Die „Herforder Luftschiffer“ – Wilhelm Vogt als Ballonflieger im Ersten Weltkrieg

Vogt Herforder Luftschiffer

Herforder Luftschiffer 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Stolz posieren die „Herforder Luftschiffer“ mit einem dicken Fass 1914/15. Dieses Bild ist bisher einmalig und schlägt ein unbekanntes Kapitel zum Einsatz Herforder Soldaten im Ersten Weltkrieg auf. Mit auf dem Bild ist der Wilhelm Vogt, geboren 1878 in Diebrock und im zivilen Leben Herforder Polizeisergeant. Er wohnte an der Bielefelder Straße und war im Krieg einer der wenigen deutschen Luftschiffer. Am 15. Januar 1917 schickte im „Ihre Freundin“ Auguste Petzhold verspätete Neujahrsgrüße zur Feld-Luftschiff Abteilung Nummer 12 im Westen. Hier nämlich war Vogt seit 1914 beim Ballonzug 33 des Luftschifftrupps No. 3 eingesetzt. Ob wirklich als Fahrer eines Ballons oder „nur“ im Wagenbaukommando, ist bisher unklar. Jedenfalls stand er mit seiner Truppe in Westflandern und bei Ypern im schon bald sinnlos werdenden Stellungskrieg.

Vogt Wagenbaukommando

Wagenbaukommando der Feldluftschiffer Abteilung 12 vor Ypern 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Vogt Westflandern

Westflandern Feldzug 1914/1915 Fröhliche Ostern (Foto: Stadtarchiv Herford)

Die an einer Trosse aufsteigenden Fesselballons dienten im Ersten Weltkrieg zur taktischen Gefechtsfeldaufklärung. Erfinder und Namensgeber waren August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld. Die ziemlich schwerfälligen Geräte fanden zunächst nur wenig Verwendung, sie wurden aber im Graben- und Stellungskrieg ab September 1914 wichtiger, da von ihnen aus auch die die kleinsten Truppenverlegungen beobachtet werden konnten. Trotzdem hatte das Heer im Februar 1915 an der Westfront nur neun Fesselballone mit entsprechend wenigen Feldluftschiffern. Jeder Ballonzug besaß nur einen Ballon, wenn dieser zerstört worden war, fiel die gesamte Einheit aus.

Vogt Ballon

Feldluftschiff / Ballon im Einsatz (Foto: Stadtarchiv Herford)

Noch war diese Waffe zu unbekannt auch bei der Heeresleitung. Erst im März 1915 wurde die Dienststelle „Chef des Feldflugwesens“ gegründet. Im Angriff auf Verdun im Februar 1916 setzte sie erstmals zwölf Ballone koordiniert ein, deren Aufklärungsmeldungen zentral an die Führung weitergeleitet.

1916 verfügte das deutsche Heer über 53 Feldluftschiffabteilungen und 128 Ballonzüge, im Sommer 1918 über 186 Ballonzüge. Materialengpässe machten 1918 die Zusammenführung von je zwei Ballonzügen zu einem Ballonzug notwendig. Die neue Struktur gewährleistete neue (schnellere) Material- und Personal-Verfügbarkeit. Gleichzeitig mit dem Ausbau gab es die höchsten Verluste ihrer Geschichte. Mit neuer Brandmunition schoss der jeweilige Gegner die Ballone ab.

Vogt gehörte zur Feldluftschiffer-Abteilung 12, die von September bis November bei den Kämpfe um Nancy, bis Ende April 1915 an den Stellungskämpfen an der Yser, im Mai 1915 bei den Kämpfen um Ypern, ab Februar 1916 bis September 1917 bei Verdun und 1918 in den Abwehrkämpfen zwischen Maas und Argonnen eingesetzt war. Die von ihm gesammelten Bilder zeigen auch mit Toten im Schützengraben auch die Schrecken des Krieges.

Vogt schützengraben Tote

Tote Soldaten im Schützengraben. Foto aus dem Album des Herforder Soldaten Wilhelm Vogt (Foto: Stadtarchiv Herford)

Er überlebte den Einsatz und starb 1930 in Herford, 1953 starb seine Frau Henriette, geb. Schwagmeier. Nach dem Tod des Sohnes und Kleinbahnbeamten Fritz gelangten die Bilder in den 1990er Jahre auf dem Flohmarkt. Ein aufmerksamer Sammler stellte sie vor kurzem dem Herforder Stadtarchiv zur Verfügung.

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford Slg. E 518

Erste Fronteindrücke des Theologiestudenten Alfred Heinisch, 1915

Den 10.9. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Ganz plötzlich mußten wir nach 7 wöchentlicher Ausbildung von Detmold fort. Unsere Fahrt führte über Bielefeld, wo ich einen letzten Blick nach Bethel hinaus hatte, über Barmen, Düsseldorf Aachen nach Belgien. Am Dienstag kamen wir durch Lüttich. Der Morgennebel verhüllte uns leider jede Aussicht. Dann bekamen wir sehr schönes, klares Wetter und fuhren den ganzen Tag durch erobertes Gebiet. Da merkte ich, was unsere Truppen im August 1914 geleistet haben. – An der Bahnlinie eine dichte starke Postenkette, oft zerschossene Häuser und hier und da ein Massengrab. Hinter Löwen, wo wir die Hälfte Häuser zusammengeschossen sahen, überholte uns [Luftschiff] LZ 77 und ging dann in eine Halle nieder. Wir fuhren durch Brüssel, Mons, dann nach Frankreich hinein, ?, Montigny und Douai. Südlich von Lille wurden wir nun 20 km hinter der Front noch ein paar Wochen unter dem zeitweiligen Kanonendonner, der von Ypern oder La Bass?in herübertönt, ausgebildet. Oft besucht uns ein feindlicher Flieger. –
Unser Feldwebel fragte mich, ob ich nicht lieber Helfer eines Feldgeistlichen werden wollte. Ich glaube, ein solcher Dienst könnte mich besser auf den künftigen Beruf vorbereiten als das Leben im Schützengraben, und der Feldwebel versprach mir, sich für mich zu bemühen. Vielleicht aber soll mir das Kämpfen mit der Waffe nicht erspart bleiben. Ich bin bereit dazu; denn ich habe volles Vertrauen zu Jesus. Die Wege, die er mich bis jetzt geführt hat, waren manchmal so schwer, daß ich dachte, ich könne nicht mehr durch, aber gerade dadurch ist mir das Wort Mal. 3:3 so lieb geworden: „Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen.“-
In treuem Gedenken
Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Feldpost des Hilfspredigers Paul Waltking, 24.1.1915

Paul Waltking wurde am 20. Januar 1889 als ältester Sohn eines Lehrers und seiner Frau in Hahlen bei Minden geboren. Heute ein Stadtteil von Minden, war Hahlen bis zur Gebietsreform 1973 eine selbstständige Gemeinde. 1894 zog die Familie nach Minden um, da Pauls Vater an die dortige Bürgerschule II versetzt worden war. An ebendieser Schule begann im Folgejahr Paul Waltkings Schullaufbahn, die ihn im Anschluss an die Mittelschule und schließlich an das Königliche Gymnasium in Minden führte, wo er im Herbst 1908 das Abitur bestand.

Im Wintersemester 1908/1909 begann er in Heidelberg das Studium der Evangelischen Theologie. Die folgenden sieben Semester führten ihn nach Heidelberg, Göttingen und Halle. Im Herbst 1912 meldete er sich in Münster zum 1. theologischen Examen; er trat jedoch von der Examensprüfung zurück, nachdem die schriftlichen Prüfungsarbeiten sehr schlecht ausgefallen waren. Dem Rat des Generalsuperintendenten folgend, zunächst das wissenschaftliche Arbeiten zu erlernen, entschied sich Paul Waltking gegen einen direkten erneuten Versuch. Er besuchte zur Überbrückung im Sommersemester 1913 die Theologische Schule in Bethel, um sich dort auf das bevorstehende Examen vorzubereiten. Nach erfolgreichem Abschluss Ostern 1914 trat der mittlerweile Fünfundzwanzigjährige in der evangelischen Kirchengemeinde Buer-Erle in Westfalen eine Hilfspredigerstelle an.

Anfang Dezember 1914 wurde Paul Waltking als Einjährig-Freiwilliger eingezogen und kehrte für die Ausbildung beim Rekruten-Depot des Westfälischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 22 in seine Heimatstadt Minden zurück. Zum Richtkanonier ausgebildet, wurde er im März 1915 noch für sieben Wochen ins brandenburgische Städtchen Jüterbog geschickt, wo sich eine Artillerieschule befand. Anschließend erfolgte der von ihm ersehnte Marschbefehl und die Abfahrt mit dem Zug in Richtung Westfront. Vier Kilometer hinter der belgischen Stadt Ypern tat er zunächst Dienst an der Ballonabwehrkanone, die gegnerische Fesselballone und Luftschiffe (Zeppeline) zum Ziel hatte. Da er hier jedoch nur Hilfsdienste ausüben durfte und eine Beförderung ausblieb, meldete er sich – ebenso wie die übrigen „Einjährigen“ – freiwillig für einen Wechsel zur Infanterie, da ihnen dort ein baldiger Aufstieg in den Offiziersrang in Aussicht gestellt worden war. Waltking und seine Kameraden wurden daraufhin in Gent als Offiziers-Aspiranten ausgebildet. Anstatt zur Kriegsschule in Roulers wurden sie jedoch als Infanteristen an die vordersten Linien der Front geschickt, wo Paul Waltking nach wenigen Tagen, am 21. Juli 1915, in einem Schützengraben nördlich von Ypern nach einem Schuss ins Herz starb. Sein Leichnam wurde in einem Einzelgrab bestattet.

waltking_19150124

Minden Westf. 24.1. 15.

Sehr geehrter Herr Pastor!

Nachdem ich 7 Monate lang in Buer (Westf.)-Erle die Hilfspredigerstelle innegehabt habe, ist endlich Anfang Dezember [1914] mein sehnlicher Wunsch in Erfüllung gegangen, dem Vaterlande auch mit der Waffe in der Hand dienen zu dürfen. Ich bin eingezogen worden und werde ausgebildet beim 3. Rekr[uten]-Depot F[eld-]A[rtillerie-]R[egiment] 22 in meiner Heimatstadt Minden. Auf der Weihnachtsfeier des Depots habe ich auf Wunsch des Vorgesetzten eine Ansprache halten dürfen. Meine Ausbildung als Richtkanonier ist nahezu beendet. In den nächsten Wochen hoffe ich ins Feld rücken zu dürfen.
Mit Gott!
Ergebenst Paul Waltking.

Signatur: LkA EKvW Best. 13.99 (Waltking)