegen etwa 4 km vom vordersten Graben in einer ausgebauten, günstigen Stellung.“

15.7.    Ist ins Kriegslazarett Laneuville verlegt worden, in einem Schloß („eher wie ein besserer Gutshof“) mit Park

19.7.    Laneuville liegt 10 km (?! – stimmt nicht!) von Stenay, dem Hauptquartier des Kronprinzen, die Front ist 40 km entfernt

30.7.        Laneuville:    „Duft blühender Linden, …sitze auf einem Balkon mit Wein und Kletterrosen“

14.8.    Wurde nach Stenay zur Genesungsabteilung verlegt

15.8.    Zur Bahnhofskommandantur Stenay abkommandiert

26.8.    „… schlafe nicht im Bahnhof, sondern vor der Stadt in der Infanteriekaserne“

2.9.    „… kann dicht am Bahnhof ein Zimmer beziehen – reinlich, tapeziert, mit wunderschönem Ausblick“

10.9.    „… war vor ein paar Tagen wegen eines Kantinen-Einkaufs in Sedan“

28.9.    „Turmuhr Laneuville schlägt 11 Uhr abends, 3 Schlag den Dreiklang abwärts“

1.10.    „… sitze in der Gartenlaube (an der Wohnung?!), dicht vor mir, unterhalb der alten Gartenmauer, weiden einige Dutzend Kühe“

1917

14.1.    Im dienstlichen Auftrag nach Sedan

25.1.         Aus dem Urlaub (Ankunft Bielefeld am 20.1.) in Besenkamp zurück in Stenay, Fahrt ging über Bahnhof Ückingen bei Diedenhofen. Er schreibt nach Lotte, wo er Johanne und Günther noch vermutet.

31.1.    Ende der Zeit in Stenay: „Am 31. Januar bin ich wieder zu meiner Kompanie und damit wiederum in die Welt der Schützengräben gekommen.“

5.2.        -21° C

7.2.    „in Stellung“

21.2.    im Ruhequartier Waldlager Münster (Munster?)

1.3.    „im Unterstand“

5.3.    „… aus dem Graben“ – bis 24.3. abkommandiert nach Currel („1/2 Stunde entfernt“) zum Kursus zum Gebrauch der Nahkampfmittel

8.3.        „… heute nach Currel übergesiedelt“, (9.3.:) „bis Ende März“

20.3.        Currel

27.3.        Besuch bei Herrn Wöhrmann in Vilosnes (am 28.5. fragt er, ob Herr Wöhrmann bei Vilosnes „geblieben“ sei)

1.4.    Heimaturlaub (Karte aus Stenay vom 11.4.: „… wieder zurück im verhaßten Frankreich“), danach:

„Der Übergang aus dem friedlichen Daheim in das Elend des Schützengrabens wurde mir dadurch erleichtert, daß ich die ersten 10 Tage nach meiner Rückkehr bei der Feldintendantur unserer Division beschäftigt war.“

15.4.        „Seit gestern etwas nach Westen verlegt in die Nähe des Cheppi-Waldes“

3.5.    „Seit vorgestern wieder in Stellung als Gefechtsordonnanz beim Bataillon“,
„Links von uns die Trümmer von Malancourt und Haucourt , etwas weiter die Mauerreste von Béthincourt , schräg vor uns der Tote Mann und Höhe 304.“

6.5.        „Wir kommen also auch in die große Offensive an unserer Westfront.“

10.5.        „Heute sind wir zum letzten Mal vor Verdun ins Stellung.“

14.5.        Wir sind auf der Fahrt und berührten Sedan-Charleville.

15.5.        „Ankunft in Rocoy. Marsch bis Renneville; ungefähr 6 km. Ortsunterkunft auf Stallboden.“

16.5.        „Marsch nach Lappion. Von 1.00 Uhr bis 5.00 Uhr Ruhe in der Kirche zu Lappion, dann Weitermarsch nach Truppenübungsplatz Sissons.“

„Letzte Grüße aus dem Waldlager, wir rücken morgen ab.“

17.5.        Marsch nach Samoussy.

Liegen in der Nähe von Laon, Unterkunft in Zelten

2.6.        Marsch in Stellung Höhle Cerny-West. Zwischenaufenthalt in Parfondru. „Abends gegen einhalb 11 Uhr bei Montenault ins Artilleriefeuer gekommen.“

3.6.        „… sind Höhlenbewohner geworden.“

6.6.    „… liegen am Rande des ehemaligen Dorfes Cerny.“

13.6.        „… Chemin des dames wird von unserem Graben durchschnitten.“

19.-20.6.    „Urlaub nach Sedan zwecks Vernehmung als Zeuge.“

23.6.        Abends 7.00 Uhr: „Marsch in die Stellung. Alles ruhig, durch Artillerie nicht belästigt. In Martigny Kirschen gepflückt.“

3.-6.7.        „Bataillon mit 3 Kompanien in Reserve im Negerdorf. 1. Kompanie bleibt vorn. Während dieser Tage bin ich zum Barackenbau im Waldlager bei Parfondru abkommandiert.“

„Negerdorf“ liegt 1,5 km hinter der ersten Linie.

6.7.        „… das letzte Mal am Chemin des dames in Stellung.“

7.7.        Marsch in Stellung nach Cerny-Ost.

18.7.        Morgens 5.30 Uhr: „Marsch aus Stellung. Feuer bei Martigny.“

29.7.        „Um 6.00 Uhr abends fand in der Dorfkirche zu Parfondru die Feier des heiligen Abendmahls statt für evangelische Mannschaften.“

2.8.        Morgens 7.30 Verwundung durch französische Sprenggranate an der rechten Wange, … zu Fuß nach Chamoully, von da mit einem Krankenauto nach Bruyères gefahren wurde. Von Bruyères zum Hauptverbandsplatz auf einer Ferme bei Parfondru. Von da aus am selben Abend ins Feldlazarett 70 in Liesse.

2.8.-6.8.    Feldlazarett in Liesse.

6.8.        „… mit einem Lazarettzug nach dem Kriegslazarett Glageon bei Hirson.“

6.8.-10.9.    Kriegslazarett Glageon, dann zur Truppe entlassen. Fahrt bis Hirson.

11.9.        Von Hirson dem Feldrekruten-Depot in Thénailles überwiesen; Fahrt bis Vervins.

13.9.    Zur Feldersatzkompanie der 13. I.B. überwiesen.

27.9.    Zur Kompanie nach Crécy sur Serre zurück.

1.10.    Er kündigt Urlaub ab 10. oder 11. Oktober an.

4.10.        Nächsten Donnerstag oder Freitag soll Günther zuweilen nach Bünde oder  nach Brinkmanns hinausschauen, ob der Vater kommt.

24./28.10.        Ist nachts um 2 aus dem Urlaub wieder in Laon angekommen, Regiment liegt nach schweren Tagen in Ruhe.  Regiment liegt in der Nähe von Hirson und wird am 29.10. verladen.

31.10.        Bataillon liegt seit 30.10. in Floing, „bewohne mit 5 Kameraden ein Zimmer am Marktplatz“ (Beschreibung in Brief 252). Regiment hatte große Verluste, „von meinen Bekannten nichts mehr da“. „Wie ist es mit Günthers Lehmumschlägen?“ (erstmals wird die Knieverletzung erwähnt).

18.11.        Besuch bei Bruder August in Virton, den er seit 3 Jahren nicht gesehen hat. Verlegung kündigt sich an, angeblich zum Truppenübungsplatz
Beverlos in Belgien.

23./25.11.        Liegen in Imécourt in den Argonnen, Quartier in einem alten Klosterhof mit Wassergraben, 20 km hinter der Front.

1918

1.1.-6.1.    Liegt als Beobachter „¾ Stunde vor der Kompanie“.

11.1.    Am 13. Tag in Stellung.

13.1.    Aus der Stellung – im Waldlager (Cierges); Verlegung deutet sich an, „Bewegungskrieg wird vorbereitet“.

16.1.        Liegen in Ruhe in Cierges.

22.1.    Wieder in Stellung, „war kürzlich dem Tode sehr nahe“ (Flugzeug hatte ihn am 21.1. im Beobachtungsstand beschossen – Brief 278).

25.1.        „Vor 2 Stunden (ca. 7.30) tobte hier eine wahre Hölle“.

31.1.        In Ruhe im Waldlager (=Cierges)

7.2.    „Seit gestern liegen wir in Arlon an der belgisch-luxemburgischen Grenze. (…) wohne mit zwei Unteroffizieren in einer kleinen Wirtschaft.“

15.2.        „Werden wahrscheinlich wieder verlegt.“

19.2.    „Liegen in Anzin an der französisch-belgischen Grenze, einem Vorort von Valenciennes (…) bin in einer Schule untergebracht.“ Operation an Günthers Knie wird erwogen.

1.3.        Post soll angeblich für 14 Tage gesperrt werden.

7.3.    „Von morgen an werden keine Briefe mehr befördert“ – nur noch Postkarten als „Lebenszeichen“.

bis 18.3.    nur kurze Feldpostkarten-Grüße

18.3.    schreibt Abschiedsbrief, der in seiner Brieftasche bleibt

21.3.        Offensive beginnt (Brief 304)

3.4.    „Leben gut von den Vorräten, die uns der Tommy zurückgelassen hat.“ Große Sorge um Günthers Krankheit, die „falsch behandelt“ wurde.

7.4.    „Gestern hat man mich zum Vizefeldwebel gemacht, natürlich wegen Tapferkeit vorm Feinde. Als ob’s für einen Soldaten etwas anderes gibt als Tapferkeit.“

15.4.    Günther ist im Krankenhaus

19.4.    Auf dem Marsch

20.4.    „Links der Somme“, seit 20.3. erstmals wieder unter einem Dach, ist beim Bataillonsstab

30.4.    „Die Kompanie hat nur noch einen Offizier, sonst keinen Feldwebel und Unteroffizier mehr.“

9.5.        „Wir alle sind durch die großen Strapazen und schweren Kämpfe der letzten Wochen seelisch krank geworden. Infolge der starken Verluste sind die alten Gesichter fast ganz aus der Kompagnie verschwunden. Man führt sich ordentlich vereinsamt und fremd.“

Am 16. Mai 1918 findet Heinrich Büsemeyer den Tod durch einen Granatvolltreffer bei Castel/Picardie.

Quellen: Kriegstagebücher 16.4.1916 – 4.10.1917, Briefe 22.2.1916 – 16.5.1918 (+), Privatarchiv Heinrich Büsemeyer

Lit.: Heinrich Büsemeyer: „Wer behauptet, der Krieg mache die Menschen besser, der spricht eine Lüge aus.“ Briefe des Besenkämper Hauptlehrers Heinrich Büsemeyer 1916-1918, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 18/2011, 161-191.

Gefallenenbrief von Pfarrer Klein nach Werther, 24.4.1918

Mons [Belgien], 24. April 1918

Sehr geehrte Frau Gieselmann!

Gestern habe ich Ihren lieben Mann auf dem Soldaten-
friedhof hier beerdigt. Da möchte ich Ihnen vom Grab und
von seinem Krankenbett her meinen Gruß herzlicher Teilnahme
senden. Ihr Mann war ja lange im Lazarett hier, und da
habe ich ihn öfter besucht. Donnerstag nach Ostern reichte ich
ihm auf seinen das heil. Abendmahl. „Friede sei
mit euch“, so hörten wir da den Gruß des auferstandenen
Lebensfürsten. Ihr Mann wußte selbst daß für ihn keine
Hoffnung mehr auf Genesung war. Manchmal mochte man
freilich hoffen daß er wenigstens noch in ein Heimatlazarett kom-
men könnte und gerne hätte er ja auch die Seinen noch wieder-
gesehen. Aber es durfte nach Gottes Willen nicht mehr sein. Ihr
Mann richtete seine Hoffnung in die Höhe, ergeben trug
er sein Leiden und befahl sich und die Seinigen in Gottes Hand.
So haben wir gemeinsam in dieser Osterzeit uns manchmal
von Evangelien oder Epistel dieser Sonntage uns zu unserem
lebendigen Herrn und Heiland weisen lassen: Nichts ist das
mich von Jesu scheide, nichts es sei Leben oder Tod, ich leg
die Hand in seine Seite und sage: mein Herr und mein
Gott, Mein Gott ich bitt durch Christi Blut machs nur mit
meinem Ende gut. [„Wer weiß, wie nahe mir mein Ende“, Geistliches Lied von Æmilie Juliane von Barby-Mühlingen, 1686] Oder wir hörten von dem guten Hirten,
der seine Schafe kennt, und den wir kennen wollen, und
der uns das ewige Leben gibt, und niemand soll uns aus seiner
Hand weisen: Meinen Jesum laß ich nichts… [Kirchenkantate von Johann Sebastian Bach, 1725, BMV 124] Am Grab sprach
ich ihm das Abschieds- und Wiedersehenswort Jesu aus dem Evan-
gelium des letzten Sonntags Joh. 16.16: Lang mag uns die Tren-
nung hier auf Erden vorkommen, und für immer scheint uns
Tod und Grab auseinanderzureißen; aber im Blick auf Jesus gilt
auch hier: über ein kleines… [Johannes 16.16] Klein ist Erdenzeit und Erdenleid
auch wenn sie uns noch so groß u. endlos lang vorkommen
wenn wir schauen auf die große Ewigkeit u. Himmelsherrlichkeit
wenn dies Große darüber steht: Ich gehe zum Vater, ich gehe zu unserem
Heiland. Wenn dorthin unsere Wege einmünden, ob daheim oder
hier draußen so ruhen sie doch wiederum zu seinen auch durch
Tod u. Grab hindurch zu einer höheren Gemeinschaft aller Jünger
Jesu. Und schon jetzt wollen wir doch darin verbunden sein, schon
jetzt will dies Große ganz unser Leben durchdringen. Ich bin bei
dem rechten Vater und er bei mir und den Meinen ich lebe in meinem
Heiland und er lebt in mir. Der treue Herr und Gott tröste und stärke
euch. Sie mit ihren Kindern, und der Mutter, die ja wohl auch noch
mit Ihnen jetzt trauern muß, und allen Angehörigen mit der
Kraft seines Friedens; Er helfe Ihnen im Leiblichen und Geistlichen, es
ist ja der höchste Trost, die Gewißheit: mein Mann ist im Glauben
an den Herrn gestorben. Und Er lasse lasse uns all den Opfern Segen er-
wachsen für unsere Familien und unser Volk. Ja der Gott aller
Gnade, der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu,
wolle auch, die ihr eine kleine Zeit leidet vollbereiten, stärken, kräftigen,
gründen. Dem selbigen sei Ehre u. Macht in ewigkeit. Amen. (1. Petr. 5.10-11)
In herzlichem Gedenken grüßt Sie,
Klein, Pfarrer

(Raphael Hennecke, Bielefeld)

Signatur: LkA EKvW 4.81, Nr. 53

„Hoffentlich hat der blödsinnige Krieg bald ein Ende.“ Früher Tod und mutige Feldpost einer Familie aus Exter

Greco Gemälde

„Res[erve] Inf[anterie] R[e]g[imen]t. 15, 11. Compagnie, Gefallen am 23. August 1914 bei Gozen“ – Gedächtnisbild an Fritz Prüßner

Auch die Familie Prüssner aus Exter bei Vlotho hatte schon früh einen Kriegstoten zu betrauern. Der Sohn Fritz starb bereits am 23. August 1914 in der Schlacht bei Gozen, heute Gozée (Namur), heutiger Ortsname Thuin. An ihn erinnert in der Familie bis heute neben anderen Dokumenten noch ein nach einem Foto erstelltes – inzwischen aber stark verwittertes – Gedächtnisbild.

Sein älterer Bruder Heinrich, der zu dieser Zeit in Herford wohnte, musste auch in den Krieg. Er besuchte in der Weihnachtszeit 1917 von seinem Standort Maaseik in der Provinz Limburg in der Region Flandern sogar das „Helden“-Grab seines Bruders im flandrischen Gozen und schickte an seine Mutter und den zuhause gebliebenen Bruder Gustav eine Karte mit dem Gedenkstein.

Greco  Weltkrieg Heldengrab V

Feldpostkarte (Vorderseite) von Heinrich Prüßner an Familie Prüßner in Exter vom 28. Dezember 1917

Greco  Weltkrieg Heldengrab R

Feldpostkarte (Rückseite) von Heinrich Prüßner an Familie Prüßner in Exter vom 28. Dezember 1917

Feldpost
An Familie H. Prüssner
Exter N[r.]. 63 b[ei] Vlotho
a[n] d[er] Weser Westfahlen

Maaseik, den 28.12.17

Liebe Mutter u. Bruder!
Umseitig der Gedenkstein vom
Friedhof Gose wo Fritz liegt,
war diese Tage ganz in der Nähe.
Nun Wünsche ich Euch Allen
ein glückliches und gesegnetes
neues Jahr. Viele Grüße
Euer Heinrich

Abs[ender] Gefr[eiter]. Prüssner
I. Landst[urm] Jäger Komp[anie]
Maaseik Belgien

Schon im August 1916 hatte er aus Hoogstraeten die Absicht bekundet, trotz weiter Entfernung und schlechter Bahnverbindung dorthin zu fahren. Ob es ihm schon dazwischen gelungen war, muss offen bleiben. In seinen Feldpostkarten finden sich ansonsten auch nur die üblichen Aussagen, wie „mir geht es noch ziemlich gut“.

Greco  Gustav Prüßner Belgien 1916 Rücks

Feldpostkarte (Rückseite) von Heinrich Prüßner an Familie Prüßner in Exter vom 7. August 1916

Feldpostkarte
An
Familie Prüssner
Exter no. 63 b[ei]/Vlotho
a[n] d[er] Weser

Hoogstraten, den 7.8.16

Liebe Mutter u. Geschwister

Teile Euch mit, daß es mir
noch ziemlich gut geht, ich
hoffe dasselbe auch von Euch.
Betriffs der Einweihung
des Friedhofes, teile ich Euch
noch mit, es ist aber ziemlich
weit von hier, und
schlechte Bahnverbindung habe
aber ich will, sollte ich Urlaub erhalten
doch hin.
Es grüßt Euch allen Euer Heinrich

Abs[ender] Gefr[eiter]. Prüssner
I. Landst[urm] Jäger Komp[anie]
Feldpostamt Hoogstraeten
(Belgien)

Greco  Gustav Prüßner Belgien 1916

Feldpostkarte (Vorderseite) von Heinrich Prüßner an Familie Prüßner in Exter vom 7. August 1916

Umso ungewöhnlicher ist die leider durch Einkleben im Fotoalbum beschädigte Karte von Heinrich Dünker, eines Freundes von Gustav Prüssner. Es lässt sich dort der – offenbar von der militärischen Briefzensur übersehene – Satz „Hoffentlich hat der blödsinnige Krieg bald ein Ende“ rekonstruieren.

Greco Weltkrieg Heldengrab 3 V

Greco  Weltkrieg Heldengrab 3 R

Feldpostkarte (Vorder- und Rückseite) von Heinrich Deppendorf an Gustav Prüßner in Exter vom 4. Juli 1916

Feldpost
Herrn Gustav Prüßner
Exter No. 63
Kr[eis] Herford
I[n]/Westfalen

D[en] 4. Juli 1916
Wehrter Freund!

Teihle Dir mit daß ich noch gesund
und munter bin. Welches ist auch von Dir
hoffe. Ich habe schon lange nichts mehr
von Dir gehört oder hast Du meine
Karte nicht erhalten. Hier ist es noch
alles beim Alten. Hoffentlich hat
der blödsin[nige Krieg]* bald ein Ende.
Die herz[lichsten Grüße an]* die Mutter
u. Schwester [sendet dein Freun]*d Heinrich
[…]

[* Fehlstellen sinngemäß ergänzt, C. Laue]

Abs[ender] Musketier H. Dünker
M[u]s[ke]t[ier] K[ompanie] 34. Div[ision]
Komp[anie] Inf[an]t[erie] Reg[iment]147
V. Bataillon

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E. 451

 

Plakat „Deutschlands Schicksal […]“

Belgien

„Deutschlands Schicksal in einem zukünftigen Krieg wenn Belgien die Basis englischer Luftangriffe ist!“, Plakat, ca. 1917
Ostwestfalen-Lippe würde sich nach dieser Skizze in einer vermeintlichen „Zone der Verwüstung“ befinden.

Plakat: Hermann Bergmann, Berlin; Rechteinhaber unbekannt (Hinweise zum Urheberrecht bitte an webmaster@archive-owl.de)

Signatur: LkA EKvW 4.256 Nr. 415

Die „Herforder Luftschiffer“ – Wilhelm Vogt als Ballonflieger im Ersten Weltkrieg

Vogt Herforder Luftschiffer

Herforder Luftschiffer 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Stolz posieren die „Herforder Luftschiffer“ mit einem dicken Fass 1914/15. Dieses Bild ist bisher einmalig und schlägt ein unbekanntes Kapitel zum Einsatz Herforder Soldaten im Ersten Weltkrieg auf. Mit auf dem Bild ist der Wilhelm Vogt, geboren 1878 in Diebrock und im zivilen Leben Herforder Polizeisergeant. Er wohnte an der Bielefelder Straße und war im Krieg einer der wenigen deutschen Luftschiffer. Am 15. Januar 1917 schickte im „Ihre Freundin“ Auguste Petzhold verspätete Neujahrsgrüße zur Feld-Luftschiff Abteilung Nummer 12 im Westen. Hier nämlich war Vogt seit 1914 beim Ballonzug 33 des Luftschifftrupps No. 3 eingesetzt. Ob wirklich als Fahrer eines Ballons oder „nur“ im Wagenbaukommando, ist bisher unklar. Jedenfalls stand er mit seiner Truppe in Westflandern und bei Ypern im schon bald sinnlos werdenden Stellungskrieg.

Vogt Wagenbaukommando

Wagenbaukommando der Feldluftschiffer Abteilung 12 vor Ypern 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Vogt Westflandern

Westflandern Feldzug 1914/1915 Fröhliche Ostern (Foto: Stadtarchiv Herford)

Die an einer Trosse aufsteigenden Fesselballons dienten im Ersten Weltkrieg zur taktischen Gefechtsfeldaufklärung. Erfinder und Namensgeber waren August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld. Die ziemlich schwerfälligen Geräte fanden zunächst nur wenig Verwendung, sie wurden aber im Graben- und Stellungskrieg ab September 1914 wichtiger, da von ihnen aus auch die die kleinsten Truppenverlegungen beobachtet werden konnten. Trotzdem hatte das Heer im Februar 1915 an der Westfront nur neun Fesselballone mit entsprechend wenigen Feldluftschiffern. Jeder Ballonzug besaß nur einen Ballon, wenn dieser zerstört worden war, fiel die gesamte Einheit aus.

Vogt Ballon

Feldluftschiff / Ballon im Einsatz (Foto: Stadtarchiv Herford)

Noch war diese Waffe zu unbekannt auch bei der Heeresleitung. Erst im März 1915 wurde die Dienststelle „Chef des Feldflugwesens“ gegründet. Im Angriff auf Verdun im Februar 1916 setzte sie erstmals zwölf Ballone koordiniert ein, deren Aufklärungsmeldungen zentral an die Führung weitergeleitet.

1916 verfügte das deutsche Heer über 53 Feldluftschiffabteilungen und 128 Ballonzüge, im Sommer 1918 über 186 Ballonzüge. Materialengpässe machten 1918 die Zusammenführung von je zwei Ballonzügen zu einem Ballonzug notwendig. Die neue Struktur gewährleistete neue (schnellere) Material- und Personal-Verfügbarkeit. Gleichzeitig mit dem Ausbau gab es die höchsten Verluste ihrer Geschichte. Mit neuer Brandmunition schoss der jeweilige Gegner die Ballone ab.

Vogt gehörte zur Feldluftschiffer-Abteilung 12, die von September bis November bei den Kämpfe um Nancy, bis Ende April 1915 an den Stellungskämpfen an der Yser, im Mai 1915 bei den Kämpfen um Ypern, ab Februar 1916 bis September 1917 bei Verdun und 1918 in den Abwehrkämpfen zwischen Maas und Argonnen eingesetzt war. Die von ihm gesammelten Bilder zeigen auch mit Toten im Schützengraben auch die Schrecken des Krieges.

Vogt schützengraben Tote

Tote Soldaten im Schützengraben. Foto aus dem Album des Herforder Soldaten Wilhelm Vogt (Foto: Stadtarchiv Herford)

Er überlebte den Einsatz und starb 1930 in Herford, 1953 starb seine Frau Henriette, geb. Schwagmeier. Nach dem Tod des Sohnes und Kleinbahnbeamten Fritz gelangten die Bilder in den 1990er Jahre auf dem Flohmarkt. Ein aufmerksamer Sammler stellte sie vor kurzem dem Herforder Stadtarchiv zur Verfügung.

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford Slg. E 518

Erste Fronteindrücke des Theologiestudenten Alfred Heinisch, 1915

Den 10.9. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Ganz plötzlich mußten wir nach 7 wöchentlicher Ausbildung von Detmold fort. Unsere Fahrt führte über Bielefeld, wo ich einen letzten Blick nach Bethel hinaus hatte, über Barmen, Düsseldorf Aachen nach Belgien. Am Dienstag kamen wir durch Lüttich. Der Morgennebel verhüllte uns leider jede Aussicht. Dann bekamen wir sehr schönes, klares Wetter und fuhren den ganzen Tag durch erobertes Gebiet. Da merkte ich, was unsere Truppen im August 1914 geleistet haben. – An der Bahnlinie eine dichte starke Postenkette, oft zerschossene Häuser und hier und da ein Massengrab. Hinter Löwen, wo wir die Hälfte Häuser zusammengeschossen sahen, überholte uns [Luftschiff] LZ 77 und ging dann in eine Halle nieder. Wir fuhren durch Brüssel, Mons, dann nach Frankreich hinein, ?, Montigny und Douai. Südlich von Lille wurden wir nun 20 km hinter der Front noch ein paar Wochen unter dem zeitweiligen Kanonendonner, der von Ypern oder La Bass?in herübertönt, ausgebildet. Oft besucht uns ein feindlicher Flieger. –
Unser Feldwebel fragte mich, ob ich nicht lieber Helfer eines Feldgeistlichen werden wollte. Ich glaube, ein solcher Dienst könnte mich besser auf den künftigen Beruf vorbereiten als das Leben im Schützengraben, und der Feldwebel versprach mir, sich für mich zu bemühen. Vielleicht aber soll mir das Kämpfen mit der Waffe nicht erspart bleiben. Ich bin bereit dazu; denn ich habe volles Vertrauen zu Jesus. Die Wege, die er mich bis jetzt geführt hat, waren manchmal so schwer, daß ich dachte, ich könne nicht mehr durch, aber gerade dadurch ist mir das Wort Mal. 3:3 so lieb geworden: „Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen.“-
In treuem Gedenken
Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Tod des Hilfspredigers Paul Waltking, 21.7.1915

Minden Westf. 30.7. 15.
Gutenbergstr. 7.

Sehr geehrter Herr Pastor!

In tiefstem Herzweh möchte ich Ihnen heute die Mitteilung machen, daß unser Sohn Paul, unser lieber, lieber Ältester, am 21. Juli gefallen ist, nördlich von Ypern, im Schützengraben.
Vor 2 Jahren arbeitete Paul bei Ihnen in der theol. Schule für das bevorstehende Examen. Hernach bekam er seine erste Anstellung als Hilfsprediger in Buer-Erle. (Westf.). Hier hat er traut verkehrt im Hause von Herrn P[astor] Volkening. Hier in der Stille hat er sich zu einem Prediger herangebildet, der besonders von Gott begnadet erschien. Als er die Wintermonate hier in Minden seine militärische Ausbildung erhielt, da hatten wir die Freude, ihn einmal, am 3. Jan[uar 1915], predigen zu hören, als er die Vertretung von dem erkrankten Herrn P[astor] Cordemann in unsrer Kirche, St. Martini, übernommen hatte. Er ist damals in den Ruf einer seltenen Tüchtigkeit gekommen und sein früher Tod wird von Vielen beklagt und beweint.
Im Dezember [1914] wurde Paul Soldat, Artillerist. Mit welcher Begeisterung er hier ankam, um seinem Kaiser, seinem Vaterlande zu dienen, läßt sich nicht beschreiben. Aber viel zu langsam ging ihm die Ausbildung voran. Immer wieder kamen neue Rekruten, mit denen er die einfachsten Uebungen von vorn anfing. Seine frohe Hoffnung, bald befördert zu werden, schlug fehl, trotz all seiner Tüchtigkeit als Soldat. Als er im März glaubte, endlich ins Feld zu dürfen, da kam er noch nach Jüterbog auf 7 Wochen. Endlich, endlich kamen begeisterte Karten aus dem Eisenbahnzuge, jetzt durfte er fort, streiten zu helfen für Recht und Freiheit. Aber – 4 km hinter Ypern blieb er halten an der Ballonabwehrkanone. Zum Schießen kam er nicht, das ließen sich die älteren Krieger nicht nehmen. So tat er immer nur die niedersten Dienste, längere Wochen hindurch u. Beförderung kam immer noch nicht. Und weil der Hauptm[ann] den Gedanken aussprach, das würde noch lange so bleiben, wenn aber jemand von den Einjährigen lieber zur Inf. übertreten wolle, mit der Aussicht, dann bald Offizier zu werden, der möge sich melden. Das taten sie dann alle, Paul zuerst. In Gent bekamen sie ihre Ausbildung als Off[i]z[iers]-Asp[iranten] der Inf[anterie]. Aber die Hoffnung, die ihnen gemacht war, auf die Kriegsschule in Roulers zu kommen, wurde nicht erfüllt. Als gew. Inf[anterie] wurden sie in die vordersten Schützengräben verwiesen, wo Paul nach wenigen Tagen seinen Tod fand. All die Enttäuschungen nahm er hin als aus Gottes Hand. „Ich bin in Gottes Schule gewesen“, schreibt er darüber. An einem Herzschuß ist er gefallen u. liegt in einem Einzelgrab bestattet. Der Gott, der ihn uns genommen hat, wolle uns beistehen in unserm Leid.

Frau L. Waltking

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Signatur: LkA EKvW Best. 13.99 (Waltking)

Aufklärungsflieger im Ersten Weltkrieg

Das Flugzeug war 1910 in der deutschen Armee eingeführt worden. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren insgesamt 232 Flugzeuge verfügbar, die Feldflieger- und Festungsfliegerabteilungen zugeordnet waren. Im Rahmen einer ersten Umstrukturierung kamen in der zweiten Jahreshälfte 1915 Artilleriefliegerabteilungen hinzu; im weiteren Kriegsverlauf folgten noch mehrere Reorganisationen der Fliegertruppe. Bei Kriegsbeginn gehörten 500 Piloten und Beobachter zur Fliegertruppe des Deutschen Kaiserreichs.

Zunächst dienten die Einsätze in erster Linie der Aufklärung. Auf diesem Gebiet verdrängten die Flugzeuge schon nach kurzer Zeit die Kavallerie, die bis zum Ersten Weltkrieg die Observation des Gegners übernommen hatte.

Die Aufklärungsflieger erkundeten aus der Luft das Terrain, beobachteten die feindlichen Truppen und lenkten die eigene Artillerie. Dabei bedienten sie sich der Luftfotografie: Aus dem zweisitzigen Flugzeug heraus schoss der Beobachter mit einer Kamera Fotos, die später am Boden entwickelt und ausgewertet wurden. Die Bilder lieferten wichtige Informationen für die Angriffsplanung.

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Luftaufnahme von Ypern, August 1915

Die Maschinen waren jeweils mit einem Piloten und einem Beobachter besetzt, die bei den Aufklärern im Team arbeiteten. Bei den doppelsitzigen, noch unbewaffneten B-Flugzeugen saß der Flugzeugführer noch hinten, der Beobachter auf dem Sitz vor ihm. Dies änderte sich mit Einführung der C-Flugzeuge im Jahr 1915: Jetzt saß der Pilot auf dem vorderen Sitz, während der Beobachter vom hinteren Sitz aus ein fest eingebautes Maschinengewehr bediente. Mit diesem konnte er von hinten angreifende feindliche Maschinen beschießen.

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„Barensprung – Kisker, Bombenflug nach Poperinghe“, vermutlich Ende 1915

Das Foto zeigt die Beladung eines Flugzeugs mit Bomben. Vorn auf dem Pilotensitz sieht man Rudolf Kisker, dahinter sitzt sein Beobachter Baerensprung, dem gerade eine Bombe angereicht wird – wie erwähnt, ließ der Beobachter die Bomben über dem Ziel fallen. Neben Barensprung ist das eingebaute MG des Beobachters zu sehen.

Diente diese Bewaffnung zunächst nur der Selbstverteidigung, wurde später auch offensiv der Luftkampf gesucht. Ab der zweiten Generation der C-Flugzeuge verfügte der Pilot ebenfalls über ein fest eingebautes Maschinengewehr. Die immer leistungsfähiger werdenden Flugzeuge wurden ab 1916 zudem verstärkt für den Abwurf von Bomben eingesetzt: Diese wurden per Hand vom Beobachter über dem Ziel fallen gelassen.

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„Lichtbild-Hochbetrieb“

Die hier gezeigten Fotos zum Thema Luftaufklärung stammen von Rudolf Kisker, der 1915/1916 als Aufklärungsflieger bei der im belgischen Menin stationierten Feldfliegerabteilung 3 im Einsatz war.

Literatur:

  • Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Deutschland im Ersten Weltkrieg, Frankfurt a. M. 2013, S. 207.
  • Jörg Mückler, Die deutschen Aufklärer im Ersten Weltkrieg: Franz und Emil über allen Fronten, in: Klassiker der Luftfahrt Heft 7/2014, S. 20-27.

Eva-Maria Hartmann, Kisker-Archiv, Bielefeld

Propaganda-Karten „Niemals ein Barbar“

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„Deutsches Kriegerherz“ (LkA EKvW 4.43 Nr. 699)

Deutsche Propaganda-Karte des Ersten Weltkriegs, o.D.

Deutsches Kriegerherz.
Nun bringe ich dich in dein Elternhaus,
Doch trinke erst dein Pullecken noch aus.
Und wenn du groß bist, sage wie ich war.
Ein deutscher Held ist niemals ein Barbar.

Signatur: LkA EKvW 4.43 Nr. 699

Belgiens Neutralität, die auch vom Deutschen Reich vertraglich zugesichert war, wurde seit Beginn des Krieges 1914 durch die Anwendung des sog. Schlieffen-Plans von den Deutschen missachtet. Der deutsche Vorstoß durch Belgien versuchte die in Ostfrankreich konzentrierte französische Armee und die dortigen Festungen strategisch zu umgehen. Bereits in den Morgenstunden des 4. Augusts 1914 war der deutsche Einmarsch in Belgien erfolgt. Erste Übergriffe fanden in Gemmenich statt. Nach dem unerwartet starken Widerstand Belgiens gegen die Invasion kam es in der Anfangsphase des Krieges zu vorsätzlichen Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung und zur Tötung von mehreren tausend belgischen Zivilisten. Unter den Opfern waren auch Frauen und Kinder. Der deutschen Armee wurden eine Vielzahl von Übergriffen und Gräueltaten gegen die belgische Bevölkerung sowie zahlreiche Zerstörungen und Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung angelastet [http://de.wikipedia.org/wiki/Rape_of_Belgium].

Die Massaker wurden von der alliierten Propaganda aufgegriffen. Den Entente-Mächten und besonders den Franzosen lieferte der Einmarsch der deutschen Armee in Belgien genügend Anlass, gegen das widerrechtliche Vorgehen Deutschlands zu polemisieren. Der „hässliche Deutsche“, der „Hunne“ sowie die „Vergewaltigung der Nachbarstaaten“ tauchten als Plakatmotiv im Verlauf des Krieges immer wieder auf. Vom preußischen Militarismus und kaiserlichen Großmachtswahn musste die Welt befreit werden. Die Deutschen waren vor allem die „Barbaren“. Geschichten deutscher Gräueltaten an der Zivilbevölkerung wurden von den Propagandisten ausführlich beschrieben und verbreitet. Furchteinflößende Visionen von einer deutschen Herrschaft in Europa sollten den Kriegswillen gegen Deutschland stärken. Dafür fanden die Künstler drastische Bilder: Deutsche Soldaten hinterließen in Frankreich und Belgien als „Mordbrenner“ zerstörte Kirchen, stießen den Gekreuzigten in den Schmutz und zogen plündernd und frauenschändend durch die Lande [http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda/].

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Französische Darstellung des deutschen „Barbaren“. Karikatur von Guillaume Morinet, 1915

Die deutsche Propaganda stellte die deutschen Soldaten hingegen als fürsorgliche Betreuer dar (siehe Karte oben „Deutsches Kriegerherz“). Die deutsche Plakat-Antwort auf den „Barbaren“-Vorwurf der Entente kam beispielsweise von dem deutschen Gebrauchsgraphiker und Künstler Louis Oppenheim (1879-1936): Auf einem Plakat hält er der Propaganda der Entente Statistiken entgegen, die Deutschlands, Englands und Frankreichs Sozialleistungen vergleichen sollen („Sind wir die Barbaren?“):

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Deutsches Plakat „Sind wir die Barbaren?“ von Louis Oppenheim

Quelle: Irina Renz, Plakate fürs Vaterland. Die Plakatsammlung der Bibliothek für Zeitgeschichte zum Ersten Weltkrieg. Artikelserie 100 Jahre Erster Weltkrieg – 100 Jahre Bibliothek für Zeitgeschichte, hg. v. Christian Westerhoff, in: Portal Militärgeschichte, 7. Juli 2014, URL: http://portal-militaergeschichte.de/renz_plakate. (Aufruf: 8.8.2014)

Heimatbrief Nr. 2 von Pfarrer Johannes Meyersieck (Oetinghausen), 28.9.1914

Brief Nr. 2
Oetinghausen, den 28. September 1914

Liebe Kameraden!

Drei Wochen sind vergangen, seitdem ich den ersten Gruß aus der Heimatkirche Euch sandte. Es dauerte erst eine Zeitlang, bis ich alle Adressen einigermaßen vollständig hatte, so hat sich für manche der Gruß verspätet. Von nun ab sollt Ihr ihn nach Möglichkeit alle 14 Tage erhalten, zumal nach allem, was man hört, an Feldpredigern draußen Mangel ist. Und ich glaube, wenn Ihr es bisher noch nicht wußtet, jetzt wißt Ihr, was ein Brief aus der Heimat wert ist.
Herrliche Erfolge [Meyersieck erinnert hier offensichtlich an die deutschen Erfolge der ersten sechs Kriegswochen, darunter insbesondere die Abwehr der französischen Offensive gegen Elsaß und Lothringen, die Besetzung von Lüttich, Brüssel und Antwerpen, den Vormarsch bis Paris sowie vor allem die Schlacht bei Tannenberg] habt Ihr z[um] Teil gesehen, aber auch ungeheure Strapazen ertragen u[nd] harte Entbehrungen durchgemacht u[nd] bei dem allen viel Grauenhaftes und Furchtbares erlebt. Da wird nicht nur Euer Körper nach Ruhe und Stärkung, sondern auch die Seele oftmals nach Erfrischung lechzen. Wie wohl tut in solchen Augenblicken ein Gruß von Euren Lieben, ein klein wenig Heimatluft. Hoffentlich habt Ihr inzwischen alle mehr wie eine Nachricht von Hause erhalten, so werdet Ihr wissen, wie es da aussieht, und habt vielleicht auch das eine oder andere aus der Gemeinde erfahren.
Bisher hat Gott gnädig seine Hand über die Kämpfer aus unseren beiden Gemeinden gehalten. Von fast 120 Vaterlandsverteidigern sind, wie wir wissen, bis jetzt noch keine gefallen, freilich etwa schon 10-12 verwundet, doch zumeist leicht. Einer von ihnen ist gestern schon wieder zur Front abgerückt. Aus Hiddenhausen ist Hauptmann v. Consbruch [Oscar v. Consbruch, gefallen am 28. August 1914] und Lehrer Decius [Carl Decius, gefallen am 24. August 1914] gefallen, auch unser Amtmann [dem „Amt Herford-Hiddenhausen“ stand von 1896 bis 1922 Amtmann v.d. Schulenburg vor] hat einen Sohn, einen Freund des Prinzen Joachim [Prinz Joachim v. Preußen, geb. am 17. Dezember 1890, Sohn von Kaiser Wilhelm II.], verloren. Wer von Euch noch verwundet werden sollte, dem wünsche ich, daß er dasselbe Glück hat, wie es 3 Verwundete unter Euch schon gehabt haben, daß Ihr in eins der in Herford errichteten Lazarette oder in das von den Gemeinden unseres Amtes ausgerüstete Vereinslazarett in Schweicheln überführt werdet. [Schon gleich nach Kriegsbeginn waren mehrere große Lazarette, von Zivilärzten mit betreut, in der Stadt Herford und in unmittelbarer Nähe eingerichtet worden. Sie konnten etwa 500 Verwundete aufnehmen. „Tausende von (…) Soldaten aus ganz Deutschland fanden hier durch sechs Jahre hindurch (…) ihre Gesundheit wieder.“ (Rainer Pape, Sancta Herfordia, Herford 1979, S. 281 f.). Das hier erwähnte befand sich im sog. „Eickhof“ in Schweicheln, einem ehemaligen Gutshof, der erst 1910 von Bethel übernommen und zum Waisenkinderheim umgebaut worden war. Als diakonische Einrichtung besteht der Eickhof noch heute.]
Schönes Wetter hat uns der liebe Gott in den letzten Wochen geschenkt. Wir freuen uns dessen für die Kartoffelernte u[nd] die Landbestellung – denkt Ihr wohl daran, daß wir am Sonntag d[as] Erntedankfest feiern? – aber auch für Euch, dürfen wir noch eher hoffen, daß Ihr trocken kämpfen dürft. Freilich in den Nächten wirds schon schlimm kalt sein u[nd] mit jedem Tage kälter werden, aber damit Ihr Euch gegen die Kälte schützen könnt, arbeiten an jedem Dienstag Abend ca. 80 Frauen und Jungfrauen, um neben der Versorgung der Verwundeten Strümpfe, Leibbinden, Pulsund Ohrenwärmer für die Kämpfer da draußen herzustellen.
(Die Lippinghauser sind noch fleißiger und kommen auch Freitags noch zu diesem Zweck zusammen).
Aber nicht wahr, neben diesen leiblichen Bedürfnissen, neben den Nachrichten aus d[er] irdisch[en] Heimat habt Ihr noch anderes nötig, 1 Gruß aus d[er] himmlischen Heimat. Mein Bruder, der in der Schlacht bei Tannenberg leicht verwundet wurde [Schlacht bei Tannenberg vom 26. bis 31. August 1914; die Generäle Hindenburg und Ludendorff zerschlugen mit ihren Truppen die Zweite Russische Armee in Ostpreußen], jetzt aber wieder im Felde steht, schrieb mir vor 14 Tagen, als er gehört hatte, daß ich mich zum Feldprediger gemeldet hätte (ich bin aber abgewiesen):
„Du kannst in dieser Stellung dem Vaterland direkt 1 unglaublich großen Dienst tun, denn als Unteroff[i]z[ier], denn der Soldat, d[er] mit Gottvertrauen i[ns] Feld geht, ist auch i[m] Feuer mehr wert als ohne dasselbe. Dazu kommt die verrohende Wirkung d[es] Krieges, der mit allen Mitteln entgegengewirkt werd[en] muß, wenn wir uns[er] Schild rein bewahren wollen. D[er] Krieg bringt viele edle Eigenschaften: Kameradschaft usw. zur Entfaltung, das ist erhebend, aber bei weitem mehr wird doch d[as] Tier i[m] Menschen genährt, wenn nicht Gottes Wort seine Kraft übt“;
dem werdet Ihr gewiß auch aus eigener Erfahrung zustimmen können und darum auch diesmal gern nach Blättern greifen, die ich Euch sende u[nd] die sich nicht an das Tier im Menschen, sondern an das Ebenbild Gottes in Euch wenden.

Euer Heimatpastor Meyersieck.

Quelle: Feldpostbriefe von Pastor Johannes Meyersieck aus Oetinghausen.

Lit.: Ulrich Rottschäfer (Hg.): „Wir denken an Euch“. Feldpostbriefe eines ravensbergischen „Heimatpastors“ im Ersten Weltkrieg, Bielefeld 2011.

Signatur: LkA EKvW 4.53 (Archiv der Ev. Kg. Hiddenhausen), Nr. 958

Heimatgrüße der Kirchengemeinde Lüdenhausen, 3/1914

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„Schütz Dich Gott!“ Heimatgrüße für die Soldaten der Gemeinde Lüdenhausen (Lippe) Nr. 3 / 1914 (Ausschnitt)

Ihr lieben Gemeindeglieder draußen im Felde!
Ein großes, heiliges Vorrecht haben wir Deutschen vor all unseren Feinden: wir dürfen Gott um den Sieg unserer Waffen bitten! Nicht England noch Frankreich, nicht Belgien noch Serbien, nicht Rußland noch Japan, nein, nur Oesterreich und Deutschland kann dem heiligen, gerechten Gott demütig bittend nahen, weil heilig und gerecht unsere Sache ist. Und Lob und Dank unserem Kaiser, daß er uns diese unzerbrechliche Waffe gegeben hat!

Download der Ausgabe 3 / 1914

Signatur: Landeskirchliches Archiv Detmold, Archiv der Kirchengemeinde Lüdenhausen