Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 27.11.1918

Seit 10 Tagen bin ich nicht zur Fortführung dieser Aufzeichnungen gekommen. Zwar hat die Grippe abgenommen, [aber] erst gestern hat sie wieder ein Opfer gefordert, die 45jähr[ige] Ehefrau Brömmelmeier im Bierener Sieke, sonst hat sie abgenommen. – Am Bußtag heute vor 8 T[a]g[en] predigte ich über den Psalm 130; es fehlten viele Konfirmanden in der Kirche. Am Nachmittag hatte ich den Jungfr[auen-]Verein in Bieren. Die Gefangenen sind nun fast alle fort, dagegen zahlreiche heimische Soldaten heimgekehrt. Wie ganz anders hatten wir uns ihre Heimkehr gedacht. Jetzt kommen sie einzeln, von dem Soldatenrat entlassen, z.T. von der Truppe fortgelaufen. Es wurden Truppenzüge erwartet. In Bünde hat man geflaggt, in Löhne waren viele Begrüßungsgewinde über die Landstraße gezogen mit Inschriften: Willkommen in der Heimat, den tapferen Kriegern in der Heimat usw. Man hat keine Freude daran; man freut sich der heimgekehrten Truppen nicht, weiß ja nicht, ob es getreue oder ungetreue Soldaten sind. Die Jungen besonders, die nichts geleistet haben, spielen sich am meisten auf. Man sagt, das R[e]g[imen]t 42, das in Bünde einquartiert sei, habe den Soldatenrat dort abgesetzt. Auf wie lange, wenn es wahr ist? […]

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 233/27.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 8.11.1918

Jul[ius] Betzlers Geburtstag. Gott segne ihn! – Die Berliner Zeitungen, auch der Hannoversche Kurier, bleiben aus. Mittags wird Clara für Bremen an den Fernsprecher gerufen. Da hört sie dann böseste Dinge auf der Post. Die Revolution ist siegreich in Hamburg, Lübeck & Bremen (?). Man habe den Kaiser ein Ultimatum gestellt, bis 12 Uhr mittags abzudanken.
In Herford sei das Postamt von aufrührerischen Mariners besetzt. Ich kann den Anschluß nach Bremen nicht abwarten, da ich zur Beerdigung von W[it]w[e] Nordiek muß. (Mann, zwei Söhne & nun die Frau in der Kriegszeit gestorben bzw. gefallen).
Ich gehe über den Bahnhof, mir begegnet Vorsteher Steinmeier. Die Bahn habe die Verladung von Schweinen abgelehnt, da Güterzüge nicht mehr führen. Ich frage den Bahnvorsteher Schulte, ob er etwas wisse. Er tut erst sehr unwissend. Es sei nur wegen Truppentransporten Sperre.
Allmählich kommt doch heraus, daß man Züge hat ausfallen lassen, um die aufrührerischen Soldaten nicht ins Industriegebiet zu lassen. Hier ist aber gestern ein Trupp (150) Mariner durchgekommen. Sie haben auf dem Bahnhof einen Sturmhelm aus dem Zuge geworfen. Man sagt, diese hätten in Herford das Postamt besetzt. Sie hatten die Urlauberpässe mit dem Stempel „Arbeiter- und Soldatenrat“ versehen und die Urlauber (Waffenlos?) nach Hause geschickt.
Einem Marineoffizier, der sich eine Fahrkarte habe lösen wollen, hätten sie den Degen fortgenommen und ihn dann laufen lassen. Einem andern Marineoffizier hätten sie Achselstücke und Portepee abgeschnitten und ihn dann zurückgeschickt. In Löhne auf dem Bahnhof wäre es voll Soldaten gewesen. Ob kaisertreu oder Aufrührer, wußte man nicht. Ich suchte H[er]rn Amtmann auf; aber der war zur Amtsmänner-Versammlung nach Herford, amtlich zur Besprechung wegen der Belegung von Westfalen mit heimkehrenden Soldaten nach dem Waffenstillstand, aber auch wohl zur Besprechung der Maßnahmen bei ausbrechendem Aufruhr.
Als ich heimkomme, sagt mir Clara, Lili habe sie in Bremen willkommen geheißen und augenscheinlich nichts von bösen Zuständen dort gewußt. Ob die Gerüchte übertrieben sind? Gott helfe in Gnaden unserm armen Vaterlande! Und helfe zu einem des Christennamens würdigen Verhalten! Ich gehe abends zur Post und keine Zeitungen von Berlin noch von Herford. Zu H[er]rn Ökonomierat: In Herford herrscht völlige Ruhe. Alles ist wie sonst, auch die Posten an dem Durchlaß zum Bahnsteig. Dagegen seien in Osnabrück Unruhen ausgebrochen, der Oberbürgermeister gefangen gesetzt.
Banken 6, Post besetzt? In Herford wäre der Kommandierende General mit Stricken gebunden, die Achselstücke abgerissen, ein anderer General ermordet. In Bremen wäre das Oslebshauser Gefängnis geöffnet und die Verbrecher befreit. Von Hamburg stand in der einzig erscheinenden Bünder Zeitung: Auf der Strecke Hannover – Köln verkehre nur ein Zug. Autos mit Aufrührenden führen bis nach Köln. Es kann kein Gedanke daran sein, daß Clara nach Bremen fährt, da die Züge Osnabrück-Bremen nicht fahren. Der Landrat habe zur Bildung von Bürgerwehren geraten, wozu der Kommandierende General Gewehre zur Verfügung stellen wolle. H[er]r Ök[onomie]Rat hat sich dagegen ausgesprochen, um unnützes Blutvergießen zu vermeiden. Ein feste Burg ist unser Gott!

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 228f./08.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Rundbrief von Pfarrer Baumann, Löhne, an Soldaten aus seiner Kirchengemeinde, 1917

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Transkription eines Rundbriefs von Pfarrer Baumann, Löhne, an Soldaten aus seiner Kirchengemeinde

Löhne den 2. Juli 1917

Muster eines Briefes
An d[ie] Soldaten v[om] Pfarramt

Lieber Freund!

Gestern habe ich im Gottesdienst bekannt
geben müssen, daß wir im Laufe dieses
Monats unsere schönen Kirchenglocken, bis
Auf die kleinste, und auch die Schulglocke
von Falscheide abgeben müssen. Das schneidet
tief in unser Gemeindeleben ein. Auf dem
Lande empfinden wir das ja viel schmerz-
licher wie in der Stadt. Sie haben Euch und
uns oft geklungen in Freude und Leid,
haben uns oft gerufen zum Gottesdienst.
Mancher hat ihren Ruf nicht hören und
Verstehen wollen, vielleicht denkt Ihr
jetzt daran. Wir hatten gehofft, damit
den Frieden einläuten zu können und
Euch bei Eurer glücklichen Heimkehr mit
ihnen begrüßen zu können. Das ist nun
vorbei. Nun sollen sie dem Vaterland
einen anderen Dienst tun, Euch Waffen
liefern, damit Ihr kämpfen und siegen
könnt. Gott wolle auch diese Dienste
segnen!

Unsere 3 Glocken haben Namen und wollten
uns, so oft wir sie hörten, etwas Ernstes u[nd]
Wichtiges sagen. Es wird Euch gewiß inte-
ressieren

wenn ich Euch davon mitteile. Die größte
Glocke, die tiefste, heißt: Magdalena. Es war
das die große Sünderin, die zu Jesu kam, und der
der Herr die Sünden vergab. Der Glockenklang
rief uns zu: tut Buße, kommt zu dem
lebendigen Gott. Kehre Dich zu mir, denn ich
erlöse Dich. Wie not ist uns allen doch dieser
Ruf. Luther sagt: unser ganzes Leben soll eine
ständige Buße sein.

Die zweite Glocke heißt Maria. Sie saß, wie
Ihr aus dem Evangelium wißt, zu Jesu Füßen,
ihm zuzuhören u[nd] die sagt uns: Eines ist not,
denke darüber nach: Jesum gewinnen, dies eine ist not.

Die dritte heißt Martha. Und wie einst die
Martha Jesu diente, so will uns die Glocke
immer wieder zurufen: Dienet einander!
Laßt Euch mal diese Namen Eurer Heimat-
glocken und ihre Zurufe durchs Herz gehen
zur Selbstbesinnung, damit sie so noch
einmal ihren Dienst an Euch tun können,
wie sie ja immer tun wollten. Wenn
auch die Glocken fortkommen, diese
Mahnungen bleiben doch für jeden Christen,
der einmal vor Gott bestehen will: un-
verloren für Zeit und Ewigkeit.

Die kleinste Glocke mit ihrer Aufforderung:
Dienet einander, behalten wir. Das ist
ja gut.Und das wollen wir tun, Ihr da
draußen, wir hier: einander dienen in
Treue, Liebe und Glauben und das

Wollen wir ganz besonders dann tun, wenn
Gott uns im Frieden wieder zusammen geführt
hat, miteinander Dienen im Gemeindeleben, im
Zusammenarbeiten für Volk und Vaterland,
miteinander Jesum gewinnen, dass wir unser
Ziel erreichen. Im treuen Zusammenstehen
liegt unsere Kraft.

Gestern habe ich auch wieder einen Trauerfall be-
kannt geben müssen. Der Musketier Karl
Krause von der Falscheide ist gefallen. Gerade vor
8 Tagen hatten wir Gedächtnisfeier halten müssen für
Friedrich Hamelmann, Fritz Tiemann, Fritz
Stuke, Dragoner (?), Fritz Steffen, die hier beerdigt
ist, Heidsiek, U[ntero]ff[i]z[ier]. Brachmann, gerade hatte er
geheiratet, und Gustav Uhling. Nun wird die
Liste schon wieder länger, wie viele sind es, die Ihr
und wir nicht wiedersehen werden. Für uns alle
liegt darin doch die ernste Mahnung: Denke
an Deinen Tod! Lebe, wie Du, wenn Du stirbst,
wünschen wirst, gelebt zu haben. Sterben soll
auch ein Sieg sein, um den wir mit unser
Betglocke immer wieder bitten: Herr, hilf über-
winden. Gott wolle in Gnaden uns allen
helfen, daß unser Sterben ein Sieg sei,
und wir die Siegerkrone davon tragen und
ewigen Frieden!

Wann wird der irdische Frieden kommen?
Wer weiß es? Hoffen wollen und dürfen wir,
daß das noch so fern liegende bald eintrifft.
Wenn er uns nur hat treu erfunden und
merket keine Heuchelei, so kommt Gott,
eh wirs uns versehen u[nd] lässet uns viel
Guts geschehen.

Gott tut uns ja soviel Gutes. Er hat uns, als es
höchste Zeit wurde, Regen gegeben, und das Korn
u[nd] alles ist gewachsen, daß es eine Freude ist.
So gibt´s hoffentlich eine gute Ernte, auch da draußen
als Ernte den Sieg über alle Feinde. Nicht den
Mut verlieren, lieber Freund, auch wenn Du
mal murren und verzagen willst bei allem
Schweren, was Du hast. Seht, darin wollen
wir einander auch dienen, daß wir uns ge-
genseitig Mut machen. Ihr habts oft nötig
und wir hier auch. Was hilft Klagen und Mut-
los werden? Ists nicht immer so: Wir machen
unser Kreuz und leid nur größer durch
die Traurigkeit?

Ich will Euch zum Schluß noch ein gutes Wort
des Apostels Paulus geben. Darüber denket
nach, Ihr werdet es verstehen. 2. Korinther
Cap[itel] 4 V[ers] 17 u[nd] 18: Unser Trübsal, die zeitlich
und leicht ist, schafft eine einige und über
alle Maßen richtige Herrlichkeit uns, die
wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern
auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist,
das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist
ewig.

Nun seid alle herzlich Gott befohlen!
Habt Dank, die Ihr bei mir gewesen seid
und geschrieben habt. Seid gewiß, wir
denken täglich an Euch.

Herzliche Grüße aus der Heimat.
In Treue Euer Pastor
Baumann

(Wolfgang Günther, Landeskirchenarchiv der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld)

Signatur: LkA EkvW Best. 4.79 Nr. 50

Beschlagnahmung von Glocken, 1917

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Mit dem weiteren Verlauf des Krieges wurde die Sicherstellung von Rohstoffen für die Rüstung immer wichtiger. Dieses betraf schließlich auch die Bronzeglocken, die zum Teil schon seit vielen Jahrhunderten in den Kirchtürmen der Kirchengemeinden hingen. Mit Verfügung vom 19. Februar 1917 teilte der Minister der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten mit, dass die Heeresverwaltung eine Bekanntmachung zur Beschlagnahmung, Bestandserhebung und Enteignung sowie freiwillige Ablieferungen der Glocken aus Bronze erlassen würde. Alle Glocken über 20 kg sollten enteignet und Rüstungszwecken zugeführt werden. Nur Glocken mir besonderer wissenschaftlicher, geschichtlicher Bedeutung oder mit hohen Kunstwert waren von der Enteignung und Ablieferung befreit. Kurzfristig mussten nun Experten benannt werden, die diese Entscheidung treffen sollte. In Westfalen wurde für diese Aufgabe der Provinzialkonservator benannt. Die Glocken sollten von ihm in drei Kategorien unterteilt werden.

In der Kategorie A wurden die Glocken erfasst, die keinen besonderen wissenschaftlichen oder historischen Wert hatten. Hierzu zählten alle Glocken, die keine besonderen Inschriften hatten und die nicht aus der Zeit vor 1400 stammten. Diese Glocken sollten in kürzester Zeit der Heeresverwaltung zum Umschmelzen überlassen werden.

Die Glocken mit besonderem historischem oder wissenschaftlichem Wert wurden noch einmal unterteilt in zwei Kategorien unterteilt. In Kategorie B sollten die Glocken aufgeführt werden, deren Erhalt wünschenswert war, in Kategorie C diejenigen Glocken, die unbedingt erhalten werden sollten. Kriterium war die Kunstfertigkeit der Verzierungen. Ging diese über den Durchschnitt der handwerksmäßigen Arbeit ihrer Zeit hinaus oder waren die Inschriften von besonderer Bedeutung, so sollten diese in die Kategorie C eingeordnet werden.

Da der Provinzialkonservator in der Eile der Zeit natürlich nicht alle Glocken begutachten konnte, griff man zurück auf die Erhebungen im Rahmen der Veröffentlichungen über die Bau- und Kunstdenkmäler der kommunalen Kreise und erstellte im März 1917 daraus eine vorläufige Liste. Danach fielen 11 Glocken aus dem Kreis Herford unter die Kategorie A und sollten schnellstmöglich abgegeben werden. Dieses lag im Schnitt der anderen Kreise mit überwiegend evangelischer Bevölkerung im Regierungsbezirk Minden. Die katholisch geprägten Kreise hatten in der Regel mehr Glocken abzugeben. Insgesamt werden 100 Glocken zur sofortigen Abgabe vorgeschlagen. In der Kategorie B waren im gesamten Regierungsbezirk nur 5 Glocken erfasst.

Die Bedeutung der Region als Glockenlandschaft wird deutlich in der hohen Anzahl von Glocken, die als unbedingt erhaltungswürdig angesehen worden waren: 212 Glocken werden aufgeführt, die teilweise bis in das 15. Jahrhundert zurückdatiert wurden, 22 davon im Kreis Herford (allerdings fehlten Spenge und Wallenbrück bei der Erhebung).
Bis zum Ende des Krieges wurden die Kriterien immer wieder verschärft. So sollte die Zahl der abzugebenden Glocken erhöht werden. Nun fielen z.B. im April 1917 alleine in der Stadt Herford 8 Glocken in die Kategorie A (ohne Denkmalwert). Drei Glocken wurden als wünschenswert in der Kategorie B aufgelistet und 8 Glocken blieben in der Kategorie C.

Da diese neue Liste auch nur auf Grund der Materialien für die Erhebung der Bau- und Kunstdenkmäler erstellt worden waren, wurden im Sommer vor Ort noch einmal besondere Gutachten angefertigt. Im Kreis Herford hatten Superintendent Pfarrer Niemann in Herford, Professor Langewische in Bünde und Pfr. Schmidt in Vlotho die Begutachtung übernommen. Pfr. Niemann ermittelte für den Stadtbereich 7 Glocken der Kategorie A, 3 Glocken der Kategorie B und 12 Glocken der Kategorie C (Münsterkirche, Johanniskirche, Jakobikirche, Petrikirche). Für den Kreis wurden 6 Glocken der Kategorie A, 3 Glocken der Kategorie B und 4 Glocken der Kategorie C ermittelt.

Allerdings kommt die Glockenablieferung nur zögernd in Gang. Es werden vom Kriegsministerium deswegen extra Prämien für eine schnelle Auslieferung ausgelobt in Höhe von 1 Mark pro Kilo. Für Herford kann Superintendent Niemann am 27. Juni 1917 das Gewicht der abgenommenen Glocken (1221 kg) und die Entschädigungssumme (24 Mark und 43 Pfennige) notieren. Auch dem Wunsch, weitere Glocken aus der Kategorie C herabzustufen und der Kategorie B zuzuordnen, kann Superintendent Niemann im Juni 1918 nicht entsprechen.

In den betroffenen Gemeinden war die Abholung der Glocken ein tiefer Einschnitt. Diese Maßnahme unterstrich den Ernst der Lage. In Löhne wurden im Juli 1917 die Glocken abgeholt. So schrieb Pfarrer Baumann in einem Rundschreiben an die Soldaten aus seiner Kirchengemeinde (vgl. Abb. oben): „Gestern habe ich im Gottesdienst bekannt geben müssen, daß wir im Laufe dieses Monats unsere schönen Kirchenglocken, bis auf die kleinste, und auch die Schulglocke von Falscheide abgeben müssen. Das schneidet tief in das Gemeindeleben ein. Auf dem Lande empfinden wir das ja viel schmerzlicher als in der Stadt. Sie haben Euch oft geklungen in Freude und Leid … Wir hatten gehofft, damit den Frieden einläuten zu können und Euch bei Eurer glücklichen Heimkehr mit ihnen begrüßen zu können. Das ist nun vorbei. Nun sollen sie dem Vaterland einen anderen Dienst tun, Euch Waffen liefern, damit ihr kämpfen und siegen könnt. Gott wolle auch diese Dienste segnen!“ Deutlich wird in seinen Worten die vorherrschende Kriegstheologie, in der Gottes Wille mit dem Vaterland gleichgesetzt wird.

Andere Kirchengemeinden hatten Glück, dass der Krieg schneller zu Ende war als die Durchführung der Glockenabgabe. Die Kirchengemeinde Wallenbrück hatte drei Glocken die in die Kategorie B und C eingeordnet waren: zwei Glocken aus dem Jahr 1651 und eine aus dem Jahr 1816. Im August 1918 wurden alle Glocken in die Kategorie A eingeordnet und sofort beschlagnahmt. Die jüngste Glocke wurde nachträglich höhergestuft und zurückgestellt. So sollte die Kirchengemeinde wenigstens eine Glocke behalten. Der Ablieferung sollte bis zum 10. September erfolgen. Doch die Kirchengemeinde verzögerte die Ablieferung trotz Mahnung. Trotz Kriegsende blieb Pfarrer Höke aber in Sorge, bis ihm das Konsistorium im Dezember 1918 mitteilen konnte, dass keine Beschlagnahmung mehr erfolgen werde.

(Wolfgang Günther, Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld)

Signatur: LkA EkvW Best. 4.74 Nr. 332; LkA EkvW Best. 4.79 Nr. 50; LkA EkvW Best. 4.139 Nr. 528