Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, 8.9.1919

Der Umsturz

Im Wirbel der sich drängenden Arbeit und der sich überstürzenden Ereignisse findet der Chronist erst heute (am 8. Sept. 1919) die Muße und die Freudigkeit, pflichtgemäß auch des erschütternden Ausgangs zu gedenken, den der Weltkrieg nach mehr als 4-jährigem Ringen genommen hat. Was haben wir alles erlebt seit jenem unseligen 9. November 1918, der uns den Kaiser und des Reiches Herrlichkeit raubte. Es erfüllte sich, was ein Engländer vorausgesagt hatte: Ihr Deutschen gewinnt zwar die Schlachten, aber wir gewinnen den Krieg. Wie auf die Flucht des Kaisers nach Holland die Annahme der erdrückenden Waffenstillstandsbedingungen und später die schmachvolle Unterzeichnung des Schandfriedens von Versailles folgte, davon braucht hier nicht weiter gehandelt zu werden. Aber dass wir im Rettungshause, wo die Liebe zu König und Vaterland stets eine besondere Pflegstätte gefunden hatte, mit tiefem Weh ein Stück nach dem anderen von dem hinsinken sahen, wofür unsere Herzen geglüht hatten, das soll nicht verschwiegen werden. Zu dem äußeren Zusammenbruch kam der innere. Es erfüllte sich buchstäblich, was Schiller sagt:

„Nichts Heiliges ist mehr; es lösen
sich alle Bande frommer Scheu;
das Gute räumt den Platz dem Bösen,
und alle Laster walten frei.“

Ein Geist der Zuchtlosigkeit ergriff auch die Jugend. Und doch dürfen wir heute, 10 Monate nach der Revolution, dankbar dafür sein, dass wir unsere Arbeit bisher im ganzen ungestört weitertreiben durften. Törichte Eltern, die wähnten, unter der sozialistischen Regierung sei das Fürsorge-Erziehungs-Gesetz aufgehoben, wurden bald durch einen Erlass der neuen Regierung eines Besseren belehrt. Fernerhin hat die Zahl der Entweichungen von Zöglingen beträchtlich zugenommen, und die Polizeiverwaltungen sind in ihrer Festnahme und Zurückführung oft merkwürdig lässig. Auch ist es auffallend, dass trotz zunehmender Verwahrlosung der Jugend die Überweisungen neuer Zöglinge zur Fürsorge-Erziehung sehr wenig zahlreich sind; offenbar scheut man sich, aus Furcht vor der Gosse und der Masse, durchzugreifen. Doch glauben wir, dass das eine vorübergehende Erscheinung ist. Schließlich wird auch ein sozialistischer Staat die Verpflichtung nicht abweisen können, verwahrloste Kinder in Erziehungsanstalten zu geben. So wird die Arbeit unseres Rettungshauses wohl weitergetrieben werden können und müssen, und wir stehen auch einer republikanischen Regierung zur Verfügung, solange sie nicht die Aufgabe unserer christlichen, konfessionellen Eigenart von uns fordert.
Mehr gefährdet erscheint z.Zt. der Fortbestand unserer Präparandenanstalt. Es sind von Seiten der neuen Männer Pläne laut geworden, die auf eine völlige Veränderung der bisherigen Lehrerbildung unter Aufhebung der Präparanden-Anstalten und Seminare hinzielen. Vorläufig dürften der Verwirklichung dieser Pläne freilich noch unüberwindliche finanzielle Schwierigkeiten entgegenstehen.

So treiben wir z.Zt. unsere Arbeit noch in der alten Weise weiter. Die im Kriegsdienst gewesenen Lehrer Weißenbach, Rubbe und Böckstiegel sind nach und nach wieder gesund zurückgekehrt wie auch der Hausvater Schein. Am 16. August 1919 kehrte auch unser Lehrer Niederbrodhage nach fünfjähriger Kriegsgefangenschaft wohlbehalten zurück, während wir auf unseren Lehrer Grote, der im August 1918 in englische Gefangenschaft geriet, noch warten.

Nicht unerwähnt bleiben soll als eine Wirkung der grausamen englischen Hungerblockade, dass der Gesundheitszustand unserer Zöglinge im letzten Jahr doch erheblich zu wünschen übrig ließ. In der ersten Hälfte des Jahres 1919 hatten wir 4 Todesfälle an unheimlich schnell verlaufender tuberkulöser Gehirnentzündung. So begrüßen wir es mit Freuden, dass auf unsere Veranlassung in dem Hause „Gute Hoffnung“ in der Senne eine Station für tuberkulöse schulpflichtige Fürsorgezöglinge eingerichtet wurde, der wir eine Anzahl unserer Knaben überweisen konnten.

Zum Geburtstag unseres Kaisers am 27.1.19 wurde auf Anregung einiger Präparanden folgendes Telegramm abgesandt:

Sr. Majestät Kaiser Wilhelm
Amerongen, Holland
Eurer Majestät entbieten Lehrer und Schüler der Präparandenanstalt Schildesche ehrfurchtsvolle Grüße und Segenswünsche. Wir gedenken in Dankbarkeit und Treue unseres Grafen von Ravensburg. Der alte Gott lebt noch. Sein Schutz und Segen sei mit Eurer Majestät!
Im Auftrag:
gez. Bellingrodt

Eine wenige Tage später einlaufende Dankeskarte aus dem Hofmarschallamt wurde eingerahmt und in der Präparanden-Anstalt aufgehängt.“ […]

Quelle: Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, von Anstaltsleiter Pastor Paul Bellingrodt (1875-1951)

Signatur: Archiv des Ev. Johanneswerks, Re/Schild – 5

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 6.11.1918

Ich werde zu Auguste Schulte auf Oberschulten Hofe gerufen & gehe vor dem Unterricht hin. Im Unterrichte fehlen viele Kinder; ich bespreche den Tod von Luise Könker. Die Konfirmanden werden einen Kranz aufs Grab bringen. Nachmittags Beerdigung v[on] Maria Hellmeier in Bieren. Sie war Braut des im Felde gestorbenen Brocksieker. Text Off[en]b[arung] 14,4 (Sie sind Jungfrauen & folgen dem Lamme nach). Von dort Besuch bei Fr[au] Overing & dem Schlachter [?] in der Kadaververwertungsanstalt. Er stammt aus Breslau, die Frau aus Oldenburg. Schulte ist da & schimpft über den schlechten Schulweg. Bei der W[it]w[e] Dedering. Ihr Sohn hat das EK I [Eiserne Kreuz Erster Klasse]. Dann zu Anna Mehrkühler & Frau Möller geb. Schulte. Abends meldet die N[eue] Westf[älische] V[olks]z[ei]t[ung] im örtlichen Teil böse Dinge vom Aufstande der Mariner in Kiel. Offizieren ist das Portepee abgeschnitten, die rote Fahne auf Kriegsschiffen. Zwei Marineoffiziere erschossen.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 228/06.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aufruf „Sammelt Brennesseln!“, 1918

Brennesseln

„Sammelt Brennesseln! Bester Ersatz für Baumwolle“. Plakat der Nessel-Anbau-Gesellschaft m.b.H. aus dem Jahr 1918. Die Nessel-Anbau-Gesellschaft in Berlin war 1917 wegen des Faser-Mangels aus der Nesselverwertungsgesellschaft hervorgegangen. Die „Nessel-Anbau-Gesellschaft“ soll selbst rund 300 Hektar Nesseln aufs Feld gebracht haben und forderte die Bürger in öffentlichen Aufrufen zum freiwilligen Sammeleinsatz auf.

Signatur: LkA EKvW 4.256 Nr. 415

 

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 2.6.1918

Vor 40 Jahren das Attentat auf den alten Kaiser. Gottesdienst in Bieren. 5 Mose 6,4-13. Das I. Gebot. Ich werde von Buntemöllers mit einem Wagen nach dem Gottesdienste durch den Russen (Deutsch-Russe, katholisch aus Südsibirien) abgeholt. Nach dem Ausruhen & Kaffeetrinken: Jungfr[auen-]Verein in d[er] Schule Joh[anne]s 14,12-20. „In einer Nacht“. Erzählung der Schw[ester] A. in der Schenlz.[?]hütte von ihrem Kriegserleben im deutschen Krankenhause in London. – Ich besuche noch Fr[au] Niederbröker in Stkhf [?] welche ihren Mann im Lager „Wernerslust“ (Waschanstalt) durch Granatsplitter verloren hat, 8 Kinder!! Nach Tisch vergeblich bei Kantors auf der Wehme angeklopft. Ferienwoche.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 204/02.06.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, 31.10.1917

Im Oktober [1917] feierten wir das 400-jährige Jubiläum der Reformation. In den Morgenandachten wurde fortlaufend Luthers Leben behandelt. Am Morgen des 31. Oktober fand im Betsaal eine Feier mit Gesängen und Deklamationen statt; die Ansprache behandelte das Heldenhafte in Luthers Persönlichkeit, das uns in der gegenwärtigen Kriegszeit besonders viel lehren könne.

Dann zog die ganze Anstaltsgemeinde zum Johanneshof, an dessen Ostseite eine Luthereiche gepflanzt wurde. Hernach beteiligten sich die Präparanden und die beiden ersten Schulklassen an dem Jugendfestgottesdienst in der Kirche zu Schildesche, wo u.a. die Präparanden vierstimmig den 2. und 3. Vers des Lutherliedes sangen und Pastor Neuhaus die Festansprache hielt. […]

Quelle: Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, von Anstaltsleiter Pastor Paul Bellingrodt (1875-1951)

Signatur: Archiv des Ev. Johanneswerks, Re/Schild – 5

Ein Ostergruß den Soldaten der Gemeinde Lüdenhausen, 1917

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Konfirmationsansprache

Palmarum 1917

Liebe Kinder, liebe Eltern, liebe Gemeinde!
Zum dritten Male feiern wir mitten im furchtbaren Weltkriege den Tag der Konfirmation, Euren Ehrentag, liebe Kinder. – War dieser Tag schon sonst immer auf den Ton tiefsten Ernstes und heißen Dankes gestimmt, heute noch viel mehr, denn gewaltig rollt Gottes Stimme im Donner der Schlachten, im Untergang ganzer Völker, im Sterben der Einzelmenschen. Der Altar, vor dem ich stehe, legt Zeugnis für den Ernst der Zeiten ab, redet aber auch von unvergänglicher Liebe, von der Liebe, im Vergleich zu der unser Heiland keine größere kennt. Wußten sonst Väter und Brüder für Kinder und Geschwister zu arbeiten, Dein Vater, Marie, fiel für Dich, Eure Brüder starben für Euch, Lina, Fritz, und zu kämpfen, Gefahr und Not zu trotzen für Euch, für uns, über 300 unserer Gemeinde können’s. – Wir gedenken ihrer in dieser Feierstunde, wir verdanken sie ihrer Todestreue, ihrem Kampfesmut. Blut, rotes Edelblut, half dieser Stunde kommen, blankes Schwert schützt sie, Gottes Segenshand liegt auf Euch. Er bleibe bei uns immerdar, Er sei heute in unserer Mitte und schenke Euch und uns die rechte Andacht, ein tiefes Herz, offene Ohren!

Quelle: Heimatgrüße der Kirchengemeinde Lüdenhausen, Ostern 1917

Signatur: Landeskirchliches Archiv Detmold, Archiv der Kirchengemeinde Lüdenhausen

Landaufenthalt von Stadtkindern im Kreis Halle/ Westf., 1917

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Gegen Ende des Krieges wurde die Versorgung der Zivilbevölkerung in den Städten immer problematischer. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien hatten hierunter zu leiden. Daher waren öffentliche und private Einrichtungen bemüht, Kinder aus den Städten für einige Zeit auf dem Land unterzubringen, wo die Versorgungssituation zumindest etwas besser war. Der Landkreis Halle nahm alleine 1917 mehrere hundert Kinder aus dem Ruhrgebiet auf. Natürlich wurde eine entsprechende Absicherung durch eine Unfall- und Haftpflichtversicherung nicht vergessen! Die Frankfurter Allgemeine Versicherungs-AG bot hierfür besondere Tarife an.

(Ralf Othengrafen, Kreisarchiv Gütersloh)

Signatur: Kreisarchiv Gütersloh, H LR 2 K – 007/2 Bd. I

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 5.9.1916

Reise nach Bielefeld (Umtausch einer Wege gegen Emailtöpfe) Gütersloh/Bodelschwinghs. – Krieles sind zum Rheine verreist – Frl. Bertelsmann. und zur Konferenz in Herford.Landrat v. Borries spricht über 1. Goldankauf 2. Reichsanleihe (Die Meinung die Zeichnungen verlängerten den Krieg ist die denkbar dümmste. Es wird von mehreren Seiten auf die gefrückte & kriegsmüde Stimmung der Bevölkerung hingewiesen. Ich selbst hatte in Bielefeld greuliche Schmierereien eines Soldaten angeschrieben gesehen) 3. Kartoffelversorgung. (L[an]dkreis Herford ist Bedarfskreis, der seinen Bedarf aus Braunschweig & Kr. Lübbecke decken muß Ende September werden die Erzeuger wissen was sie abzuliefern haben & die zu Versorgenden ihre Kartoffelkarten erhalten. Die überschüssigen kann der Erzeuger wie er will verwerten. 4.) Butterversorgung. Jeder Erzeuger 180g wöchentlich. Jeder Versorgte 90 gr. Die sämtl. Butter des Kreises wird auf dem Doberge bei Lindemann gewaschen und neu bearbeitet & in 90gr Stücke verpackt. Dahin wird sie von Sammelstellen (Stirnsberg in Rödh.) abgeholt & wieder an die Geschäfte geliefert. 5. Milch: Nur Kranke, Schwangere Kinder erhalten Vollmilch Andere nur Magermilch 6) Eier Die Erzeuger konnen für dich verbrauchen so viel sie wollen, aber dürfen nur an die Verkaufsstellen verkaufen. Für den Kopf bekommt ein Verbraucher 2 Eier wöchentlich.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S.109-110/05.09.1916

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aufruf „Sammelt die Obstkerne“

Obstkerne

„Sammelt die Obstkerne und schickt sie durch Eure Kinder in die Schule oder an die nächste Sammelstelle!“
Farbiges Plakat des Kriegsausschusses für Öle und Fette mit Aufruf zum Sammeln von Obstkernen. Der „Kriegsausschuß für Öle und Fette“ wurde im Januar 1915 gegründet und als eine einheitliche Stelle mit der Beschaffung von Ölen und Fetten für alle Industriezweige beauftragt.

Plakat: Julius Gipkens (1883-1968), ca. 1916

Lit.: Anna Roehrkohl: Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges, Stuttgart 1991.

Signatur: LkA EKvW 4.256 Nr. 415

Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, Dezember 1915

Johanneshof

Anfang Dezember wurde unser Neubau, der „Johanneshof“, erstmalig mit Zöglingen belegt, und zwar vorläufig mit schulpflichtigen, weil die anderen Häuser alle stark überfüllt waren – auch eine Folge des Krieges; das Fehlen der väterlichen Autorität im Hause wird vielen Jugendlichen zum Verhängnis, so dass außergewöhnlich viele Überweisungen zur Fürsorgeerziehung stattfinden. Die Anstalt war zu Ende des Jahres belegt mit 161 männlichen und 64 weiblichen Zöglingen! Der verheiratete Bruder Schein ist als Hausvater in den Johanneshof eingezogen.

Quelle: Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, von Anstaltsleiter Pastor Paul Bellingrodt (1875-1951)

Signatur: Archiv des Ev. Johanneswerks, Re/Schild – 5

Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, 26.10.1915

Am 26. Okt. 1915 wurde der vierte unserer Lehrer, Herr August Grote, zum Kriegsdienst eingezogen und trat in das Jägerbataillon 14 zu Heidelberg ein.

Quelle: Aus der „Kriegschronik“ des Rettungshauses Schildesche, von Anstaltsleiter Pastor Paul Bellingrodt (1875-1951).

Signatur: Archiv des Ev. Johanneswerks, Re/Schild – 5

Post von Ernst Brünger (1898-1917) aus Herford

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Ernst Brünger, um 1915

Ernst Heinrich Brünger stammte aus Herford, wurde am 3. September 1898 geboren. Seine Familie wohnte in der Radewig 319 (später/heute: Diebrocker Straße 80). Dort betrieb sein Vater Hermann Heinrich, ein Schuhmachermeister, eine Werkstatt.

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Heinrich Brünger mit Familie und Schuhmachergesellen vor seinem Haus in Herford, Radewig 319 bzw. Diebrocker Straße 80, um 1905

Seine Mutter Johanne geb. Kuhlmann gebahr zwölf Kinder, von denen sechs bereits im Kindesalter verstarben. Ernst war das achte Kind der Familie. Er wollte Lehrer werden und besuchte daher die Präparandenanstalt in Herford zur Vorbereitung auf das Lehrerseminar.

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Familie Brünger 1917. Stehend v.l.: Ernst, Helene, Hermann, Clara; sitzend v.l.: Mutter Hanna, Elisabeth, Vater Heinrich, Martha

Da Ernst verbotenerweise einmal des nächtens das Internat verlassen hatte, wurde er relegiert und musste sich nach einem anderen Beruf umsehen. Er befand sich Anfang 1916 in Essen, wo er einer nicht näher bekannten Tätigkeit nachging. Er hoffte auf eine Rückkehr nach Herford und auf eine Anstellung im Amt bzw. im Magistrat. – Seine Spur verliert sich ein wenig. Doch schon im November 1916 befand er sich als Kriegsfreiwilliger in der Rekrutenausbildung in Soest.

Ernst Brünger hat seiner Familie nach Hause geschrieben, aus Essen, aus Soest und „aus dem Felde“. Die Briefe von Ernst Brünger an Eltern und Geschwister liegen seit 2014 gedruckt vor, zum Teil zusätzlich als Faksimile, herausgegeben von seinem Neffen Eberhard Brünger. Der hatte die Post und Feldpost vor einigen Jahren von Ursula Büker aus Herford-Eikum erhalten. Deren Mutter Clara Büker war eine Schwester Ernst Brüngers, die seine Briefe sorgfältig aufbewahrte und ihrer Tochter weitergab. Weder der Neffe Eberhard noch die Nicht Ursula haben ihren Onkel je kennengelernt.

Denn Ernst Brünger ist am 31. Juli 1917 im Alter von 18 Jahren am Chemin des Dames südlich von Laon in Nordfrankreich gefallen. Sein Grab befindet sich auf dem Soldatenfriedhof von Veslud.

Die Briefe sind bewegende Zeugnisse eines noch unsicheren jungen Menschen, der aus einem behüteten Elternhaus in die Barbarei des Stellungskriegs gerät. Das Buch ist angereichert mit vielen Fotos und Dokumenten und trägt den Titel „Ernst Brünger – Briefe von der Westfront 1917“. Es kann im Buchhandel (ISBN 978-3000455711), oder schriftlich bzw. telefonisch beim Herausgeber zum Preis von 10 Euro zuzüglich Porto bezogen werden: Eberhard Brünger, Heimstatt 12, 27259 Freistatt, 05448/88295.

(Fotos aus dem o.g. Buch)