
Großformatiger „Totenbrief“ zum „Ableben“ des Bundesgenossen Italien. Er zeugt von der allgemeinen Erbitterung und Wut über den Seitenwechsel Italiens. Man beachte die am Schluss genannten „Feuerbestattungsunternehmen“, Krupp und Skoda, die beiden größten Rüstungskonzerne der Mittelmächte – eine eindeutige Drohung.
Vom tiefstem Abscheu erfasst, geben die Gefertigten hiermit, allen noch neutral gebliebenen Völkern unserer Erde die erlösende Nachricht von dem Ableben ihres Bundesgenossen
ITALIEN
welcher am Pfingstson[n]tag den 23. Mai 1915 um halb 4 Uhr nachmittags nach langem, heimtückischen Leiden und Empfang der Judassilberlinge, versehen mit den Tröstungen der Krippel-Entente infolge gebrochenen Ehrenwortes und unheilbarer Ländergier nach 33jähriger Lebensdauer in das feindliche Lager übergangen ist.
Das Begräbnis des Vertragsbrüchigen fand noch an demselben Tage, vom Sterbehause: Palais des k. u. k. Ministerium des Auessern, Wien I. Ballhausplatz Nr. 2 aus, auf dem Friedhofe der öffentlichen Meinung (Abteilung für Verräter) statt.
Wien, 23. Mai 1915
Der Ex-Dreibund
als Vater
Oesterreich-Ungarn, Deutsches Reich
als Brüder
Die Türkei
als Adoptivschwester
Feuerbestattungsunternehmung:
Krupp u. Scoda
„Juldo“ Nachdruck verboten 10% für Rotem Kreuz
Das seit 1882 mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn im defensiven Dreibund zusammengeschlossene Italien hatte sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von England 1914 bei Kriegsbeginn für neutral erklärt. Nach Abschluss des Geheimvertrages von London mit England, Frankreich und Russland vom 26.4.1915 trat es am 23.5.1915 auf Seiten der Entente in den Krieg ein, zunächst nur gegen Österreich-Ungarn, am 28.8.1915 auch gegen das Deutsche Reich.
(Rolf-Dietrich Müller, Stadtarchiv Paderborn)
Signatur: Stadtarchiv Paderborn, S 1/13/2, S. 201