Verzeichnis der Gütersloher Opfer des Ersten Weltkriegs, 1914-1920

Liste Flachmann ganzAuszug aus dem Verzeichnis der Opfer des Ersten Weltkriegs (Signatur StadtA GT D 768) mit dem Namen des ersten Gefallenen Wilhelm Flachmann (siehe Nr. 3 in der Liste).

Liste Korte ganzAuszug aus dem Verzeichnis der Opfer des Ersten Weltkriegs (Signatur StadtA GT D 768) mit dem Namen eines Gefallenen vom 10. August 1914, Wilhelm Korte, der aus Gütersloh stammte, jedoch am 2.8.1911 nach Bielefeld verzogen ist (siehe Nr. 9 in der Liste).

Das aus 22 Einzellisten zusammengestellte Verzeichnis der Opfer des Weltkrieges (Signatur D 768) nennt insgesamt 585 Militärangehörige aus Gütersloh, die zwischen August  1914 und Februar 1920 in den Kämpfen des 1. Weltkrieges gefallen oder in Lazaretten an den Kriegsfolgen verstorben sind. Der erste verzeichnete Tote ist der Ulan Wilhelm Flachmann, der letzte der Musketier Theodor Sundermann (geb. 1894), der am 17. Februar 1920 im Vereinslazarett in Bethel gestorben ist.

Signatur: Stadtarchiv Gütersloh, GT D 768

Unteroffizier Karl Prüßmann als Theologiestudent, 1918

Der Unteroffizier und Theologiestudent Karl Prüßmann, der sein Studium in Bethel noch vor dem Kriegsausbruch hatte aufnehmen können, immatrikulierte sich nach einer 1915 erlittenen Verwundung im Jahr 1916 in Bonn. Später wurde er wieder eingezogen. Prüßmann hielt Kontakt zum Rektor der Theologischen Schule in Bethel regelmäßig, den er im Sommer 1918 um eine Unterstützung seiner Bemühungen um Verkürzung des Studiums aus familiären Gründen bittet.

Feldpost an Pastor Samuel Jaeger in Bethel

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Bonn, den 19. Juni 1918

Sehr verehrter Herr Pastor Jaeger!

Diesmal komme ich in einer ganz persönlichen Angelegenheit zu Ihnen. Das Sommersemester 14 verlebte ich, wie Sie wohl noch wissen, als erstes Semester an der dortigen „Theol[ogischen] Schule“. Grad vor Kriegsausbruch legten wir noch in Münster die hebräische Prüfung ab, um in alle Winde zu verschwinden.
In der Zwischenzeit habe ich seit Herbst 1916 wieder das Studium an der Univ. Bonn aufgenommen, und obwohl ich Sommer 17 wieder eingezogen wurde, blieb ich doch in Bonn und konnte, wenn auch beschränkt, weiterstudieren. Nun drängt aber mancherlei zu einem möglichst frühen Examen. Die Verhältnisse im Elternhaus seit dem Auseinandergehen meiner Eltern Weihnachten 1916 und dem plötzlichen Tod meiner Mutter Ende Februar dieses Jahres haben uns Kinder mit einem Mal ganz auf eigene Füße gestellt und erheischen aus Geldrücksichten möglichste Verkürzung der Studien, die Ungewißheit des Militärlebens und der künftigen Verhältnisse überhaupt und dann auch die vielen verlorenen Kriegssemester, das eigene Alter, lassen eine baldige Prüfung erwünscht erscheinen.
Da ich jetzt im vierten Semester stehe und an das General-Kommando ein größeres Gesuch um Beurlaubung für ein bis zwei Semester einreichen möchte, komm ich erst zu Ihnen mit der Bitte, mir behilflich zu sein. Ein solches Gesuch hat nämlich nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Betreffende aus Examensrücksichten beurlaubt werden kann. Wäre es nun möglich, durch eine Eingabe an das Konsistorium unter Darlegung meiner Verhältnisse das Betheler Semester als Studiensemester angerechnet zu bekommen, wozu das Konsistorium bzw. der Oberkirchenrat sich jetzt nach Aussage verschiedener Professoren ziemlich sicher bejahend äußern würde, dann könnte ich mir nach Verlauf des nächsten Semesters die schriftlichen Arbeiten geben und den Urlaub als Examensurlaub einreichen und von der Univ. bestätigen lassen.
Ich möchte Sie ergebenst bitten, mir ein Zeugnis über den Besuch der theol. Schule während des Sommerhalbjahres 14. sowie ein Testat der damals von mir belegten und gehörten Vorlesungen zuschicken zu wollen, und auch ein Fleißzeugnis mir für die Dauer meines Aufenthaltes dort auszustellen.
Die möchte ich mit einem Gesuch an das Konsistorium senden und so versuchen, das Betheler Semester als Studiensemester infolge der außergewöhnlichen Zeitumstände angerechnet zu bekommen. Ihre Befürwortung dieser meiner Eingabe als Leiter der Schule wäre mir natürlich äußerst wertvoll. Ich hoffe, Sie verstehen mein Anliegen und versuchen, mir nach besten Kräften förderlich zu sein. Auf Ihre baldige geneigte Antwort sowie die oben erwähnten Zeugnisse wartet in tiefer Dankbarkeit

Ihr Karl Prüßmann
stud. theol. Bonn. Humboldstraße 48

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/1

Theologiestudent Alfred Heinisch schreibt Pastor Jaeger (Bethel)

Dörenkamp bei Paderborn, 10. Nov. [1917 ?]

Lieber Herr Pastor Jaeger!

Zu meiner großen Freude erfahre ich von der hohen Ehrung, die Ihnen zuteil geworden ist [Verleihung der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Halle/Saale] und beeile mich, Ihnen meinen tiefgefühlten und herzlichen Glückwunsch darzubringen. Gern gedenke ich noch des Sommers 1914, da ich zu Ihren Füßen eingeführt wurde in die Bücher Mose, im Saale der Sozialen Schule, Stunden, die mir dann draußen im Felde und dann im Lazarett das Eindringen in das Wort erleichterten. Wie gern würde ich nochmals bei Ihnen lernen.
Aber es kam der Krieg, der uns nach jener schönen Abschiedsstunde in den letzten Julitagen 1914 auseinanderjagte. Wie viele von den lieben Kameraden sind nicht mehr. Auch mich hat Gott manch schwere Wege geführt, aber es waren Wunderwege und Gnadenwege.
Jesaja 38:16 kann ich auch bezeugen in Bezug auf die schrecklichen Tage an der Somme. Ich glaube, man zehrt und lebt von diesen Eindrücken zeit seines Lebens.
Herzlichen Dank für Ihre frdl. Karte und Einladung! Leider ist noch immer Urlaubssperre. Ich denke jede Woche ein paar Mal daran, ob es sich nicht doch ermöglichen ließe, nach B[ielefeld] zu fahren. Auch braucht mich Herr Superintendent Klingender sehr oft. Es ist mir eine herzliche Freude, ihm zu helfen. Heute Morgen habe ich im Sennelagerlazarett Gottesdienst gehalten. Heute Nachmittag habe ich in dem so ganz katholischen Paderborn zum ersten Male – ein Bibelkränzchen gehalten. Es waren 15 Gymnasiasten da. Wie herrlich ist das! Hoffentlich kann ich doch bald mal rüberfahren nach Bielefeld.
Mit herzlichem Gruß, auch an Ihre Frau Gemahlin und die lieben Kinder

Ihr getreuer Alfred Heinisch.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

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Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2 und Nr. 1281 (Zeitungsberichte Jaeger)

Landkriegshelferinnen für Bethel, 1917

Land-Kriegshelferinnen

Land-Kriegshelferinnen

Am 21. Januar 1917 erschien dieser Zeitungsartikel im „Bethel-Anzeiger“. Bethel suchte junge Frauen für die landwirtschaftliche Arbeit. Sie nannten sich Landkriegshelferinnen und lebten in eigens dafür eingerichteten Heimen.

(Kerstin Stockhecke, Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel)

Signatur: Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-77

Theologiestudent Alfred Heinisch berichtet vom Sturmkursus, 1917

Ruhequartier hinter Höhe „304“,
den 18. Januar 1917

Liebe Familie Jaeger!

Haben Sie innigsten Dank für Ihre freundlichen Worte! Es geht mir noch sehr gut. Hoffentlich Ihnen allen auch. Ich bin für 14 Tage zu einem Sturmkursus abkommandiert. Wir sollen an einem Sturmwerke Sturmangriffe üben. Hoffentlich kommt es nicht so weit, daß aus den Übungen Ernst wird. Doch wie Gott will.
Da ich bald wieder mit Urlaub an der Reihe bin, habe ich unseren Kompagniefeldwebel gebeten, mich anschließend an den Kursus fahren zu lassen, und es ist mir zugesagt worden. Wenn der Urlaub länger als 8 Tage dauerte, würde ich gern einmal den Umweg über Bielefeld machen, so aber ist die Zeit zu knapp und ich will mich ganz meinen Eltern geben.
In den nächsten Tagen wird es wohl wieder lebhafter werden an unserer Front. Ich erinnere mich noch deutlich der ersten Zeit vor Verdun im Frühjahre 1916 und dann der Tage, die wir hinter der Sommefront im September als Todgeweihte warten mußten. Da haben wir noch spät abends eine stille Höhle aufgesucht und zum Herrn gerufen. Einer aus unserer Gemeinschaft ist dann wenige Tage später zu unserem Herrn heimgegangen. Nun ist schon fast ein halbes Jahr darüber vergangen und mein Weg geht hier weiter. Ich bin dankbar dafür, bes. auch um meiner Eltern willen. Der Herr will mich wohl noch brauchen, und so ist es mein einziges Ziel auf Erden, ein rechter Pfarrer zu werden durch Ihn. Ich erkenne immer mehr, wie mir der Herr hilft, dadurch, daß er mich durch diesen Krieg führt. Ich werde etwas selbständiger, fester und freier, besonders da ich jetzt als Unt[ero]ff[i]z[ier] vorn eine Gruppe zu führen habe. Wann wird das Ende dieses Krieges kommen? Wir wollen es weiterhin unserem Herrn anheimstellen und treu für einander beten.

In herzlicher Liebe denkt an Sie alle Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Anwerbung von Landkriegshelferinnen, 1917

Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-77

Flugblatt zur Anwerbung von Landkriegshelferinnen, 1917

Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-77

Ein Flugblatt, das Bethel einsetzte, um Frauen als Landkriegshelferinnen anzuwerben. Genau wird beschrieben, welche Voraussetzungen die Frauen mitbringen mussten und wie die Bedingungen für diesen Dienst aussahen.

(Kerstin Stockhecke, Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel)

Signatur: Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-77

Mitteilung über den Tod des Kandidaten der Theologie, Musketier Karl Edeler, 1915

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Todesanzeige vom 14. November 1916. Karl Edeler starb bereits am 8. März 1915.

 

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Schreiben von Rektor Ernst Edeler an die Theologische Schule Bethel zum Ableben seines Sohnes Karl Edeler (LkA EKvW 13.99 Nr. 896/8)

Bielefeld, den 15.11.1916

Hochgeehrter Herr Pastor!
Was wir lange gefürchtet, das wird uns jetzt als schmerzliche Tatsache bestätigt: Unser Sohn Karl Edeler, den Sie im Sommersemester 1910 und im Wintersemester 1913/14 zu Ihren dankbaren Hörern zählten, hat im Dienste des Vaterlandes sein junges Leben gelassen. Nach Aussage eines Kriegsgefangenen in Frankreich ist er am 8. März 1915, als die Franzosen in der Winterschlacht in der Champagne mit Gewalt den vordersten Graben angriffen, durch Bajonettstiche in die Brust schwer verwundet worden und nach Überführung in das franz[ösische] Feldlazarett in Gegenwart jenes Deutschen verstorben.
In dankbarer Erinnerung an den Segen, den der Heimgegangene in der Theolog[ischen] Schule genossen hat, und dessen er sich stets bewußt war, übersenden wir Ihnen für Ihre Anstalt 100 M[ark]* mit dem herzlichen Wunsche, daß es ihr vergönnt sein möge, recht bald im Frieden neue Scharen von jungen Arbeitern im Weinberge des Herrn heranzubilden.

Mit hochachtungsvollem Gruße
Rektor Edeler u[nd] Frau.

* Ich bitte, unsern Namen nicht zu veröffentlichen.

Karl Edeler wurde am 7. Mai 1891 in Halle / Westf. geboren. Er legte Ostern 1910 die Reifeprüfung am Gymnasium Bielefeld ab. Anschließend studierte er in Bethel, Leipzig, Tübingen und Kiel Evangelische Theologie.

Sein Vater Ernst Edeler war seit 1894 Rektor der evangelischen Volksschule in Schildesche, seit 1907 dann Leiter der 3. Bürgerschule in Bielefeld, bevor er 1908 an die Knaben-Mittelschule berufen wurde.

(Eva-Maria Hartmann, Bielefeld)

Signatur: LkA EKvW 13.99 Nr. 896/8

Feldpost des Theologiestudenten Alfred Heinisch aus dem Schützengraben, 1916

Feldpostbrief von Musketier Alfred Heinisch,
Infanterie-Regiment 13, 12. Kompanie, 13. Infanterie-Division, mit Stempel vom 28.7. 1916

Lieber Herr Pastor Jaeger, liebe Frau Pastor!

Vielen herzlichen Dank für Ihre lieben, frdl. Zeilen und das Paketchen mit Keks und div. Schriftchen. Es war mir eine große Freude, denn ich erhielt es in Stellung, 100 m vom Feinde. Heute morgen sind wir für einige Tage in Ruhe gekommen. Es war eitel Freude, als wir die Granatenfelder hinter uns hatten und keine Granaten mehr angeheult kamen. Einer spielte Mundharmonika, dann wurde gesungen und gescherzt. Wir sind diesmal sehr gut davongekommen, nur 2 Verwundete in der Kompagnie; der eine ist allerdings schon gestorben. Eine Gewehrgranate hat ihm den Fuß abgerissen. „Meine arme Frau und Kinder“, rief er noch, dann war er still. Es ist traurig u. die Furchtbarkeit all dieser Dinge kommt einem bloß nicht so zu Bewußtsein, weil man gar nichts anderes mehr erlebt als dies und sich daran gewöhnt hat. Wann wird der Herr diesen großen Druck von den Herzen nehmen? Wir haben alle gelernt hier draußen in der Not des Schützengrabens, auch ich, der Krieg war ein guter Lehrmeister. Dem Herrn sei Dank für alles.

Im Herrn Jesu grüßt Sie alle herzlich
Ihr Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Theologiestudent Karl Prüßmann in der Minenwerferschule, 1916

Der Theologiestudent und Unteroffizier Karl Prüßmann schreibt dem Rektor der Theologischen Schule in Bethel regelmäßig.

Feldpostkarte an Pastor Jaeger aus der Minenwerferschule 1. Komp[agnie] Markendorf bei Jüterbog

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Markendorf, den 18. Juni 16

Sonnengruß Ihnen aus märkischer Heide!

Habe mich vom Ers[atz] Bat[ail]l[on] in Köln, in dem ich nur garnisondienstfähig war zu den Minenwerfern überschreiben lassen und befinde mich zur Ausbildung seit Pfingsten hier in Markendorf. In drei Wochen schon geht’s ins Feld!
Der Dienst ist einer der interessantesten. Von Köln aus hatte ich mich in Bonn immatrikulieren lassen und konnte zuhause mein Reifezeugnis nicht finden. Ist es vielleicht noch in Ihren Händen. Sollte es der Fall sein so bitte ich es meinen Eltern Duisburg Angerstr. 17 zu senden! In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören, grüßt Sie und ganz Bethel Ihr

Karl Prüßmann

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/1

Die Ernährungslage in Bethel, 1916

Die Ernährungslage in Bethel, 1916

Die Ernährungslage in Bethel, 1916

Die Ernährungslage in Bethel, 1916

Entwurf eines Schreibens von Bethel an den Minister des Innern in Berlin vom 10. Januar 1916. Eindrücklich werden die Probleme bei der Fleischversorgung geschildert.

(Kerstin Stockhecke, Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel)

Signatur: Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-63

Theologiestudent Alfred Heinisch an vorderster Front, 1915

Nordwestfront, 31. Dez. 1915

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Nun bin ich auch mit in die vorderste Linie gekommen. Am 2. Weihnachtsfeiertage sind wir abends in den ersten Graben in Stellung gegangen. Ich schlafe in einem sicheren Unterstande, 150 m von den Engländern entfernt. Nachts muß jeder abwechselnd 2 Stunden Wache stehen und ruhen. Des Tags stehen wir oft an den Pumpen. Wir hatten bis jetzt verhältnismäßig trockenes Wetter. Vorgestern schickten die Engländer ein paar dicke Granaten in die Stellungen rechts von uns. Ich stand gerade auf Beobachtungsposten und sah, wie große Splitter ganz in der Nähe bei einem Inder niederfielen, der noch vom letzten Sturm am 25. Sept. dort liegt. In einem nahen Weidengestrüpp wurden die Vögel aufgescheucht. Ein trauriges Bild, dieser kleine Raum zwischen dem unsrigen und dem feindlichen Graben. Besonders wenn die Granaten dicht über den Graben zischen oder in der Nähe rechts und links einschlagen, überkommt mich leicht ein Gefühl der Traurigkeit und Verlassenheit. Doch wir müssen getrost und zuversichtlich bleiben; schon um der anderen willen; denn sie blicken auf uns und sind wir verzagt in der Not des Feuers, so werden sie schwerlich Zutrauen zu unserem Herrn und seiner Kraft fassen.

Herr Missionar Storck schrieb mir zuletzt aus Warschau. Er war traurig, einem Ruf des Herrn nicht gefolgt zu sein. Er sollte mit dem Stab des G[eneral]f[eld]marschalls v.d. Goltz nach der Türkei; hoffe jedoch, daß ihm dieser Weg noch möglich wird. Er würde ihn zweifellos mehr befriedigen als das rauhe, mit der Zeit vielleicht sogar abstumpfende Kriegshandwerk. Ihr schönes Weihnachtspacket habe ich erhalten; vielen Dank dafür, besonders auch für all die freundlichen Grüße und die Schrift von D. Kähler über „den Verkehr mit Christo“, die mich gestärkt und gefördert hat. Im Mangel und in der Not bewährt sich die Kraft des „gütigen Wortes Gottes“. Ich erwidere alle freundlichen Grüße auf das herzlichste und bleibe
Ihr
Alfred Heinisch

7. AK 13. I.D. IR 13. 12. Komp.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Weihnachtsgrüße des Theologiestudenten Alfred Heinisch von der Front, 1915

Nordwestfront
Dezember 1915

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Gruß! Es freut uns im Felde jedes Wort der Teilnahme, wie auch mir oft nach Hause danken und uns freuen, daß daheim wenigstens Frieden ist und wir nicht umsonst leiden. Auch der Christ braucht sich seiner Angst nicht zu schämen. Aber es ist ein Leid, immer in Angst zu sein, und dagegen tröstlich, daß man sich letzten Endes doch in des Herrn Hand weiß. Neulich erhielten wir beim Ausschachten eines Wassergrabens hinter der vorderen Stellung Artilleriefeuer. Ohne Unterstände, nur mit dem geringen Schutz des Grabens, erwarteten wir jede Granate, wie sie zischend herankam, in atemloser Spannung. Es wurde, gottlob, niemand verletzt. Der beste Treffer war ein Blindgänger. Vor einigen Tagen mußte ich mit einem Kameraden über eine weite Höhe, auf der uns die Engländer gut beobachten konnten. Während ich etwas unruhig einen Flieger über uns beobachtete, den ich dann allerdings als einen deutschen erkannte, fand der andere – ein Buch:
Manuel des Enfants de Marie, ein Werk, das mich in der Achtung, die ich auch vor der katholischen Kirche habe, noch bestärkt. Es ist eben nicht alles Formsache, sondern auch drüben ein Glaube möglich, der bewahrt und auch zum Leben führen kann, wo Aufrichtigkeit ist. In dem Orte, wo wir sonst in Ruhe liegen, gehen viele Leute täglich, wahrscheinlich zu kurzer Andacht, in die Kirche. Neulich hatten wir ein schönes Weihnachtskonzert in einer Ortschaft hier dicht hinter der Front. Weihnachten wird es uns vielleicht vergönnt sein, in Ruhe zu feiern.
Zu dem schönen Feste sendet Ihnen die herzlichsten Segenswünsche

Ihr
Alfred Heinisch.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2