Theologiestudent Alfred Heinisch schreibt Pastor Jaeger (Bethel)

Dörenkamp bei Paderborn, 10. Nov. [1917 ?]

Lieber Herr Pastor Jaeger!

Zu meiner großen Freude erfahre ich von der hohen Ehrung, die Ihnen zuteil geworden ist [Verleihung der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Halle/Saale] und beeile mich, Ihnen meinen tiefgefühlten und herzlichen Glückwunsch darzubringen. Gern gedenke ich noch des Sommers 1914, da ich zu Ihren Füßen eingeführt wurde in die Bücher Mose, im Saale der Sozialen Schule, Stunden, die mir dann draußen im Felde und dann im Lazarett das Eindringen in das Wort erleichterten. Wie gern würde ich nochmals bei Ihnen lernen.
Aber es kam der Krieg, der uns nach jener schönen Abschiedsstunde in den letzten Julitagen 1914 auseinanderjagte. Wie viele von den lieben Kameraden sind nicht mehr. Auch mich hat Gott manch schwere Wege geführt, aber es waren Wunderwege und Gnadenwege.
Jesaja 38:16 kann ich auch bezeugen in Bezug auf die schrecklichen Tage an der Somme. Ich glaube, man zehrt und lebt von diesen Eindrücken zeit seines Lebens.
Herzlichen Dank für Ihre frdl. Karte und Einladung! Leider ist noch immer Urlaubssperre. Ich denke jede Woche ein paar Mal daran, ob es sich nicht doch ermöglichen ließe, nach B[ielefeld] zu fahren. Auch braucht mich Herr Superintendent Klingender sehr oft. Es ist mir eine herzliche Freude, ihm zu helfen. Heute Morgen habe ich im Sennelagerlazarett Gottesdienst gehalten. Heute Nachmittag habe ich in dem so ganz katholischen Paderborn zum ersten Male – ein Bibelkränzchen gehalten. Es waren 15 Gymnasiasten da. Wie herrlich ist das! Hoffentlich kann ich doch bald mal rüberfahren nach Bielefeld.
Mit herzlichem Gruß, auch an Ihre Frau Gemahlin und die lieben Kinder

Ihr getreuer Alfred Heinisch.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

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Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2 und Nr. 1281 (Zeitungsberichte Jaeger)

Ein makabres Erinnerungsstück aus dem Schützengraben

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Ein makabres Erinnerungsstück aus dem Schützengraben: Englische Feldausgabe des Lukas-Evangeliums, auf der Umschlagrückseite ein Fleck mit dem handschriftlichen Hinweis „Blut des schwerverwundeten Engländers“. (Stadtarchiv Paderborn, S 1/99/9)

Das Bändchen stammt aus dem Besitz des 1899 geborenen Paderborners Heinrich Z. Im Herbst 1916 verließ er mit dem „Einjährigen“ das Paderborner Gymnasium Theodorianum und meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. Im Mai 1917 kam der nunmehrige Musketier Z. an die Westfront zum Infanterieregiment 457, wo er an schweren Kämpfen in Nordfrankreich und Flandern teilnahm und schließlich im November 1917 schwerverwundet in britische Gefangenschaft geriet. Erst im November 1919 wurde er nach Hause entlassen.

Vom Tag seines Abrückens an die Front bis zur Rückkehr aus der Gefangenschaft pflegte er mit seiner Familie einen überaus intensiven Briefwechsel, von der Front mindestens einen Brief oder eine Karte pro Tag, aus der Gefangenschaft  zwei bis drei Briefe pro Woche. Sie sind im Stadtarchiv Paderborn weitestgehend erhalten. Ergänzt werden sie durch eine mit allerlei Erinnerungsstücken angereicherte Niederschrift zur Familiengeschichte, die Z. 1938 für seinen kleinen Sohn fertigte und worin er u. a. auch über seine Kriegserlebnisse berichtete.

Zu den Erinnerungsstücken gehört das hier gezeigte blutbefleckte Lukasevangelium, zu dem er schreibt, er habe es von einem durch eine deutsche Handgranate schwerverwundeten Engländer geschenkt bekommen als Dank für die gute Behandlung. Z. und seine Kameraden hätten den Engländer geborgen und seine Wunden versorgt, doch sei er kurz darauf gestorben. So die Darstellung von 1938.

Erhalten hat sich aber nicht nur das kleine Heft, sondern auch die Inhaltsliste des Päckchens, worin Z. es – zusammen mit anderen Dingen – 1917 von der Front nach Hause schickte. Und da heißt es: „1 Gebetbuch, das ich einem mir damals zum Opfer gefallenen Tommy abnahm.“ Ob Tatsache oder Aufschneiderei muss offen bleiben.

(Rolf-Dietrich Müller, Stadtarchiv Paderborn)

Signatur: Stadtarchiv Paderborn, S 1/99/9

Tagebuch Hermann Bornemann, 13.8.1914

Paderborn, den 13. August 1914
4 ½ bis 6 ½ Pferdepflege und Stalldienst. 7 Uhr alles feldmarschmäßig auf dem Parkplatz. Dort wurde bekannt gegeben, daß wir heute Nachmittag in zwei Transporten verladen würden. Unt[ero]ff[i]z[ier] Landwehr, Weinberg und ich ließen uns dann noch bei Ophofen [?] zu Pferde fotografieren. Auch bewirteten uns unsere Quartierleute noch tadellos. 3 Uhr stand die Kol[onne] feldmarschmäßig am Bahnhof zum Verladen bereit. Um 7 Uhr war [Seite 8] der erste Transport verladen. Diesen führte der K[omman]d[eu]r selbst. Auch ich fuhr damit im Wagen des Transportführers. 8:15 Abfahrt; am Bahnhof standen viele Leute, welche uns zuwinkten und Rauchmaterial verteilten. In Geseke gab es schon wieder Butterbrote, in Lippstadt eine Stunde Aufenthalt; es gab warmes Essen. Viele junge Mädchen waren am Bahnhof, einige junge Kameraden schäkerten mit denselben und trieben allerhand Unsinn. Weiter über Hamm nach Dortmund, um 2 Uhr Nachts sind wir hier. Kurzer Aufenthalt. Es gibt Wurst, Kaffee und Brot. Ein Riesenbetrieb allerorts.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Tagebuch Hermann Bornemann, 12.8.1914

Paderborn, den 12. August 1914
4 ½ bis 7 Stalldienst. 8 bis 1 Arbeitsdienst auf dem Parkplatz. 1 bis 3 Ruhe. Auch heute meint es die Sonne wieder gut. Lüttich ist schon gefallen. Einen Zug mit Gefangenen sehen wir uns am Bahnhof an. Welch‘ bunte Gestalten! 2 bis 3 ½ Pferdepflege, 4 Pferdeappell, 6 bis 7 Unterricht. 7 Uhr Instruktion im Geschäftszimmer für die Unt[ero]ff[i]z[iere] über den Abmarsch. Anscheinend geht es nun auch für uns bald los und ernste Zeiten werden noch kommen.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Tagebuch Hermann Bornemann, 11.8.1914

Paderborn, den 11. August 1914
4 ½ bis 6 ½ Stalldienst. 7 ½ Appell mit sämtlichen Waffen auf dem Parkplatz. Es ist recht heiß. Die Anwohner erquicken uns mit Wasser und Kaffee. [Seite 7]
Beim Proviantamt werden die Wagen beladen. Jeder erhält 24 Zentner; fast nur Futter und Lebensmittel. Traf heute abend Herrn Postassistent Göke, ehemals mit mir in Sennelager. Freuten uns beide. 8 bis 8 ½ Unterricht über Waffen. Ging mit Unt[ero]ff[i]z[ier] Landwehr in mein Quartier in der Brauerstr. Wurden gut verpflegt. Ich war noch nicht hier gewesen.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Tagebuch Hermann Bornemann, 10.8.1914

Paderborn, Montag den 10. August 1914
5 bis 7 Pferde, Geschirre und Sattelzeug putzen. 9 Uhr anspannen zur Übungsfahrt. Wir haben durchweg schwere Gespanne und alle in einem tadellosen Futterzustande. Auf der Straße wurde kehrt machen geübt, welches auch ganz leidlich klappte. ½ 1 zurück. 2 ½ bis 3 ½ Stalldienst. Einj[ähriger] Unt[ero]ff[i]z[ier] Weinberg, welcher bei uns lag, spendierte einen Kasten Bier; bei dieser Hitze eine Wohltat. 4 ½ bis 6 Gefecht zu Fuß. Wir sind alle mit Kar[abiner]  88 ausgerüstet, die Mannschaften mit Seitengewehren, ein Teil und die Unt[ero]ff[i]z[iere] [mit] Korbsäbeln. 6 ½ bis 7 ½ Unterricht über das Verladen bei Bahntransporten. 7 ½ Parole-Ausgabe, dazu sämtlich Unt[ero]ff[i]z[iere] beim K[omman]d[eu]r. Ich schlafe nun in der Nähe der Pferde bei Algermissen, Nordstr. 12. Der Herr hatte mir freundlichst ein Bett zur Verfügung gestellt, war ein ehemaliger Trompeter des 8. Husaren. Löhnungsappell, 13,65 M[ar]k.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Tagebuch Hermann Bornemann, 9.8.1914

Detmold, den 9. August 1914, Sonntag
12½ wurde abmarschiert. Ich reite beim K[omman]d[eu]r an der Spitze der Kol[onne]. Es ist ein langer Heerwurm, 48 Wagen zum Beladen und der Ergänzungszug mit 5 Wagen. Wunderbare Fahrt durch den Teutoburger Wald, zwischen den Externsteinen durch; welche kollosale Waldungen! Dann durch Horn, Schlangen, Kohlstädt. In Schlangen verloren schon ein Pferd; es ging an Kolik ein und wurde der Kadaver dem Gemeindevorsteher übergeben. Ein Veterinär Bollmann ist auch bei der Kol. Um 11 Uhr waren wir in Paderborn, nachdem auch Bad Lippspringe von uns passiert war. Die Wagen wurden auf einer Wiese aufgefahren, sektionsweise, je 8 Stück in einer Front. Es ist nun schon ein schönes Bild, da auf jedem Wagen ein neuer weißer Plan ist, welcher über etliche Spriegel gespannt wird. Hier in  Paderborn war ein riesiger Menschenverkehr, da grad der Gottesdienst beendet war. Ich liege an der Detmolder Straße auf einem Gehöft Wiedekind, die Pferde stehen in einer Scheune. In Quartier bin ich Brauerstr. 7 bei [Seite 6] Müller. Vom Parkplatz bis zu den Pferden sind 35 Minuten zu gehen; deshalb schlafe ich bei denselben. Die Leute sind alle sehr nett und freundlich. Bin sehr müde und lege mich bald schlafen. Auch heute war es sehr heißt und viel Staub auf den Straßen.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Foto „Überlandflug nach Serbien“, Manöver in Senne, 26.7.1914

001_0002Atelier-Fotografie vom Truppenübungsplatz Senne, 26. Juli 1914 (Foto: Kreisarchiv Paderborn)

„Wer wir wir fidel gewest,
Für den ist die Senne
das schönste Nest.“

„26/7.14
Überlandflug
nach Serbien“

Brennt noch so heiß
der Sennestrand,
Nichts trennet unser
Freundschaftsband.“

Der in den 1890er Jahren errichtete Truppenübungsplatz in der Senne bei Paderborn stellte an die Soldaten „höchste Ansprüche“ und war entsprechend gefürchtet. Viele ließen sich am Ende der Manöverzeit fotografieren. Ein offenbar florierender Markt, denn es gab mehrere Fotografen in Sennelager. Am 26. Juli 1914 stellte der Fotograf W. Metze diese Abbildung mit den drei „fliegenden“ Soldaten her. Zu den Requisiten gehörte auch das Schild „Überlandflug nach Serbien“, Indiz für propagandistisch gesteuerte Kriegsbegeisterung.

Bereits am Tag darauf erhielten alle in der Senne übenden Truppen den Befehl, wegen „drohender Kriegsgefahr“ den Übungsplatz zu verlassen und in die Heimatstandorte zurückzukehren. Einer der drei abgebildeten Soldaten schickte das Erinnerungsfoto am 29. Juli seiner Schwester und ihrem Mann nach Solingen: „teile Euch eben mit, daß wir diese Nacht abgerückt sind aus der Senne, es ist sehr schlimm gestellt.“ Von kriegerischer Begeisterung also keine Spur.

(Wilhelm Grabe, Kreisarchiv Paderborn)