Gerhard Päschke, angehender Student der Evangelischen Theologie an der Theologischen Schule Bethel, war am 5.9.1897 in Sandberg / Posen geboren worden. Er war der einzige Sohn des dortigen Pastors Paeschke. Den ersten Unterricht erhielt er gemeinsam mit seinen Schwestern durch Erzieherinnen. Der Vater hingegen bereitete ihn im Lateinischen vor, bis er in die Untertertia des Gymnasiums zu Rawitsch aufgenommen wurde. Der Aufenthalt dort aber sagte Gerhard Päschke so wenig zu, dass er nach zwei Jahren – mit der Versetzung nach Sekunda – auf das Comenius-Gymnasium in Lissa wechselte. Hier bestand er am 13. März 1915 die Reifeprüfung, und zwar als einziger Abiturient, weil er bei Ausbruch des Krieges noch nicht 17 Jahre alt war und deshalb die Notprüfung nicht hatte mitmachen dürfen. „Da ich mich für das theologische Studium erst in letzter Zeit entschloß, habe ich am hebräischen Unterricht in der Schule nicht teilgenommen, und daher habe ich die Absicht, mich in Bethel für das Hebraikum vorzubereiten. Falls ich in die theologische Schule aufgenommen werde, gedenke ich am Montag den 26.IV. einzutreffen und bitte, mir eine möglichst freundliche Wohnung bereit zu halten.“ (aus einem Brief von Gerhard Paeschke, Sandberg, 19.3.1915, an Pastor Frick, Bethel).




Sandberg, 16.8. [19]15.
Sehr geehrter Herr Pastor!
Für die Übersendung der Zeugnisse, die eben ankommen, danke ich Ihnen. Das Münsterer Zeugnis zeigt mir schwarz auf weiß einen Erfolg des Betheler Semesters. Welche weiteren Früchte die dort an mir geleistete Arbeit tragen wird, das wird das Studium u. das Leben zeigen, und der beste Dank, den ich Ihnen besonders bringen kann, wird darin bestehen, daß ich alles, was ich dort habe aufnehmen dürfen, in treuer Arbeit verwerte. Für das nächste Semester hatte ich schon Kiel fest in [2] Aussicht genommen. Doch zu meiner Betrübnis mußte ich im Reichsboten von dem jähen Tode Seebergs lesen. Deswegen ist mein Entschluß ins Schwanken geraten. Um nun im Anfang gründlich Kirchengeschichte zu studieren, werde ich wohl nach Leipzig gehen, zu den Sachsen. Die sind wenigstens noch Deutsche, was man von den lieben Polen leider nicht sagen kann.
Daß sie zu irgend einem Siege flaggen sollten, kann man wohl kaum verlangen. Eher hätte man das von einem kathol[ischen] Krankenhause erwartet, in dem 80 Verwundete liegen. Bei Warschau brach das Volk in offene Klagen aus, u. die polnischen Weiber vermochten nicht ihren Tränen zu wehren. Als ich hier [3] zurückkam, fiel es mir deutlich auf, wie das Polentum während des Krieges gewachsen ist. Da ich selbst nicht polnisch verstehe, komme ich mir auf der Straße u. in den Läden wie ein Ausländer vor, der sich zu freuen hat, wenn man sich aus lauter Güte herabläßt, mit ihm deutsch zu sprechen. Hoffentlich wird das nach dem Kriege anders, wie es mit Vielem jetzt schon anders geworden ist. Mit Güte ist bei den Herren hier nichts anzufangen. Die kriegsgefangenen, zur Erntearbeit herangezogenen Russen reißen in Scharen mit Hilfe der Polen aus, sodaß jetzt Franzosen geholt werden sollen. Während wir hier in anderen Jahren reiche Weizen- und Rübenernte hatten, [4] ist es dieses Jahr nur mittelmäßig, zumal da das Regenwetter der letzten Wochen den Weizen hat schwarz werden lassen. Wegen des großen Futtermangels wird das Vieh allmählich weiter abgeschlachtet. Aber satt werden wir hier auch noch werden, wie es alle Landwirte zugeben. Und da es ja jetzt in „Gewaltmärschen“ vorwärts geht, wird die nächste Ernte in Frieden heimgeholt werden können.
Mit ergebenem Gruß
Ihr dankbarer Gerhard Päschke.
(Eva-Maria Hartmann, Bielefeld)
Signatur: LkA EKvW 13.99 Nr. 1469/1