Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier aus Brake, 18.9.1914

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Freitag, den 18/9.1914.

Liebste Mutter!

Gestern erhielt ich eine Karte & die Chocolade von Euch. Ich danke herzlich dafür. Ihr könntet mir wohl jede Woche eine Sendung ganz feingeschnittenen Check-Tabak schicken. Es gibt welchen in Blechdosen. Zu rauchen ist in Frankreich nämlich gar nichts zu kriegen. – Seid Sonntag wütet hier schon eine große Schlacht & war unser Regiment am 13. 14. & 15[.] ununterbrochen im Gefecht & hat auch unsere Kompagnie viel Leute verloren, die meisten Gott sei Dank nur leicht verwundet. Ich selbst habe eine Kugel durchs Kochgeschirr & eine durch den gerollten Mantel bekommen. Wie ich gestern schon schrieb, ist aus Brake von meiner Kompagnie Paula Meier ihr Bräutigam Steffen, Kampemeier von der Wiembeckerstraße & der Briefträger Strohmeier leicht verwundet. Solltet Ihr den Brief früher wie die Verlustliste vom Regiment bekommen, könnte es Johanne von den beiden ersten ja den Angehörigen mitteilen. Sie sind bestimmt nur ganz leicht verwundet – Bis Ende Oktober muß meine Lebensversicherung auch bezahlt werden. Der Agent wird schon eine Zahlkarte an meine Adresse schicken & wollt Ihr es dann bitte absenden. Solltest du viel Geld gebrauchen, so nimm nur ruhig meine Sparkassenbücher in Gebrauch. – Die Schlacht dauert noch an & wird es wohl die größte sein, die je Kulturvölker miteinander geschlagen haben. Aus der ersten Linie sind wir abgelöst & liegen in reserve, tag & Nacht draußen, mit gewehr im Arm, um sofort bereit zu sein. Es regnet augenblicklich viel. Am 9. voriger Woche habe ich mich zuletzt gewaschen & so geht es allen. Hoffentlich dauert die Schlacht nicht ehr zu lange, sonst möchten die Nerven doch versagen. ich könnte Euch Augenblicke beschreiben, daß Ihr vor Entsetzen weinen würdet. Aber das ist früh genug, wenn ich wiederkommen sollte. Wenn Ihr den Brief bekommt, wird die Schlacht wohl geschlagen & gewonnen sein & dann schreibe ich sofort, wie es mir geht.

herzliche Grüße an Fritz, Johanne & alle Bekannte & küßt Dich Dein tr[euer] Sohn Paul.

Quelle: Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Familiennachlass Depositum Vietmeier

Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier aus Brake, 13.9.1914

Und es fing die Schlacht an. Den ganzen Nachmittag im Gefecht gelegen, sehr viel Verluste. Des Abends beim Sturm abgekommen und die Nacht im französischen Lager umhergeirrt.

Quelle: Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Familiennachlass Depositum Vietmeier

Sammelstelle für Liebesgaben, Lemgo 1914

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Lippische Post, 21. August 1914

Wir haben im Hause der früheren Lederfabrik Potthoff, Eingang Stiftstraße, eine

Sammelstelle

für Liebesgaben errichtet. Die Annahme findet werktäglich Morgens von 10-12 Uhr und Nachmittags von 3-5 Uhr statt. Es wird gebeten, nur Gaben zu senden, die nicht dem Verderben ausgesetzt sind, wie Cigarren, Tabak, Schokolade, Cakes, Limonaden, Wein, geräucherte Schinken und Würste, Conserven Seife usw. erwünscht.

Der Vorstand des Vaterl[ändischen] Frauen-Vereins
für Lemgo und Brake
Frau Hanna Schurig

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Bestand Z

Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

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Paul Vietmeier im Jahr 1913 (Foto: Stadtarchiv Lemgo)

Paul Vietmeier an seine Mutter, 1. August 1914 (Detmold)

Meine Adresse ist: 11/55 [Kompagnie 11 / Infanterie-Regiment 55, aus Detmold]. Wir werden wahrscheinlich erst morgen früh eingekleidet & treiben uns jetzt so in der Kaserne herum. Ich habe eine menge Bekannte in der Kaserne & zwischen den Reservisten getroffen. Sonst alles gut. 1000 Grüße Dein Paul

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Das Stadtarchiv Lemgo veröffentlicht sukzessive Feldpostbriefe des Paul Vietmeier (8.11.1892 – 13.4.1915) aus Brake. Paul Vietmeier war der vierte Sohn von Ernst (26.9.1847 – 18.9.1908) und Sophie Vietmeier (22.11.1860 – 4.2.1936), Pächter der Öl- und Sägemühle in Brake. Sie hatten insgesamt sechs Söhne (Fritz, Willi, Otto, Ernst, Paul und Walter) und eine Tochter (Johanne). Bis auf den ältesten Sohn Fritz, der in der Zeit des Ersten Weltkrieges die väterliche Mühle leiten musste, waren alle Söhne als Soldaten im Krieg. Paul Vietmeier beschreibt sein Kriegserleben seit den ersten Augusttagen bis zu seinem Tod im Frühjahr 1915.

Die Chronik aus Vietmeiers Briefen setzt das Stadtarchiv Lemgo zunächst bis Frühjahr 2015 fort. Es wird dabei nicht für jeden Tag einen entsprechenden Beitrag geben können. Den Feldpostbriefen ist jeweils eine Transkription oder eine kurze inhaltliche Zusammenfassung beigegeben. Bewusst ist auf eine weitergehende Kommentierung verzichtet.

Quelle: Aus dem Kriegstagebuch von Paul Vietmeier, Brake

Signatur: Stadtarchiv Lemgo, Familiennachlass Depositum Vietmeier