Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 19.12.1918

Seit 3 Wochen keine Eintragung. Die Neigung ist einem dazu vergangen. Jeder Tag, jede Zeitung brachte neue Demütigungen, neuen Jammer. Die Franzosen haben den Elsaß-Lothringen besetzt & die undankbaren Französlinge haben die deutschen Denkmäler umgestürzt & die Franzosen mit offenen Armen empfangen. Die Städte haben sich für den Anschluß an Frankreich erklärt. […]
Es mehrten sich nun die heimgekehrten Soldaten. Nicht geschlossen, einzeln zu 2 & 3en kehrten sie zurück. Man hört, daß manche Frontsoldaten empört sich über die Zustände in der Heimat geäußert hätten; ansehen kann man es dem Einzelnen nicht, welche Gesinnung er hat. Mißtrauen tut man manchem. Es ist natürlich unwahr, was, wie Frau Kantor erzählt, H[er]r Kosiek gesagt haben soll, man sollte den Soldaten ins Gesicht spucken, weil die die Fahne verlassen hätten. Daraus spricht nur das böse Gewissen, auch aus dem Zusatz der Andern: „Das spricht H[er]r Kosiek ja nur Pastor Hartmann nach.“ Freilich, die Ehrenbogen, welche je länger je mehr sich über die Landstraßen & Dorfstraßen ziehen, muten mich sonderbar an. […].

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 234/19.12.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 10.11.1918

Martini. Auf dem Wege nach Bieren überholt mich Uthoffs Wagen & nimmt mich mit. Der Frühzug sei doch mit Post angekommen. Gestern Abend sei die Nachricht gekommen, 18 franz[ösische] Divisionen hätten die Waffen niedergelegt. Das Landratsamt sei von dem Arbeiter & Soldatenrat besetzt. Ich gehe auf die Bierener Post & sehe in den ausliegenden Zeitungen, daß in Osnabrück von 2 aufrührerischen Marinern die Stadt dem Aufruhr gewonnen ist. Der Oberbürgermeister hält vor den Stadtverordneten eine sehr vorsichtige Rede nach dem Rezept: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. In Herford hat der Aufruhr ebenfalls gesiegt. Man sagt, der Kaiser & Kronprinz hätten abgedankt. [Friedrich] Ebert (Soz[ialdemokrat]) sei Reichskanzler. Lieschen Meier, die von der Beerdigung ihrer Schwester bis Bünde hatte fahren können, war mit ihrem Koffer über Börningh[ausen] zu Fuß nach Oldendorf gegangen, da weiter kein Zug verkehrte. Sie hat selbst gesehen, wie ein Soldate dem Andern die Kokarde abgerissen hat. Auch Mesterheide-Gehle ist von Krefeld gekommen ohne Kokarde mit einem roten Bändchen im Knopfloch & hat sich nicht geschämt, dasselbe noch angesichts des Amtmannes zu tragen & dieser hat es ihm nicht abgerissen!! Dagegen hat er strahlend erzählt, daß er aus einem geplünderten Magazin ein Paar neue Stiefel ergattert habe. Schändlich!
In Bieren singen wir das Martinilied & 332 Lesung Ps[alm] 93, Predigt über Ps[alm] 39. Die christl[iche] Sterbekunst worin sie besteht, was sie uns bietet, „daß sich vor der Sterbelust auch der Satan fürchten mußt“ & wer sie kann. Ich hoffe auf dich, Ich bin dein Pilgrim & Bürger. Errette mich von aller meiner Sünde & laß mich nicht den Narren zum Spott werden. Sei mein! Die Speiche, die im Rade oben steht, geht im selben Augenblicke nach unten.
Wir singen noch 504, dann zu Wilken im Bruche, deren Tochter Luise an der Schwindsucht schwer daniederliegt. Natürlich ist das Gespräch überall bei den Ereignissen & die Besorgnis, die Aufrührerischen möchten aufs Land kommen, ist groß. Als ich zu Hause bin, sagt mir Clara, daß Miss[ionar] Helmich schon nicht mehr für den Kaiser gebetet hat, sondern „für unsere Obrigkeit“. Ich finde das empörend, es liegt aber ganz auf der Linie, wie die Überwältigung Osnabrücks durch 2 Mariner. Dabei hat ein Sonderblatt aus Bünde noch die Nachricht gebracht: der Kaiser bleibt. Gebe Gott in Gnaden, daß es Wahrheit sei & bleibe! Ich machte einen Besuch bei Klos, traf aber nur die Mutter. –

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 229f./10.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 8.11.1918

Jul[ius] Betzlers Geburtstag. Gott segne ihn! – Die Berliner Zeitungen, auch der Hannoversche Kurier, bleiben aus. Mittags wird Clara für Bremen an den Fernsprecher gerufen. Da hört sie dann böseste Dinge auf der Post. Die Revolution ist siegreich in Hamburg, Lübeck & Bremen (?). Man habe den Kaiser ein Ultimatum gestellt, bis 12 Uhr mittags abzudanken.
In Herford sei das Postamt von aufrührerischen Mariners besetzt. Ich kann den Anschluß nach Bremen nicht abwarten, da ich zur Beerdigung von W[it]w[e] Nordiek muß. (Mann, zwei Söhne & nun die Frau in der Kriegszeit gestorben bzw. gefallen).
Ich gehe über den Bahnhof, mir begegnet Vorsteher Steinmeier. Die Bahn habe die Verladung von Schweinen abgelehnt, da Güterzüge nicht mehr führen. Ich frage den Bahnvorsteher Schulte, ob er etwas wisse. Er tut erst sehr unwissend. Es sei nur wegen Truppentransporten Sperre.
Allmählich kommt doch heraus, daß man Züge hat ausfallen lassen, um die aufrührerischen Soldaten nicht ins Industriegebiet zu lassen. Hier ist aber gestern ein Trupp (150) Mariner durchgekommen. Sie haben auf dem Bahnhof einen Sturmhelm aus dem Zuge geworfen. Man sagt, diese hätten in Herford das Postamt besetzt. Sie hatten die Urlauberpässe mit dem Stempel „Arbeiter- und Soldatenrat“ versehen und die Urlauber (Waffenlos?) nach Hause geschickt.
Einem Marineoffizier, der sich eine Fahrkarte habe lösen wollen, hätten sie den Degen fortgenommen und ihn dann laufen lassen. Einem andern Marineoffizier hätten sie Achselstücke und Portepee abgeschnitten und ihn dann zurückgeschickt. In Löhne auf dem Bahnhof wäre es voll Soldaten gewesen. Ob kaisertreu oder Aufrührer, wußte man nicht. Ich suchte H[er]rn Amtmann auf; aber der war zur Amtsmänner-Versammlung nach Herford, amtlich zur Besprechung wegen der Belegung von Westfalen mit heimkehrenden Soldaten nach dem Waffenstillstand, aber auch wohl zur Besprechung der Maßnahmen bei ausbrechendem Aufruhr.
Als ich heimkomme, sagt mir Clara, Lili habe sie in Bremen willkommen geheißen und augenscheinlich nichts von bösen Zuständen dort gewußt. Ob die Gerüchte übertrieben sind? Gott helfe in Gnaden unserm armen Vaterlande! Und helfe zu einem des Christennamens würdigen Verhalten! Ich gehe abends zur Post und keine Zeitungen von Berlin noch von Herford. Zu H[er]rn Ökonomierat: In Herford herrscht völlige Ruhe. Alles ist wie sonst, auch die Posten an dem Durchlaß zum Bahnsteig. Dagegen seien in Osnabrück Unruhen ausgebrochen, der Oberbürgermeister gefangen gesetzt.
Banken 6, Post besetzt? In Herford wäre der Kommandierende General mit Stricken gebunden, die Achselstücke abgerissen, ein anderer General ermordet. In Bremen wäre das Oslebshauser Gefängnis geöffnet und die Verbrecher befreit. Von Hamburg stand in der einzig erscheinenden Bünder Zeitung: Auf der Strecke Hannover – Köln verkehre nur ein Zug. Autos mit Aufrührenden führen bis nach Köln. Es kann kein Gedanke daran sein, daß Clara nach Bremen fährt, da die Züge Osnabrück-Bremen nicht fahren. Der Landrat habe zur Bildung von Bürgerwehren geraten, wozu der Kommandierende General Gewehre zur Verfügung stellen wolle. H[er]r Ök[onomie]Rat hat sich dagegen ausgesprochen, um unnützes Blutvergießen zu vermeiden. Ein feste Burg ist unser Gott!

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 228f./08.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 6.11.1918

Ich werde zu Auguste Schulte auf Oberschulten Hofe gerufen & gehe vor dem Unterricht hin. Im Unterrichte fehlen viele Kinder; ich bespreche den Tod von Luise Könker. Die Konfirmanden werden einen Kranz aufs Grab bringen. Nachmittags Beerdigung v[on] Maria Hellmeier in Bieren. Sie war Braut des im Felde gestorbenen Brocksieker. Text Off[en]b[arung] 14,4 (Sie sind Jungfrauen & folgen dem Lamme nach). Von dort Besuch bei Fr[au] Overing & dem Schlachter [?] in der Kadaververwertungsanstalt. Er stammt aus Breslau, die Frau aus Oldenburg. Schulte ist da & schimpft über den schlechten Schulweg. Bei der W[it]w[e] Dedering. Ihr Sohn hat das EK I [Eiserne Kreuz Erster Klasse]. Dann zu Anna Mehrkühler & Frau Möller geb. Schulte. Abends meldet die N[eue] Westf[älische] V[olks]z[ei]t[ung] im örtlichen Teil böse Dinge vom Aufstande der Mariner in Kiel. Offizieren ist das Portepee abgeschnitten, die rote Fahne auf Kriegsschiffen. Zwei Marineoffiziere erschossen.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 228/06.11.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Kriegsgefangene Engländer in Sennelager, Ansichtskarte um 1917/18

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Passend zum britischen Propagandaplakat „How the Hun hates!“  ist diese deutsche Ansichtskarte (o.D., ca. 1917/18), auf der Fischer als „gedungene Söldner“ bezeichnet werden. Die Gestaltung der undatierten Karte mit dem Textfeld deutet darauf hin, dass auch sie Propagandazwecken dienen sollte.

Von England für je 800 M[ar]k gedungene Söldner beim Minenlegen in der Nordsee abgefangen, bei der Arbeit im Sennelager

Nähere Informationen zu den offensichtlich in Zusammenhang stehenden beiden Dokumenten ließen sich leider nicht ermitteln. Die Karte deutet aber darauf hin, dass in der Senne tatsächlich britische Fischer gefangen gehalten wurden, denen Minenlegen vorgeworfen wurde. Und vermutlich haben die Briten den Sachverhalt dann propagandistisch genutzt.

(Rolf-Dietrich Müller, Stadtarchiv Paderborn)

Signatur: Stadtarchiv Paderborn, M 1, Ansichtskartensammlung

Britisches Propagandaplakat „How the Hun Hates!“

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Britisches Propagandaplakat (undatiert, ca. 1917/18; Abb. hier nicht farbecht) über den „Hass des Hunnen“ auf die britische Zivilbevölkerung. Deutsche hätten in der Nordsee britische Fischer gefangen genommen und sie ohne jeglichen Beweis als „Minenleger“ verurteilt (vgl. dazu eine deutsche Propaganda-Postkarte mit kriegsgefangenen Engländern in Sennelager). Zur Verspottung durch die deutsche Bevölkerung seien sie halbseitig kahl rasiert und durch die Straßen Sennelagers geführt worden, so der Text.

Signatur: Stadtarchiv Paderborn, P 1748

Das Scheitern der Friedensinitiativen im Vorfeld des Kriegseintritts der USA 1917

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Aufruf Kaiser Wilhelm II. „An das deutsche Volk“ vom 12.1.1917 (Signatur: LAV NRW OWL D 81 Nr. 7)

Plakat mit dem Titel: Aufruf Kaiser Wilhelm II. „An das deutsche Volk“ vom 12.1.1917
Maße: 46 x 31 (H/B)
Signatur: LAV NRW OWL (Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Ostwestfalen-Lippe) D 81 Nr. 7

Plakattyp: Bekanntmachungsplakat
(aus Bestand Regierungsakten LAV NRW OWL L 75 XIII Nr. 3, 1 weiteres Exemplar)

Beschreibung:
Eine zornige Frau mit erhobenem Schwert steht vor einer zornigen Volksmasse; im Hintergrund ist ein großer fliegender Adler zu sehen. Die Blicke der Masse, des Greifvogels und der Frau sind in die Richtung des Betrachters, in die Ferne, ausgerichtet

Inhalt:
Kaiser Wilhelm II. wendet sich an das deutsche Volk. Er erklärt, dass die Feinde Deutschlands demaskiert seien, indem sie das Friedensverhandlungsangebot des Deutschen Reiches abgelehnt und nunmehr den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber ihre Kriegsziele eröffnet haben, die er als „Eroberungssucht“ bewertet und „schändlich“ nennt.
Es folgen eine Erinnerung an die Tapferkeit und die Siege der Truppen sowie der Aufruf zum weiteren Kampf und dem Erdulden der Opfer mit der Aussicht auf einen Sieg mit Hilfe Gottes.

Transkription:

An das deutsche Volk!
Unsere Feinde haben die Maske fallen lassen. Erst haben sie mit Hohn und mit heuchlerischen Worten von Freiheitsliebe und Menschlichkeit unser ehrliches Friedensangebot zurückgewiesen. In ihrer Antwort an die Vereinigten Staaten haben sie sich jetzt darüber hinaus zu ihrer Eroberungssucht bekannt, deren Schändlichkeit durch ihre verleumderische Begründung noch gesteigert wird.
Ihr Ziel ist die Niederwerfung Deutschland, die Zerstückelung der mit uns verbündeten Mächte und die Knechtung der Freiheit Europas und der Meere unter dasselbe Joch, das zähneknirschend jetzt Griechenland trägt.
Aber was sie in dreißig Monaten des blutigen Kampfes und des gewissenlosen Wirtschaftskrieges nicht erreichen konnten, das werden sie auch in aller Zukunft nicht vollbringen.
Unsere glorreichen Siege und die eherne Willenskraft, mit der unser kämpfendes Volk vor dem Feinde und daheim jedwede Mühsal und Not des Krieges getragen hat, bürgen dafür, daß unser geliebtes Vaterland auch fernerhin nichts zu befürchten hat.

Hellflammende Entrüstung und heiliger Zorn
werden jedes deutschen Mannes und Weibes Kraft verdoppeln,

gleichviel, ob sie dem Kampf, der Arbeit oder dem opferbereiten Dulden geweiht ist.
Der Gott, der diesen heiligen Geist der Freiheit in unseres tapferen Volkes Herz gepflanzt hat, wird uns und unseren treuen, sturmerprobten Verbündeten auch den vollen Sieg über alle feindselige Machtgier und Vernichtungswut geben.

Großes Hauptquartier, 12. Januar 1917.                 Wilhelm I.R. [Imperator Rex (lat.), Kaiser und König]

Vor dem Kriegseintritt der USA am 6. Februar 1917 scheiterte die Friedensinitiative Präsident Wilsons und der „uneingeschränkte U-Bootkrieg des Deutschen Reiches begann, auf den die Kriegserklärung der USA folgte, deren Eingreifen sich kriegsentscheidend auswirkte.

Unmittelbarer Hintergrund des Plakates ist die amerikanische Friedensinitiative von 1916, der die Mittelmächte mit einer eigenen Friedensinitiative zuvorkommen wollten. Am 12.12.1916 verlas der im Reich stark unter Druck geratenen Reichskanzler Bethmann-Hollweg das Angebot des vor dem Deutschen Reichstag. Die Vorschläge der Reichsregierung betonten ausdrücklich die Verhandlungsbereitschaft aus einer Position der Stärke heraus und bleiben vage in Bezug auf die konkreten Zugeständnisse. So stellten sie die im Septemberprogramm von 1914 beinhalteten Annexionsziele des Deutschen Reiches in keiner Weise in Frage und sahen auch keine nennenswerte Rückgabe eroberten Gebietes vor. Die Friedensinitiative wird häufig als Versuch gewertet, die noch neutralen USA möglichst aus dem Krieg herauszuhalten und den bereits geplanten, am 1.2.1917 seitens des Deutschen Reiches beginnenden, uneingeschränkten U-Bootkrieg propagandistisch vorzubereiten und mit der mangelnden Friedenswilligkeit der Entente zu begründen. Das Angebot wurde von der Entente bereits am 30.12.1916 als nicht ernst zu nehmen und auf  unzutreffenden Grundannahmen basierend abgelehnt.

Am 5.1. 1917 rief Kaiser Wilhelm II. in seiner Neujahrsbotschaft seine Truppen zu unvermindertem Kampf auf. Die Entente-Mächte unterbreiteten ihre Ziele am 10.1.1917. Frankreich wollte die Rückgabe Elsass-Lothringens; es stellte sich daneben die Zerschlagung  („écrasement“) des Deutschen Reiches vor, während Großbritannien die Wiederherstellung Belgiens forderte, daneben die deutsche „Weltmachtpolitik“ beenden wollte durch die Zerstörung der Flotte, die Aufteilung der Kolonien und die Beschränkung des deutschen Anteils am Welthandel. Auf diese Ziele der Alliierten verweist der Texts des Propagandaplakates ausdrücklich.

Das Verhältnis zu den USA wurde seitens Deutschlands durch das sogenannte Zimmermann-Telegramm an Mexiko vom 17.1.1917 stark unterminiert, das Mexiko deutsche Unterstützung gegen die USA anbot. Auch das Beharren des Deutschen Reiches auf den Einsatz von Tausenden von Belgiern als Zwangsarbeiter war ein dauerndes Thema der Auseinandersetzung neben den Angriffen der deutschen U-Boote auf amerikanische Schiffe. Mit seiner Rede vom 22.1.1917 hatte Wilson vor dem in der Mehrheit der Neutralität geneigten Kongress einen „Frieden ohne Sieg“ gefordert. Allerdings hatte er zu dem Zeitpunkt bereits die Alliierten durch Lieferungen unterstützt. Am 26.1. unterbreitete Wilson ein weiteres Angebot, das alle Kriegsführenden auf einer gemeinsamen Konferenz zu Gesprächen zusammenbringen sollte. Am 28.1.1917 lehnte die deutsche Regierung Wilsons Friedensbotschaft ab, die Entscheidung für den U-Bootkrieg war gefallen. Heeresleitung und Politiker waren überzeugt, dass ein Kriegseintritt der USA nicht kriegsentscheidend sein würde, da man meinte, die Truppentransporte kämen nicht bis Europa durch und man sei in der Lage, England bis zum Sommer mittels des Einsatzes der U-Bootwaffe zu besiegen und zum Frieden zu zwingen.

Der Hinweis auf Griechenland bezieht sich auf den Einmarsch der Alliierten 1915, der auf keine nennenswerten Widerstände des mit den Mittelmächten sympathisierenden Landes stieß, das sich  ab 1917 den Alliierten zuwandte. Der Hinweis auf den „Wirtschaftskrieg“ verweist auf die Seeblockade der englischen Home Fleet, die den Mittelmächten den Nachschub durch Importe abschnitt. Diese Blockade wurde bald „Hungerblockade“ genannt und war ein weiteres Argument für den „uneingeschränkten U-Bootkrieg“.

Symbolik: Der Adler kann als Repräsentant des Reichsadlers und damit einer Verkörperung Deutschlands gewertet werden. Dies gilt ebenso für die dargestellte Frau als Symbol der Germania, ein weit verbreitetes Symbol, das sowohl in der politischen Karikatur des 19. Jahrhunderts weit verbreitet war und sich zum Beispiel im Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein (1871, in Gedenken an den Sieg über Frankreich) großer Popularität erfreute. In Bezug auf ein Auftreten weiblicher Verkörperung von Tugenden oder Nationen in Zeiten der Bedrohung stellt diese Figur ein typisches Gestaltungselement dar.

Bearbeitung: Heike Fiedler M.A. Archivpädagogin, mit Unterstützung von Dr. Hermann Niebuhr, Landesarchiv NRW Abteilung OWL

Link zum Angebot des Archivpädagogischen Dienstes der Abteilung Ostwestfalen-Lippe in Detmold

Weiterführende Literatur/ Internetquellen:

  • Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914-1949. München 2003, S. 26-38; S. 39-47; S. 117 f.; S. 167 ff..
  • Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich, Gerd / Renz, Irina (Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn, München, Wien, Zürich 2009, S. 508-512.
  • Brandt, Bettina: Germania und ihre Söhne. Repräsentation von Nation, Geschlecht und Politik in der Moderne. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010.
  • www.dhm.de/lemo/html/1916

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 20.11.1916

Montagsarbeit. Schneeräumen vom Boden. Tauwetter. Monastir verloren! U[-Boot] „Deutschland“ gezwungen in den Ausgangshafen zurückzukehren wegen des Zusammenstoßes mit dem Schleppdampfer „Neckar“, der untergegangen ist. Die Nahrungsmittel werden so knapp & ich kann mich so schwer an die grobe Kost gewöhnen; werde es aber noch lernen müssen. Gott helfe unserm teuren Vaterlande & helfe mir, mich zu demütigen und stark zu werden!

Besuch bei Pörtner in Spelsiecks Kotten. Er ist in Urlaub aus Nähe von Riga spricht sehr abfällig über die Gründung Polens. Die Polen würden bei der ersten Gelegenheit zu unsern Feinden übergehen. Ich bekomme einen Brief von Musk[etier] Steube 6/67 zurück: „Vermißt“. Wird er sich haben gefangen nehmen lassen? Wie viel leichter läßt es sich doch singen & sagen: „und was nicht bebte war der Preußen Mut“ als tun. Buß & Bettag.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 118/20.11.1916

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 8.11.1915

Besuch bei Helmich! Unterredung über die Predigt. Line Buntemöller erzählt von den Gefangenen (Franzosen: 1 Rechtsanw. ein Kellner) welche sie in der Ernte zur Hülfe gehabt haben. Sie seien so anständig & dankbar gewesen für die gute Behandlung und Kost. Heinr. ihr Bruder der Monate lang ein frz. Gut von 1400 Morgen verwaltet hat, sprach mit ihnen französisch. Zum Dreschen wollen sie wieder Gefangene haben. – Besuch bei Oestreich & Düsing. Elis. Kommt zurück. Der kl[eine] Kreuzer UNDINE torpediert und gesunken. Nachricht vom Heldentod Martin Hartmanns.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 70/08.11.1915

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Der Herforder „Seeheld“ Otto Weddigen (1882-1915)

KAH F Otto Weddigen

Otto Weddigen in Uniform 1914

Der am 15. September 1882 geborene Herforder Fabrikantensohn Otto Weddigen wird zum ersten Herforder „Helden“ des Ersten Weltkriegs. Am 22. September 1914 versenkte er als Kommandant des U-Bootes U 9 nördlich von Hoek van Holland innerhalb von 75 Minuten die drei britischen Panzerkreuzer Aboukir, Hogue und Cressy. Etwa 1500 britische Marinesoldaten starben, 800 wurden von einem britischen Fischerboot und niederländischen Passagierdampfern gerettet.

SM_U9_Postcard

Englische Ansichtskarte der Versenkung der englischen Kreuzer

Das U 9 kehrte ohne Verluste nach Helgoland zurück. Diese Aktion Weddigens etablierte die U-Boot-Flotte als wichtiges Mittel der Kriegsführung im Ersten Weltkrieg.

KAH F Otto Weddigen U 29 vor Versenkung

Das U-Boot U 29 kurz vor der Versenkung 1915

Unterseeboot „U 29“ Kommandant K[a]p[i]t[än]l[eunan]t Otto Weddigen,
torpediert an der Südostspitze Englands, nahe den Scilly Inseln
den englischen, mit Kupfer beladenen Transportdampfer „Headlands“

Aufgenommen am 12.3.1915 v[on] d[em] Kapitän der „Headlands“.

Otto Weddigen wurde im deutschen Kaiserreich als Kriegsheld gefeiert, erst Manfred von Richthofen erreichte später ähnliche Berühmtheit. Die Stadt Herford ernannte ihn am 9. Oktober 1914 zum Ehrenbürger. Sein früher Tod am 18. März 1915, er starb als Kommandant des U-Bootes U 29 zusammen mit seiner gesamten Mannschaft beim Untergang, steigerte die Verehrung weiter. Am 18. April 1915 fand in Herford die Gedächtnisfeier für Otto Weddigen statt. In der Weimarer Republik, gesteigert erneut in der NS-Zeit, aber auch nach 1945 blieb er im Gedächtnis.

An den Ehrenbürger Herfords erinnerte seit 1915 das Otto-Weddigen-Ufer an der Werre, das aufgrund der Vorgaben der britischen Militärregierung 1947 zum Andenken an den Kaufmann Eduard Arnold Weddigen offiziell in Weddigenufer umbenannt wurde, sein Grabmal auf dem Friedhof Hermannstraße, eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus und die Bezeichnung H2O (Herfords zweites Otto) für ein Spaßbad, das an gleicher Stelle wie das 1934 erbaute Herford Otto-Weddigen-Bad errichtet wurde. 1960 und 1916 wurden Reste der torpedierten Schiffe bei Tauchgängen gesichert und geborgen.

KAH F Bergungsgut Cressy

Bergungsgut des 1914 von Weddigen versenkten britischen Kreuzers Cressy 1960/61

In den 1980er Jahren war das Gedenken in Herford – u. a. der „Marinekameradschaft Otto Weddigen“ – sehr umstritten, in der Dissertation von René Schilling, „Kriegshelden“. Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813-1945, Paderborn 2002 wurde die Diskussion um den Helden nochmals ausführlich dargestellt. Eine große Präsenz hat Weddigen im Alltag nicht mehr. Seit kurzem beschäftigt sich ein niederländischer Forscher mit dem Geschehen und lädt zum Tag der „Heldentat“ die Nachkommen Weddigens und seiner Opfer aus England zu einem Treffen ein (vgl. www.livebaitsqn-soc.info, Stand 18.6.2014).

KAH F Bergung Aboukir 1960 61

Bergung von Resten des 1914 von Weddigen versenkten britischen Kreuzers Aboukir 1960/61

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Fotosammlung Städt. Museum Herford (Weddigen)

Heimatgrüße der Kirchengemeinde Lüdenhausen, 12/1914

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„Schütz Dich Gott!“ Heimatgrüße für die Soldaten der Gemeinde Lüdenhausen (Lippe) Nr. 12 / 1914 (Ausschnitt)

Seit mehr als hundert Jahren haben zum ersten Mal feindliche Schiffe ihren donnernden Gruß Englands, des „seebeherrschenden“ Englands Küste Entboten! Einer von uns war dabei!

Download der Ausgabe 12 / 1914

Signatur: Landeskirchliches Archiv Detmold, Archiv der Kirchengemeinde Lüdenhausen

Feldpostbrief von Rudolf Kisker, 20.10.1914

St. Marguerite südl. Comines. 20/10.[1914]

Liebe Eltern!

Heute morgen habe ich eine flüchtige Karte mit der Post mitgehen lassen.
Gestern schrieb ich zuletzt von südl[ich] Lille. Wir marschierten dann weiter durch Lille wo wir viele Truppen trafen, in deren Stellungen hier bei Comines unsere Kav[allerie] eingerückt war. Es war das 13. Korps welches wie es hiess bei Arras eingesetzt werden sollte. In Lille sah man das seltene Bild „Deutsche Inf[anterie] mit Regimentsmusik“. Sonst bot sich dasselbe Bild wie am Sonntag. Über Quesnay wurde weitermarschiert nach hier. Noch in später Nacht wurden die Wagen an den Handpferden der Esk[adron] herangezogen. Die Schützen lagen in den festen und sicheren Inf[anterie] Stellungen zwischen Comines und Warneton. Ich fuhr dorthin um meinen Herren etwas zu futtern zu bringen fand natürlich nur wachende Posten und schnarchende Leute in den Unterständen. Ich wollte bis zum Tag dort bleiben musste aber um 5 Uhr mit einem Befehl zurück. Es sollte ein allgemeiner Angriff mit Beginn des Tages stattfinden und nur von jeder Esk[adron] 4 Schützen in den Stellungen bleiben. Ich ging daher zurück trank im Quartier noch einen Morgenkaffee und sammelte dann die Wagen hier bei St. Marguerite.
Die Engl[änder] sollen von Westen auf Commines vorgestossen sein und dabei in die Arme der von Norden kommenden Korps und der von Süden angreifenden Kav[allerie] Divisionen und Jäger [?] gelaufen sein. Da wir aber bisher nur schwaches Gefecht hören, glaube ich, dass sie versucht haben in der Nacht durch kurz kehrt Rettung zu machen.

Eben kam ein Telegramm (man sagt Funkenspruch) dass die Russen durch die Oestreicher u. Perser [?] Schlappen erlitten hätten und dass mehrere englische U.Boote gesunken sein sollen. Auch seien einige deutsche Torpedos verloren gegangen.

Gestern hatte ich mit der Post Vaters Brief vom 13/9 mit Kurts und Mutters Einlagen und eine Wurst v. Mutter. Da war aber ein Schlemmeressen. Kommissbrod mit Butter u. westf[älischer] Wurst.

Heute wieder 50 Cigarillos u. von Hilde ein Paketchen mit Kniewärmern, Chokolade u.s.w. Ich schreibe Ihr gleich meinen Dank. Ich hätte nicht geglaubt, dass Hilde so viel für mich übrig hätte.

Von Siveke hörte ich eben, dass Vater bei Frau S. war und dass sie sehr erfreut über den Besuch gewesen war.
Mit dem Federhalter kann man überhaupt nicht mehr schreiben. Ich ergreife daher wieder den Bleipinsel.
Ich glaube dass all die angemeldeten Sendungen jetzt eingetroffen sind u. noch eintreffen. Wenn Ihr die durch die Ersatz-Eskadron angeforderten Ausrüstungsstücke
Mantel aus Mannschaftstuch mit grossen Taschen u. Kragen matte Knöpfe
Reithose u. Waffenrock aus Mannschaftstuch starkes Futter. Feldmütze
abschickt, so bitte ich auch eine meiner langen Hosen und ein Paar Zugstiefel beizulegen.
An den armen Günter Delius muss ich immer wieder denken. Aber für uns heisst es nicht rückwärts sondern nur im „Vorwärts“ schauen und auf eine baldige Beendigung des Ringens und einen ehrenvollen Frieden zu hoffen.

Alle Augenblicke werde ich gestört und finde keine Ruhe zum Schreiben. Ich schliesse daher mit herzl. Grüssen und einem Kuss für Euch Alle

Euer Sohn Rudolf

Quelle: Feldpostbrief 75, von Rudolf Kisker

Signatur: Privatarchiv Kisker, Nr. 189