August Tappe im Ersten Weltkrieg. Wie Militär und Kriege eine Schwarzenmoorer Familie erschütterten

Tappe Militärpass 1

Militärpass von August Tappe

Militärpaß
des
Gefreiten d[er] R[eserve] (gestrichen: Grenadiers)
Heinrich
August Tappe
5. Garde-Regiment zu Fuß
6. Kompagnie
Jahresklasse: 1910

16.12.1918 Reservist August Tappe wurde infolge Mobil-
machung am 6.8.1914 bei nebenstehendem Truppenteil
eingestellt und gehörte der Komp[anie] bis 16.12.1918 an.
Gemäß Demobilmachungsbestimmungen am 16.12.
1918 nach Schwarzenmoor Kreis Herford entlassen.

Beförderungen: Am 27.1.1915 zum überz[ähligen] Gefreiten ernannt
Am 21.2.1915 zum et[at]mä[ßigen] Gefreiten ernannt.

Auszeichnungen: Am 31.3.1917 E[isernes] K[reuz] II. Kl[asse]

[Darunter gedruckte und handschriftliche Liste der mitgemachten Gefechte.]

Tappe Militärpass 7

Militärpass von August Tappe, Titel und Liste der Schlachten

Tappe Militärpass 7a

Militärpass von August Tappe, Titel und Liste der Schlachten

„Die Aussichten über den Ausgang des Krieges sind doch schlecht augenblicklich wohl schlechter, wie während des ganzen Krieges. Nun mag das Ende dieses Krieges doch nicht mehr allzufern sein. Wo Bulgarien nun abgefallen ist, muß die Türkei doch auch Schluß machen. Österreich macht auch gleich mit und dann ist Deutschland gezwungen, wenn es nicht alle Männer opfern will, das es auch Frieden macht.“

So hellsichtig schrieb August Tappe aus Schwarzenmoor bei Herford am 3. Oktober 1918 „aus dem Felde“. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon über vier Jahre Krieg er- und überlebt. Sein Feldpostbrief an die Familie wird am Ende noch drastischer: „Wir dachten jetzt mal ein par Tage in Ruhe zu kommen, aber da ist jetzt keine Zeit mehr zu. Die Truppen werden alle gebraucht. Überall greift der Feind an, es ist traurig das die Zeitungen in Deutschland so viel Blödsinn schreiben. Hätten sie sich beizeiten gemäßigt dann könnten wir schon längst Frieden haben. Aber das ist Schuld der Alldeutschen und des Junkertums.“

Auch ein „einfacher“ Soldat aus Herford, weit weg von der Heimat konnte also genaue Beurteilungen über Kriegspropaganda und –schuld abgeben. Die meisten Feldpostkarten und –briefe sind weit harmloser, meist berichten die Soldaten nur über erhaltene Pakete, Truppenverlegungen und Lazarettaufenthalte, die wahren Kriegserlebnisse bleiben außen vor. Standard sind Formulierungen wie „Mir geht es noch gut.“

August Tappe, geboren 1890 in Schwarzenmoor und dort auch 1974 verstorben, war in dritter Generation Schuhmacher und betrieb nebenbei etwas Landwirtschaft auf seinem kleinen Hof in der Nähe der Vlothoer Straße.

Er war ein stattlicher Mann, 173 Zentimeter groß, und kam daher nach seiner Musterung auf Stiftberg zum 5. Garderegiment zu Fuß nach Berlin-Spandau. Dort leistete er vom 11. Oktober 1910 bis 23. September 1912 seine Militärausbildung und musste er kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs wieder erscheinen. Ab 6. August 1914 war er im Krieg und wurde am 16. Dezember 1918 wieder nach hause entlassen.

Sein überlieferter Militärpass beschreibt, was er miterlebte. Er war unter anderem im August 1914 bei der Einnahme von Namur (Belgien) dabei, Anfang September war er in der Schlacht an der Alle (auf dem Weg nach Russland), bei Gefechten bei Jendrzewo, Kielce, Opatow, im Oktober bei der Schlacht bei Iwangorod, im November /Dezember bei der Schlacht um Lodz, im Februar 1915 bei der Winterschlacht in Masuren und im September 1915 in der Schlacht bei Wilna.

Im Oktober 1915 ging es zurück nach Frankreich. Bis Juni 1916 war er in Stellungskämpfen in Flandern und im Artois und von Juli bis September 1916 bei der Schlacht an der Somme. Es folgten Stellungskämpfe dort bis März 1917, dann die Schlacht bei Arras, Stellungskämpfe im Artois und das Gefecht bei Lens. Im September/Oktober 1917 war er in der Schlacht in Flandern, es folgten die Kämpfe in der „Siegfriedstellung“ bis März 1918, dann die „Große Schlacht“ in Frankreich bis zum April 1918. Einer kurze Ruhepause hinter der Front im Mai 1918 folgten weitere Schlachten bei Noyon, Stellungskämpfe in Lothringen, bei Soissons und Reims, dann die Marneschlacht im August/September 1918 und weitere Kämpfe vor der Siegfriedstellung. Seine Soldatenzeit endete mit Rückzugskämpfen, der Räumung der besetzten Gebiete und der Rückkehr nach Spandau.

Er blieb „nur“ Gefreiter, also einfacher Soldat, hatte keine Verletzungen erlitten und bekam am 31. März 1917 das Eiserne Kreuz II. Klasse. Bilder zeigen ihn mit Schuhmacherwerkzeug auch im Krieg. Am 10. Dezember 1934 erhielt er das von Adolf Hitler eingeführte „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“.

Den hellsichtigen Feldpostbrief schrieb er am 3. Oktober 1918 während der Stellungskämpfe an der Vesle. Seine Briefe und Feldpostkarten bekamen sein Vater Schuhmachermeister Ernst Tappe, seine Schwester Paula und seine Verlobte Marie Müller am Altensennerweg: „Liebe Marie, Bin eben in der neuen Heimat angekommen und habe soeben ein Brieflein von Dir erhalten, wofür ich herzlich danke. Habe in den letzten tagen nicht schreiben können. Grund im Brief. Geht mir aber noch sehr gut. Morgen mehr. Mit Herzlichem Gruß August,“ lautet der Text auf einer Karte aus Cambrai vom 30. April 1918.

Sein Sohn hütet den Wehrpass, die Orden und die Briefe noch heute wie einen Schatz, die Erinnerung an den Vater ist sehr lebendig und geht ihm heute noch nahe, was auch mit der weiteren Familiengeschichte zusammenhängt. Denn von drei Söhnen, die August Tappe mit seiner Marie nach dem Ersten Weltkrieg bekam, lebt nur noch er.

Sohn Friedrich Tappe fiel im Zweiten Weltkrieg am 10. November 1943 in Russland, Sohn Wilhelm Tappe starb früh 1971 an Nachwirkungen seiner Verletzungen im Krieg. Auch August Tappe sollte noch mal in den zweiten Weltkrieg. Die Jahrgänge bis 1889 zurück wurden 1943 gemustert. Am 5. November, also wenige Tage, bevor sein Sohn in Russland das Leben verlor, wurde auch August Tappe als „kriegsverwendungsfähig“ für den „Landsturm 1 A“ eingestuft. In den aktiven Einsatz kam er nicht mehr. Auch sein jüngster Sohn, mit Geburtsjahr 1928 eigentlich noch ein „wehrfähiger“ Jahrgang, blieb verschont.

Eigentlich eine ganz normale Familie, die aber durch die Weltenbrände im 20. Jahrhundert tief erschüttert und geprägt wurde.

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Tappe Feldpostbrief 1918 1

Feldpost
An Herrn Ernst Tappe
Schuhmachermeister
Schwarzenmoor Nr. 105
Post Herford Westfalen

[1]
Im Felde, den 3.10.18

Lieber Vater!

Endlich kann ich Euch auch wieder
ein Brieflein schreiben und ich
hoffe, das es Euch bei bestem
Wohlsein antrifft. Auch mir geht es
noch gut. Haben nun einige Tage
wieder gutes Wetter. Nun zur
Antwort auf Euren Brief. Wie ich schon
im Kartenbrief schrieb: Könt Ihr die
Sache mit dem Gelde ruhen lassen. Doch
wenn Ihr Friedrich noch nichts davon gesagt
habt, denn man weiß noch nicht, wie
noch alles kommen mag: Die Aussichten über den
Ausgang des Krieges sind doch schlecht
augenblicklich wohl schlechter, wie während
des ganzen Krieges. Nun mag das Ende
dieses Krieges doch nicht mehr alzufern sein

[2]
wo Bulgarien nun abgefallen ist, muß
die Türkei doch auch Schluß machen. Öster-
reich macht auch gleich mit und dann ist
Deutschland gezwungen, wenn es nicht
alle Männer opfern will, das es auch Frie-
den macht. Was uns da für Bedingun-
gen aufgelegt werden, das lässt sich noch
nicht ersehen. Aber jeden fals werden wir
mit dem Maß gemessen, wo unsere
Staatsmänner mit messen wollten.
Aber es ist alles gleich, wenn nur dies
Elend aufhört, dann wollen wir zu-
frieden sein. Das Junkertum wird dan
schon von selbst gestürzt werden.
Bei Euch geht die Arbeit ja immer
so mit der Zeit weiter, es freut
mich, das Ihr alles noch so schaffen könnt.
Na nun wird Paula ja auch wieder alle
Hände voll zu tun haben. Kommt Ihr
denn auch wohl aus mit den 63. ltrn. pro

[3]
Morgen? Na wir verzichten hier schon
freiwillig auf Kartoffeln, da wir
doch keine kriegen!!! Oder erst wenn
die verfroren sind. Ich verstehe nur
nicht das Ida jetzt sein Haus verkaufen
will. Wenn ich dort währe und hätte
mir diese Jahre schon etwas verdienen
können würde ich es tatsächlich kaufen
denn das ist nun noch das einzige, wo das
Geld sicher steht, was soll man sonst mit den
alten Papierlappen. Ich verstehe nicht
das Ihr Euch noch so in Sicherheit fühlt
in Deutschland. Nun hoffentlich erfüllen
sich die Geschicke schneller wie der Verkauf.
Allerdings nach dem Kriege kriegt sie ja
nicht den hohen Preis wie jetzt, aber Ihr
Geld steht so doch sicher. Sie muß es
aber ja wissen. Nun ist es schon
wieder Oktober, wie die Zeit doch

[4]
hingeht. Wir dachten jetzt mal ein
par Tage in Ruhe zu kommen, aber
da ist jetzt keine Zeit mehr zu. Die
Truppen werden alle gebraucht. Überall
greift der Feind an, es ist traurig
das die Zeitungen in Deutschland
so viele Blödsinn schreiben, hätten
sie sich beizeiten gemäßigt dann könn-
ten wir schon längst Frieden haben.
Aber das ist Schuld der Alldeutschen und
des Junkertums. Für uns wird es auch
immer schlechter als Handwerker in der
Companie, es kann bald die Zeit kommen
wo wir auch in der Front sind. Nun
will ich schließen. Mit den herzlichsten
Grüßen auch an Paula bleibe ich

Euer August

Schreibt bald wieder
Paket Nr. 2 erhalten, besten Dank

Tappe Feldpostbrief 1918 2

Feldpostbrief von August Tappe vom 3. Oktober 1918

Tappe August und Marie

Foto August und Marie Müller, später Tappe

Tappe August Tappe 1914 18 5

August Tappe als Schuster im Krieg, 18. Mai 1914

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E 453

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 2.6.1918

Vor 40 Jahren das Attentat auf den alten Kaiser. Gottesdienst in Bieren. 5 Mose 6,4-13. Das I. Gebot. Ich werde von Buntemöllers mit einem Wagen nach dem Gottesdienste durch den Russen (Deutsch-Russe, katholisch aus Südsibirien) abgeholt. Nach dem Ausruhen & Kaffeetrinken: Jungfr[auen-]Verein in d[er] Schule Joh[anne]s 14,12-20. „In einer Nacht“. Erzählung der Schw[ester] A. in der Schenlz.[?]hütte von ihrem Kriegserleben im deutschen Krankenhause in London. – Ich besuche noch Fr[au] Niederbröker in Stkhf [?] welche ihren Mann im Lager „Wernerslust“ (Waschanstalt) durch Granatsplitter verloren hat, 8 Kinder!! Nach Tisch vergeblich bei Kantors auf der Wehme angeklopft. Ferienwoche.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 204/02.06.1918

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Russische Bauernstube, Feldpost, 4.5.1917

P1100475

Postkarte mit der Motivbezeichnung „Russische Bauernstube“

P1100476

Fussartillerie-Bat[ai]l[lon] Nr. 31
2. Batteriekolonne

Feldpost 5.5.[19]17
Familie
Philipp Mergard
& Emma Lütgebaucks
Hamm i. Westfalen
Steinstraße 18a

Rußland d[en] 4. Mai 1917

Meine lieben Schwesterchen mit Kinder
Habe mich sehr gefreut über Euer
Kärtchen mit den Segenswünschen zu
meinem Geburtstag und danke Euch
recht herzlich dafür. Sende Euch als Anden_
ken eine Ansicht von einer Bauernstube
Küche u[nd] Schlafstube alles in einem. Es geht
mir dank Gottes Güte noch recht gut. Mit
herzlichen Grüßen an Euch und allen Lieben
daheim Euer Heinrich

Quelle: Private Fotosammlung Martin Hülsenbeck (Bielefeld), Album 3 [P1100475 und P1100476]

Anti-Kriegsstimmung im Jahr 1916 und behördliches Einschreiten

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Schreiben des Magistrats der Stadt Lage an die Fürstliche Regierung zu Detmold vom 9. 9.1916 (Signatur: LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026)

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Beschlagnahmte Bittschrift des SPD-Vorstandes (Berlin) mit Namen und Adressen der Bittsteller (Signatur: LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026)

Transkript des Petitionstextes:

Herausgegeben vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Berlin SW, 68, Lindenstraße 3

Petition an Se. Exzellenz den Herrn Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg.

Die Unterzeichneten fordern, daß dem Krieg, der seit mehr als zwei Jahren Europa verwüstet und allen beteiligten Ländern ungeheure Opfer an Gut und Blut auferlegt, so bald als möglich ein Ende bereitet wird. Unter Ablehnung aller Eroberungspläne, die nicht nur den Krieg verlängern, sondern auch den Keim zu neuen Kriegen in sich tragen, fordern die Unterzeichneten von den Verbündeten Regierungen, daß sie sich zum Abschluß eines Friedens bereit erklären, der dem Reiche
1. seine politische Unabhängigkeit,
2. seine territoriale Unversehrtheit,
3. seine wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit gewährleistet.

Signatur: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Ostwestfalen-Lippe (LAV NRW OWL) L 79 Nr. 7026
Amtliches Schreiben aus dem Bestand Regierungsakten LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026 (Lippische Regierung, Jüngere Registratur) sowie Petition des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an Reichskanzler von Bethmann-Hollweg vom September 1916. Beschlagnahmte Bittschrift des SPD-Vorstandes (Berlin) mit Namen und Adressen der Bittsteller, ebenfalls aus dem Bestand Regierungsakten LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026.

Das Schreiben des Magistrats der Stadt Lage im Format DIN A 5 beschreibt die Beschlagnahmung einer – nach Darstellung des Magistrats – durch die SPD der Stadt Lage in Umlauf gebrachte Friedenspetition und überreicht insgesamt 7 einzelne Listen im Original an die Fürstliche Regierung. Somit ist davon auszugehen, dass in Lage allein an mindestens 7 Stellen diese Petition ausgelegen haben muss, oder sie auf andere Weise ihrem Adressatenkreis zugänglich gemacht worden ist. Das Schreiben trägt den Eingangsstempel der Fürstlichen Regierung vom 12.9.1916 sowie verschiedene zeitgenössische handschriftliche Vermerke der Bearbeitenden.

Die Friedenspetition trägt in der linken oberen Ecke die Adresse des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und nennt als Ziele der Petition das möglichst baldige Ende des Krieges und die Aufgabe aller Eroberungspläne unter den Bedingungen der politischen Unabhängigkeit des Deutschen Reiches, seines territorialen Fortbestandes und seiner wirtschaftlichen „Entwicklungsfreiheit“. Es folgt eine Tabelle, die den Eintrag der Namen, Berufe und Adressen der Unterzeichnenden vorsieht und die ausgefüllt vorliegt. Insgesamt beläuft sich die in der Akte überlieferte Liste der Unterzeichner auf 14 DIN A 4 Seiten mit 137 namentlich genannten Personen. Außer des hier gezeigten Exemplars mit insgesamt 15 Unterzeichnern befinden sich weitere 6 in der Akte.

Die vorliegende Unterschriftenliste ist im Zusammenhang mit der Forderung einer Friedensinitiative des Parteivorstandes der SPD zu sehen, der am 11. August 1916 zu einer Unterschriftensammlung für eine Petition aufrief, die sich gegen die Propaganda der Annexionisten wendete. Die Kriegsziele eines Eroberungskrieges, wie er von den Annexionisten vertreten wurde, waren inzwischen allgemein bekannt. Dies stand gegen die Darstellung des Krieges als ein Verteidigungskrieg gegen die russische Monarchie, die es 1914 möglich gemacht hatte, die Politik des Burgfriedens und die Gewährung der Kriegskredite auf Seiten der SPD durchzusetzen. Allerdings gingen maßgebliche Teile die SPD weiter grundsätzlich vom Führen eines Verteidigungskrieges aus, was in der Rechtfertigung der Politik seit dem 4. August 1914 durch Verabschiedung des Manifestes „Zur Friedensfrage“, das am 23.9.1916 verabschiedet wurde, deutlich wird. Das Manifest wurde mit einer Mehrheit von 251 angenommen. Es gab nur 5 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen. Die Petition wurde, versehen mit 899.149 Unterschriften, am 16. Dezember 1916 dem Reichskanzler zugestellt.

Nach zeitgenössischen Berichten aus Bad Salzuflen – einem Schreiben des Magistrats an die Fürstlich-Lippische Regierung und das Stellvertretende Generalkommando in Münster – wurde die Petition in Bad Salzuflen über den dortigen Konsumverein verbreitet. Es wurde weiter berichtet, dass auch in anderen Städten „diese Schriftstücke“ auslägen. Das Stellvertretende Generalkommando in Münster berichtete in einem Schreiben vom 7. September 1916, dass die „Petitionen der sozialdemokratischen Partei“ durch Zeitungsboten verbreitet werde und diese auch Unterschriften sammelten. Es verfügte die Beschlagnahmung. Das Verbot war bereits mit Schreiben vom 16. August durch das Stellvertretende Generalkommando ausgesprochen worden mit der Anweisung: „Etwa auftauchende Schriftstücke sind zu beschlagnahmen und in polizeiliche Verwahrung zu nehmen“. Ein weiteres Schreiben des Stellvertretenden Generalkommandos vom 18. August 1916 weist auf einen weiteren Verbreitungsweg hin, der offensichtlich von den Verbreitern der Petition genutzt wurde, nämlich das Auslegen in Gaststätten. Man wollte auf staatlicher und militärischer Seite aber offenkundig eine Verhärtung der Positionen verhindern, denn das Schreiben des Stellvertretenden Generalkommandos weist ausdrücklich darauf hin, dass Maßnahmen wie Verhaftungen und Haussuchungen zu vermeiden seien.

Im bereits genannten Schreiben des Magistrates der Stadt Bad Salzuflen heißt es: „Wir halten das Verfahren [Anm. der Verfasserin: Auslegen einer Petition für den Frieden] für bedenklich und dem vaterländischen Interesse widersprechend, da man möglicherweise nachher die Feststellung machen wird, daß Millionen von Deutschen unter allen Umständen den Frieden wollen und daß diese Feststellung vom Auslande unter Entstellung der Tatsachen ausgebeutet wird.“

1916 war ein Jahr der schwierigen Nahrungsmittelversorgung, der zunehmenden Kriegsmüdigkeit und auch der vermehrten Streikbereitschaft. Im Sommer fanden Demonstrationen gegen Lebensmittelknappheit und den Krieg statt. Das Jahr 1916 war ebenfalls das Jahr der Verabschiedung des Gesetzes über den Vaterländischen Hilfsdienst (5.12.1916) und der Friedenspetition des Deutschen Reichstages (12.12.1916), die von den alliierten Mächte als unannehmbar abgelehnt wurde (30.12.1916). Die SPD schwankte zwischen dem Hoffen auf eine Wahlrechtsreform nach Kriegsende, der positiven Bewertung der staatlichen Intervention in wirtschaftlichen Fragen als einer Art „Kriegssozialismus“ und der Erfahrung einer wirtschaftlichen Verelendung vieler durch die Folgen der Kriegswirtschaft und der Militarisierung. Sie forderte immer wieder Interventionen des Staates zur Sicherung der Versorgung aller. Die Spaltung der Linken hatte begonnen. Die Spartakusgruppe sah die „Petition für den Frieden“ denn auch eher als  „Eine Petition gegen den Frieden“ an. Insgesamt habe eine Friedenspetition, die an den Reichkanzler gerichtet sei, keine Chance, da sie aufgrund der Politik der Regierung unberücksichtigt bleiben müsse, heißt es in einem ihrer Flugblätter. Die Regierungshaltung wird darin als eine Politik mit imperialistischer Ausrichtung eingestuft. Dementgegen gehe die Petition weiter von einem Verteidigungskrieg aus, was nicht den Realitäten entspreche.

Die oben beschriebene Kriegsmüdigkeit erklärt sich neben der schlechten Nahrungsmittelversorgung aus der Situation an der Front. Dort fand die deutsche Offensive um einen Durchbruch an der französischen Front statt; die „Blutmühle“ von Verdun wurde sprichwörtlich. Es handelte sich um einen zähen Stellungskrieg, dessen Opfer sich in acht Monaten auf deutscher Seite auf 336.000 und auf französischer auf 365.000 beliefen. Zur Entlastung der Alliierten begann die britische Armee zudem ihren Angriff an der Somme und die russische Armee ging mit der Brusilov-Offensive gegen die österreichisch-ungarische Seite vor. Die prekäre Situation führte zur Absetzung Erich von Falkenhayns, der von Hindenburg und Ludendorff als Vertreter eines Siegfriedens und der Expansion abgelöst wurde.

Bearbeitung: Heike Fiedler M.A., Archivpädagogin, mit Unterstützung von Dr. Hermann Niebuhr, Landesarchiv NRW Abteilung OWL

Link zum Angebot des Archivpädagogischen Dienstes der Abteilung Ostwestfalen-Lippe in Detmold

Weiterführende Literatur/ Internetquellen:

Der Soldat und Flieger Rudolf Kisker (1889-1916) aus Bielefeld

kisker1913

Rudolf Kisker (1889-1916), Foto ca. 1913, Privatarchiv Familie Kisker, Nr. 7

Rudolf Kisker wurde am 9.11. 1889 in Bielefeld als zweitältestes Kind des Webereifabrikanten Georg Kisker und seiner Frau Marie geboren. Im Jahr 1896 wurde er in die Vorschule zum Gymnasium und Realgymnasium in Bielefeld aufgenommen, die er bis 1899 besuchte. Nach bestandener Aufnahmeprüfung für die Sexta der weiterführenden Schule ging er bis zum Herbst 1900 auf das Gymnasium und Realgymnasium seiner Heimatstadt. Georg Kisker zufolge war sein Sohn ein „schwieriger, bockiger Junge, aber ehrlich, furchtlos und treu“ (Fi. AWK, 334). Dementsprechend schwer tat sich Rudolf Kisker mit der Schule.

Zur besseren Förderung schickten ihn seine Eltern deshalb nach Godesberg auf das evangelische Pädagogium, wo er in die Sexta aufgenommen wurde. 1906 bestand er dort die Prüfung zum Einjährig-Freiwilligendienst und kehrte anschließend – im Alter von 16 Jahren – nach Bielefeld zurück. Hier besuchte er die Obersekunda und Unterprima der städtischen Oberrealschule zu Bielefeld, wurde jedoch in der Unterprima nicht versetzt. Sein Vater gab daraufhin seiner Bitte nach, die Schule verlassen zu dürfen. Seine nächste Station war die Deutsche Kolonialschule in Witzenhausen, denn er strebte eine Kolonialtätigkeit als Farmer oder Pflanzer in Südwest-Afrika an. Nachdem er ein Praktikantenjahr absolviert hatte musste er die Kolonialschule jedoch aufgrund eines Schulverweises wieder verlassen.

Kiskers beruflichen Pläne richteten sich nun darauf, Landwirt in Deutschland zu werden. In den folgenden Jahren widmete er sich erfolgreich seiner landwirtschaftlichen Ausbildung in Theorie und Praxis und leistete zudem seine einjährige Dienstzeit und erste Übungen bei den Jägern zu Pferde in Erfurt ab. Nachdem er einige Monate die Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin besucht hatte, erreichte ihn dort Ende Juli 1914 der Einberufungsbefehl: Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.

Rudolf Kisker wurde zum Kürassier-Regiment von Driesen nach Münster beordert, mit dem er sofort nach der Mobilmachung als Vizewachtmeister bei der Bagage, die für das Gepäck zuständig war, in Belgien einrückte. Er war beim Vormarsch des rechten Flügels bis kurz vor Paris und dem anschließenden Rückzug nach Norden dabei. Er erhielt dann ein Kommando bei einem Infanterie-Regiment, das in Polen gegen die Russen kämpfte. Hier erkrankte er nach nur wenigen Tagen an einer schweren Bronchitis und wurde in ein heimatliches Lazarett geschickt. Wieder zurück bei den Erfurter Jägern, wurde er Ausbildungsoffizier bei der Ersatzschwadron.

Seine Pläne richteten sich in der Folgezeit darauf, Flieger zu werden, was ihm auch gelang: Zur Fliegertruppe versetzt und in Leipzig ausgebildet, wurde er im Oktober 1915 an die Front nach Belgien befohlen, wo er vor allem im Fliegerlager von Menin bei Courtrai als Aufklärungsflieger tätig war. Nur wenige Wochen nach einem Heimaturlaub in Bielefeld wurde Rudolf Kiskers Flugzeug am 29. Juli 1916 im Luftkampf durch ein englisches Geschwader über Zandvorde bei Ypern abgeschossen. Mit ihm starb sein Beobachter Leutnant vom Holtz. Nach der Überführung der Leichen wurde Rudolf Kisker am 4. August 1916 auf dem Bielefelder Sennefriedhof beigesetzt.

kiskerrudolf_grabstein

Der Grabstein Rudolf Kiskers auf dem Sennefriedhof (Foto: E.-M. Hartmann)

(Eva-Maria Hartmann, Privatarchiv Familie Kisker, Bielefeld)

Foto: Rudolf Kisker in Uniform mit Pickelhaube, aufgenommen 1913 (oder 1914) in Erfurt bei den Jägern zu Pferde (in Erfurt: Ableistung der einjährigen Dienstzeit und erster Übungen)

Signatur: Privatarchiv Familie Kisker, Nr. 7 (Foto); Firmenarchiv A.W. Kisker, Nr. 334

Brief des Malers Peter August Böckstiegel an Hanna Müller, 20. November 1915 (Auszug)

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Im Januar 1915 wurde der Künstler Peter August Böckstiegel aus Werther als Landsturmmann zum Kriegsdienst einberufen. Er erhielt im schlesischen Märzdorf seine militärische Ausbildung, anschließend wurde er zwischen 1916 und 1918 in Russland, Rumänien und der Ukraine eingesetzt. Erst im März 1919 kehrte er mit einem englischen Truppentransport aus der Ukraine nach Deutschland zurück. Aus Märzdorf gratuliert er am 20. November 1915 seiner späteren Ehefrau Hanna Müller zu ihrem 21. Geburtstag. Die obere Hälfte des Briefbogens enthält die Tuschezeichnung einer Dorfstraße. In dem kleinen ersten Haus auf der linken Seite wohnte Böckstiegel während seiner Militärausbildung in Märzdorf.

Transkription:

„Meine liebe gute Hanna! Es ist Sonnabend, mache alles in Ordnung in meiner Schlafstube. Diese Worte werden dir am Tage deines Geburtstages antreffen. Hanna, verlebe ihn recht freudig. Das kann ich dir nur wünschen, hoffent[lich] können wir den nächsten zusammen begehen, ich dir zur Seite stehen. Könnte ich dir einen Kuß an diesem Tage geben, nur mit Worten versuche ich es dir recht leicht zu gestalten. Hanna, 21 Jahre wirst du nun, als selbstständiges Wesen stehest du nun da. Siehe keinen Blumenstrauß kann ich dir überbringen, hier im Dorfe ist nichts Blühendes, lauter Dreck. Ach wie schön wird es erst sein, wenn wir in unserem Heim ganz aneinander gekettet solche Tage begehen können mit Freud und Leid. Hanna, die kleine Fiegur ist vom Kammerad Büttner, wovon ich dir schon schrieb, die Äpfel habe ich hier aus dem Dorfe, an Süßigkeiten konnte ich nur diese Tafel Schokolade auftreiben hier im Dorfe. Laß es dir recht gut schmecken meine kleine Gabe. […]“

(Ralf Othengrafen, Kreisarchiv Gütersloh)

Signatur: Kreisarchiv Gütersloh, C 01/1-001/2/163

Aus dem Tagebuch von Hedwig Stegemann, Herford, 26.8.1915

Am 26. August [1915] habe ich im Lazarett mächtig geschuftet. Das Apfelmus musste nämlich 3 Stunden gerührt werden. Schade, daß die Soldaten nicht mehr helfen dürfen, aber es darf keiner mehr in die Küche kommen.

Als wir gerade beim Kaffeetisch saßen, läuteten die Glocken: Brest Litowk war gefallen. Abends war ich noch bis ½ 11 Uhr auf dem alten Markte zur Siegesfeier. Als ich bei Beiners das Extra-Blatt las, kam der verlorene Sohn um die Ecke gefegt, natürlich von Salzuflen.

Quelle: Das Tagebuch der Hedwig Stegemann aus Herford im Ersten Weltkrieg (1.1.1914-10.5.1918)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford, Slg. E 521 (Transkription C. Laue)

„Die polnischen Weiber vermochten nicht ihren Tränen zu wehren“ … – Eindrücke des Abiturienten Gerhard Päschke in Posen

Gerhard Päschke, angehender Student der Evangelischen Theologie an der Theologischen Schule Bethel, war am 5.9.1897 in Sandberg / Posen geboren worden. Er war der einzige Sohn des dortigen Pastors Paeschke. Den ersten Unterricht erhielt er gemeinsam mit seinen Schwestern durch Erzieherinnen. Der Vater hingegen bereitete ihn im Lateinischen vor, bis er in die Untertertia des Gymnasiums zu Rawitsch aufgenommen wurde. Der Aufenthalt dort aber sagte Gerhard Päschke so wenig zu, dass er nach zwei Jahren – mit der Versetzung nach Sekunda – auf das Comenius-Gymnasium in Lissa wechselte. Hier bestand er am 13. März 1915 die Reifeprüfung, und zwar als einziger Abiturient, weil er bei Ausbruch des Krieges noch nicht 17 Jahre alt war und deshalb die Notprüfung nicht hatte mitmachen dürfen. „Da ich mich für das theologische Studium erst in letzter Zeit entschloß, habe ich am hebräischen Unterricht in der Schule nicht teilgenommen, und daher habe ich die Absicht, mich in Bethel für das Hebraikum vorzubereiten. Falls ich in die theologische Schule aufgenommen werde, gedenke ich am Montag den 26.IV. einzutreffen und bitte, mir eine möglichst freundliche Wohnung bereit zu halten.“ (aus einem Brief von Gerhard Paeschke, Sandberg, 19.3.1915, an Pastor Frick, Bethel).

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Sandberg, 16.8. [19]15.

Sehr geehrter Herr Pastor!

Für die Übersendung der Zeugnisse, die eben ankommen, danke ich Ihnen. Das Münsterer Zeugnis zeigt mir schwarz auf weiß einen Erfolg des Betheler Semesters. Welche weiteren Früchte die dort an mir geleistete Arbeit tragen wird, das wird das Studium u. das Leben zeigen, und der beste Dank, den ich Ihnen besonders bringen kann, wird darin bestehen, daß ich alles, was ich dort habe aufnehmen dürfen, in treuer Arbeit verwerte. Für das nächste Semester hatte ich schon Kiel fest in [2] Aussicht genommen. Doch zu meiner Betrübnis mußte ich im Reichsboten von dem jähen Tode Seebergs lesen. Deswegen ist mein Entschluß ins Schwanken geraten. Um nun im Anfang gründlich Kirchengeschichte zu studieren, werde ich wohl nach Leipzig gehen, zu den Sachsen. Die sind wenigstens noch Deutsche, was man von den lieben Polen leider nicht sagen kann.
Daß sie zu irgend einem Siege flaggen sollten, kann man wohl kaum verlangen. Eher hätte man das von einem kathol[ischen] Krankenhause erwartet, in dem 80 Verwundete liegen. Bei Warschau brach das Volk in offene Klagen aus, u. die polnischen Weiber vermochten nicht ihren Tränen zu wehren. Als ich hier [3] zurückkam, fiel es mir deutlich auf, wie das Polentum während des Krieges gewachsen ist. Da ich selbst nicht polnisch verstehe, komme ich mir auf der Straße  u. in den Läden wie ein Ausländer vor, der sich zu freuen hat, wenn man sich aus lauter Güte herabläßt, mit ihm deutsch zu sprechen. Hoffentlich wird das nach dem Kriege anders, wie es mit Vielem jetzt schon anders geworden ist. Mit Güte ist bei den Herren hier nichts anzufangen. Die kriegsgefangenen, zur Erntearbeit herangezogenen Russen reißen in Scharen mit Hilfe der Polen aus, sodaß jetzt Franzosen geholt werden sollen. Während wir hier in anderen Jahren reiche Weizen- und Rübenernte hatten, [4] ist es dieses Jahr nur mittelmäßig, zumal da das Regenwetter der letzten Wochen den Weizen hat schwarz werden lassen. Wegen des großen Futtermangels wird das Vieh allmählich weiter abgeschlachtet. Aber satt werden wir hier auch noch werden, wie es alle Landwirte zugeben. Und da es ja jetzt in „Gewaltmärschen“ vorwärts geht, wird die nächste Ernte in Frieden heimgeholt werden können.

Mit ergebenem Gruß
Ihr dankbarer Gerhard Päschke.

(Eva-Maria Hartmann, Bielefeld)

Signatur: LkA EKvW 13.99 Nr. 1469/1

 

 

 

 

Feldpostbrief von Wilhelm Gehner, 1915

Feldpostbrief von Wilhelm Gehner, 12.7.1915

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Ein weiterer Feldpostbrief von Wilhelm Gehner, dem Sohn eines Diakons der Westfälischen Diakonenanstalt Nazareth, stammt vom 12. Juli 1915 von der Ostfront. Wilhelm Gehner wurde gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs an die Front geschickt. Der junge Mann überlebte den Krieg nicht: Er fiel im September 1918.

(Kerstin Stockhecke, Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel)

Signatur: Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, 2/38-26

Feldpost von Soldat Junge-Wentrup an Pfarrer Münter in Werther, 10.4.1915

Feldpostbrief

11.04.15

An das Pfarramt
Werther in Westfalen
Kr. Halle in Westfalen
Deutschland

Gerade zur wichtigsten Zeit vor den Ostertagen gelangte ich in den Besitz ihrer erbauten [sic!] Schriften. Ich hatte Zeit in den Feiertagen darin zu lesen. Es scheint doch, als einem der Feind näher kommt. Die Russen haben in den Festtagen nicht geschossen und so konnten auch wir hier fröhliche Ostern verleben.

Galizien 10.04.15

Mit herzl[ichem] Gruß
Ihr dankbarer
Junge-Wentrup

(Raphael Hennecke, Bielefeld)

Signatur: LkA EKvW 4.81 Nr. 501

Feldpostbrief von Rudolf Kisker, 20.10.1914

St. Marguerite südl. Comines. 20/10.[1914]

Liebe Eltern!

Heute morgen habe ich eine flüchtige Karte mit der Post mitgehen lassen.
Gestern schrieb ich zuletzt von südl[ich] Lille. Wir marschierten dann weiter durch Lille wo wir viele Truppen trafen, in deren Stellungen hier bei Comines unsere Kav[allerie] eingerückt war. Es war das 13. Korps welches wie es hiess bei Arras eingesetzt werden sollte. In Lille sah man das seltene Bild „Deutsche Inf[anterie] mit Regimentsmusik“. Sonst bot sich dasselbe Bild wie am Sonntag. Über Quesnay wurde weitermarschiert nach hier. Noch in später Nacht wurden die Wagen an den Handpferden der Esk[adron] herangezogen. Die Schützen lagen in den festen und sicheren Inf[anterie] Stellungen zwischen Comines und Warneton. Ich fuhr dorthin um meinen Herren etwas zu futtern zu bringen fand natürlich nur wachende Posten und schnarchende Leute in den Unterständen. Ich wollte bis zum Tag dort bleiben musste aber um 5 Uhr mit einem Befehl zurück. Es sollte ein allgemeiner Angriff mit Beginn des Tages stattfinden und nur von jeder Esk[adron] 4 Schützen in den Stellungen bleiben. Ich ging daher zurück trank im Quartier noch einen Morgenkaffee und sammelte dann die Wagen hier bei St. Marguerite.
Die Engl[änder] sollen von Westen auf Commines vorgestossen sein und dabei in die Arme der von Norden kommenden Korps und der von Süden angreifenden Kav[allerie] Divisionen und Jäger [?] gelaufen sein. Da wir aber bisher nur schwaches Gefecht hören, glaube ich, dass sie versucht haben in der Nacht durch kurz kehrt Rettung zu machen.

Eben kam ein Telegramm (man sagt Funkenspruch) dass die Russen durch die Oestreicher u. Perser [?] Schlappen erlitten hätten und dass mehrere englische U.Boote gesunken sein sollen. Auch seien einige deutsche Torpedos verloren gegangen.

Gestern hatte ich mit der Post Vaters Brief vom 13/9 mit Kurts und Mutters Einlagen und eine Wurst v. Mutter. Da war aber ein Schlemmeressen. Kommissbrod mit Butter u. westf[älischer] Wurst.

Heute wieder 50 Cigarillos u. von Hilde ein Paketchen mit Kniewärmern, Chokolade u.s.w. Ich schreibe Ihr gleich meinen Dank. Ich hätte nicht geglaubt, dass Hilde so viel für mich übrig hätte.

Von Siveke hörte ich eben, dass Vater bei Frau S. war und dass sie sehr erfreut über den Besuch gewesen war.
Mit dem Federhalter kann man überhaupt nicht mehr schreiben. Ich ergreife daher wieder den Bleipinsel.
Ich glaube dass all die angemeldeten Sendungen jetzt eingetroffen sind u. noch eintreffen. Wenn Ihr die durch die Ersatz-Eskadron angeforderten Ausrüstungsstücke
Mantel aus Mannschaftstuch mit grossen Taschen u. Kragen matte Knöpfe
Reithose u. Waffenrock aus Mannschaftstuch starkes Futter. Feldmütze
abschickt, so bitte ich auch eine meiner langen Hosen und ein Paar Zugstiefel beizulegen.
An den armen Günter Delius muss ich immer wieder denken. Aber für uns heisst es nicht rückwärts sondern nur im „Vorwärts“ schauen und auf eine baldige Beendigung des Ringens und einen ehrenvollen Frieden zu hoffen.

Alle Augenblicke werde ich gestört und finde keine Ruhe zum Schreiben. Ich schliesse daher mit herzl. Grüssen und einem Kuss für Euch Alle

Euer Sohn Rudolf

Quelle: Feldpostbrief 75, von Rudolf Kisker

Signatur: Privatarchiv Kisker, Nr. 189

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 12.9.1914

Nachricht vom Zurückdrängen des von den Ostseeprov[inzen] anrückenden russ[ischen] Heeres bei Lyk. Nach dem Unterricht die Mitteilung von Sundermeyer ein Geschäftsfreund in Bielefeld habe ihm gesagt die Öst[er]reicher hätten bei Lemberg 120.000 Gefangene gemacht. Leider nicht wahr! Verwechslung mit der mangels anderer guter Nachrichten gegebenen Mitteilung, daß im Ganzen bisher in Deutschland jetzt 1.220.000 Gef[an]g[ene] untergebracht sind. Schade daß ich die falsche Nachricht den Konfirmandinnen weiter erzählt habe. Die Morgenpost hatte stundenlange Verspätung wegen der Truppen Nachschübe nach Westen. Postbote Wübker meinte: „Sie haben wohl zu lange damit gewartet, Truppen nach Paris nachzuziehen!“ Etwas wahres mag daran sein. Jetzt scheinen Nachts Truppen nach dem Westen zu gehen. – Ich mache eine Zus[ammen]stellung der Liebesgaben für die Versammlung des Ausschusses am Sonntag Nachm[ittag]. 2.018 M[ark] Gaben, 4.500 Eier, 60-70 Rollen Leinen, 1.100 Zigarren. Viel Speck & Wurst. – Enno schreibt. Sie üben das Fahren ohne Pferde; Märsche bei denen er die Musik darstellt.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 12/12.09.1914

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)