Ein makabres Erinnerungsstück aus dem Schützengraben

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Ein makabres Erinnerungsstück aus dem Schützengraben: Englische Feldausgabe des Lukas-Evangeliums, auf der Umschlagrückseite ein Fleck mit dem handschriftlichen Hinweis „Blut des schwerverwundeten Engländers“. (Stadtarchiv Paderborn, S 1/99/9)

Das Bändchen stammt aus dem Besitz des 1899 geborenen Paderborners Heinrich Z. Im Herbst 1916 verließ er mit dem „Einjährigen“ das Paderborner Gymnasium Theodorianum und meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. Im Mai 1917 kam der nunmehrige Musketier Z. an die Westfront zum Infanterieregiment 457, wo er an schweren Kämpfen in Nordfrankreich und Flandern teilnahm und schließlich im November 1917 schwerverwundet in britische Gefangenschaft geriet. Erst im November 1919 wurde er nach Hause entlassen.

Vom Tag seines Abrückens an die Front bis zur Rückkehr aus der Gefangenschaft pflegte er mit seiner Familie einen überaus intensiven Briefwechsel, von der Front mindestens einen Brief oder eine Karte pro Tag, aus der Gefangenschaft  zwei bis drei Briefe pro Woche. Sie sind im Stadtarchiv Paderborn weitestgehend erhalten. Ergänzt werden sie durch eine mit allerlei Erinnerungsstücken angereicherte Niederschrift zur Familiengeschichte, die Z. 1938 für seinen kleinen Sohn fertigte und worin er u. a. auch über seine Kriegserlebnisse berichtete.

Zu den Erinnerungsstücken gehört das hier gezeigte blutbefleckte Lukasevangelium, zu dem er schreibt, er habe es von einem durch eine deutsche Handgranate schwerverwundeten Engländer geschenkt bekommen als Dank für die gute Behandlung. Z. und seine Kameraden hätten den Engländer geborgen und seine Wunden versorgt, doch sei er kurz darauf gestorben. So die Darstellung von 1938.

Erhalten hat sich aber nicht nur das kleine Heft, sondern auch die Inhaltsliste des Päckchens, worin Z. es – zusammen mit anderen Dingen – 1917 von der Front nach Hause schickte. Und da heißt es: „1 Gebetbuch, das ich einem mir damals zum Opfer gefallenen Tommy abnahm.“ Ob Tatsache oder Aufschneiderei muss offen bleiben.

(Rolf-Dietrich Müller, Stadtarchiv Paderborn)

Signatur: Stadtarchiv Paderborn, S 1/99/9

Die „Herforder Luftschiffer“ – Wilhelm Vogt als Ballonflieger im Ersten Weltkrieg

Vogt Herforder Luftschiffer

Herforder Luftschiffer 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Stolz posieren die „Herforder Luftschiffer“ mit einem dicken Fass 1914/15. Dieses Bild ist bisher einmalig und schlägt ein unbekanntes Kapitel zum Einsatz Herforder Soldaten im Ersten Weltkrieg auf. Mit auf dem Bild ist der Wilhelm Vogt, geboren 1878 in Diebrock und im zivilen Leben Herforder Polizeisergeant. Er wohnte an der Bielefelder Straße und war im Krieg einer der wenigen deutschen Luftschiffer. Am 15. Januar 1917 schickte im „Ihre Freundin“ Auguste Petzhold verspätete Neujahrsgrüße zur Feld-Luftschiff Abteilung Nummer 12 im Westen. Hier nämlich war Vogt seit 1914 beim Ballonzug 33 des Luftschifftrupps No. 3 eingesetzt. Ob wirklich als Fahrer eines Ballons oder „nur“ im Wagenbaukommando, ist bisher unklar. Jedenfalls stand er mit seiner Truppe in Westflandern und bei Ypern im schon bald sinnlos werdenden Stellungskrieg.

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Wagenbaukommando der Feldluftschiffer Abteilung 12 vor Ypern 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Vogt Westflandern

Westflandern Feldzug 1914/1915 Fröhliche Ostern (Foto: Stadtarchiv Herford)

Die an einer Trosse aufsteigenden Fesselballons dienten im Ersten Weltkrieg zur taktischen Gefechtsfeldaufklärung. Erfinder und Namensgeber waren August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld. Die ziemlich schwerfälligen Geräte fanden zunächst nur wenig Verwendung, sie wurden aber im Graben- und Stellungskrieg ab September 1914 wichtiger, da von ihnen aus auch die die kleinsten Truppenverlegungen beobachtet werden konnten. Trotzdem hatte das Heer im Februar 1915 an der Westfront nur neun Fesselballone mit entsprechend wenigen Feldluftschiffern. Jeder Ballonzug besaß nur einen Ballon, wenn dieser zerstört worden war, fiel die gesamte Einheit aus.

Vogt Ballon

Feldluftschiff / Ballon im Einsatz (Foto: Stadtarchiv Herford)

Noch war diese Waffe zu unbekannt auch bei der Heeresleitung. Erst im März 1915 wurde die Dienststelle „Chef des Feldflugwesens“ gegründet. Im Angriff auf Verdun im Februar 1916 setzte sie erstmals zwölf Ballone koordiniert ein, deren Aufklärungsmeldungen zentral an die Führung weitergeleitet.

1916 verfügte das deutsche Heer über 53 Feldluftschiffabteilungen und 128 Ballonzüge, im Sommer 1918 über 186 Ballonzüge. Materialengpässe machten 1918 die Zusammenführung von je zwei Ballonzügen zu einem Ballonzug notwendig. Die neue Struktur gewährleistete neue (schnellere) Material- und Personal-Verfügbarkeit. Gleichzeitig mit dem Ausbau gab es die höchsten Verluste ihrer Geschichte. Mit neuer Brandmunition schoss der jeweilige Gegner die Ballone ab.

Vogt gehörte zur Feldluftschiffer-Abteilung 12, die von September bis November bei den Kämpfe um Nancy, bis Ende April 1915 an den Stellungskämpfen an der Yser, im Mai 1915 bei den Kämpfen um Ypern, ab Februar 1916 bis September 1917 bei Verdun und 1918 in den Abwehrkämpfen zwischen Maas und Argonnen eingesetzt war. Die von ihm gesammelten Bilder zeigen auch mit Toten im Schützengraben auch die Schrecken des Krieges.

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Tote Soldaten im Schützengraben. Foto aus dem Album des Herforder Soldaten Wilhelm Vogt (Foto: Stadtarchiv Herford)

Er überlebte den Einsatz und starb 1930 in Herford, 1953 starb seine Frau Henriette, geb. Schwagmeier. Nach dem Tod des Sohnes und Kleinbahnbeamten Fritz gelangten die Bilder in den 1990er Jahre auf dem Flohmarkt. Ein aufmerksamer Sammler stellte sie vor kurzem dem Herforder Stadtarchiv zur Verfügung.

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford Slg. E 518

Feldpost des Theologiestudenten Alfred Heinisch aus dem Schützengraben, 1916

Feldpostbrief von Musketier Alfred Heinisch,
Infanterie-Regiment 13, 12. Kompanie, 13. Infanterie-Division, mit Stempel vom 28.7. 1916

Lieber Herr Pastor Jaeger, liebe Frau Pastor!

Vielen herzlichen Dank für Ihre lieben, frdl. Zeilen und das Paketchen mit Keks und div. Schriftchen. Es war mir eine große Freude, denn ich erhielt es in Stellung, 100 m vom Feinde. Heute morgen sind wir für einige Tage in Ruhe gekommen. Es war eitel Freude, als wir die Granatenfelder hinter uns hatten und keine Granaten mehr angeheult kamen. Einer spielte Mundharmonika, dann wurde gesungen und gescherzt. Wir sind diesmal sehr gut davongekommen, nur 2 Verwundete in der Kompagnie; der eine ist allerdings schon gestorben. Eine Gewehrgranate hat ihm den Fuß abgerissen. „Meine arme Frau und Kinder“, rief er noch, dann war er still. Es ist traurig u. die Furchtbarkeit all dieser Dinge kommt einem bloß nicht so zu Bewußtsein, weil man gar nichts anderes mehr erlebt als dies und sich daran gewöhnt hat. Wann wird der Herr diesen großen Druck von den Herzen nehmen? Wir haben alle gelernt hier draußen in der Not des Schützengrabens, auch ich, der Krieg war ein guter Lehrmeister. Dem Herrn sei Dank für alles.

Im Herrn Jesu grüßt Sie alle herzlich
Ihr Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Schauschützengraben auf der Ochsenheide, Bielefeld, ca. 1916

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Einen geradezu pittoresken Eindruck vom Stellungskrieg vermittelte der Ende Juni 1915 eröffnete Schauschützengraben auf der Ochsenheide. Der Ratsgymnasiast und Zeichner Kurt Krüger (1899-1992) war Mitglied der Jugendwehr und erlebte den Grabenkrieg ab 1917 real: Flandern, Marne, Champagne … (Zeichnung 27 x 33 cm: Kurt Krüger).

Signatur: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,10/Sammlung Militärgeschichte, Nr. 272

Im September 1914 war der deutsche Vormarsch gestoppt, die Westfront erstarrte in einem Stellungskrieg, der vier Jahre andauern sollte. Die Schrecken des Krieges vermittelten Fronturlauber, Feldpostbriefe und Todesanzeigen. Ähnliche Anlagen wie der Ende Juni 1915 eröffnete Schauschützengraben auf der Bielefelder Ochsenheide lockten die Bevölkerung in Berlin, Frankfurt und Prag seit dem Frühjahr 1915 zur kuriosen „Kriegskirmes”. Nach einem Besuch der Anlage in Prag im November 1915 schrieb Franz Kafka: „Anblick der Ameisenbewegung des Publikums vor dem Schützengraben und in ihm.“

Ausgehoben und ausgebaut hatte die Bielefelder „Feldbefestigungsanlage“ das Ersatz-Bataillon des Infanterieregiments 131, das zu Kriegsbeginn von Mörchingen im Saarland nach Bielefeld verlegt worden war. Nach der Vorstellung für die städtische Prominenz und die Presse am 26. Juni 1915 stand der Bielefelder Schauschützengraben ab dem folgenden Tag für die Bevölkerung offen. Allein am ersten Öffnungstag kamen 2.865 Menschen, bis Ende Juli 1915 zählte die Anlage 26.500 Besucher. Gegen ein Eintrittsgeld von 25 Pfennig für Erwachsene und 10 Pfennig für Kinder bekam das Publikum täglich von 15 bis 18 Uhr den Krieg zu sehen, bei „Gefechtstagen” mit militärischen Vorführungen bezahlten die Erwachsenen 50 Pfennig. Im fahnengeschmückten Eingangsbereich konnten die Besucher bequem über Kriegstechnik, Strategie und Kriegsausgang philosophieren – und das Gewissen beruhigen, schließlich war der Erlös für die Hinterbliebenen der Gefallenen des Infanterieregiments 131 bestimmt, die ihren Aufenthalt in den echten Schützengräben mit dem Leben bezahlt hatten.

Die detaillierte Skizze des Schauschützengrabens hat der 1899 in Brackwede geborene Kurt Krüger als Schüler des Realzweiges des Ratsgymnasiums angefertigt. eine detaillierte Farbzeichnung der Anlage angefertigt: Drahtverhaue, Spanische Reiter, Horchposten, Unterstände und Wolfsgruben waren ebenso zu finden wie die unvermeidbare Gulaschkanone („Feldküche”). Der eigentliche Entstehungsgrund bleibt unklar, möglicherweise entstand diese im Rahmen einer schulischen Exkursion oder einer Aufgabe innerhalb der Jugendwehr. Diese Jugendwehr bereitete seit Ende 1914 die jungen Schüler vormilitärisch auf den späteren Kriegseinsatz vor. Krüger selbst erlebte das, was er bunt illustriert hatte, nach dem Abgang von der Schule Ostern 1916 und Arbeit in einer Maschinenfabrik als grauen Kriegsalltag persönlich kennen: Als Angehöriger der Artillerie der Flieger-Abteilung (A) 256 kämpfte er an der Westfront und überlebte das Sterben in Flandern, Armentières, bei der Schlacht um den Kemmel, bei Stellungskämpfen bei Reims, der Angriffsschlacht an der Marne und in der Champagne sowie in Lothringen. Kurt Krüger kehrte aus dem Krieg zurück, viele seiner Mitschüler nicht – allein aus Bielefeld, das damals 80.000 Einwohner zählte, fielen etwa 2.300 Männer auf dem Schlachtfeld Europa wilhelminischer Großmannssucht zum Opfer.

Lit.: Joel Belmann/Tobias Fein/Jill Tönsmann/Dorian Tsolak/Pola Vollmer/Clemens Weinmann, Der gefühlte Krieg 1915. Der Musterschützengraben auf der Bielefelder Ochsenheide, in: Ravensberger Blätter 2011, Heft 1, S. 18-30

mehr unter http://www.bielefeld.de/de/biju/stadtar/rc/rar/01062010.html

(Dr. Jochen Rath, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld)

Theologiestudent Alfred Heinisch an vorderster Front, 1915

Nordwestfront, 31. Dez. 1915

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Nun bin ich auch mit in die vorderste Linie gekommen. Am 2. Weihnachtsfeiertage sind wir abends in den ersten Graben in Stellung gegangen. Ich schlafe in einem sicheren Unterstande, 150 m von den Engländern entfernt. Nachts muß jeder abwechselnd 2 Stunden Wache stehen und ruhen. Des Tags stehen wir oft an den Pumpen. Wir hatten bis jetzt verhältnismäßig trockenes Wetter. Vorgestern schickten die Engländer ein paar dicke Granaten in die Stellungen rechts von uns. Ich stand gerade auf Beobachtungsposten und sah, wie große Splitter ganz in der Nähe bei einem Inder niederfielen, der noch vom letzten Sturm am 25. Sept. dort liegt. In einem nahen Weidengestrüpp wurden die Vögel aufgescheucht. Ein trauriges Bild, dieser kleine Raum zwischen dem unsrigen und dem feindlichen Graben. Besonders wenn die Granaten dicht über den Graben zischen oder in der Nähe rechts und links einschlagen, überkommt mich leicht ein Gefühl der Traurigkeit und Verlassenheit. Doch wir müssen getrost und zuversichtlich bleiben; schon um der anderen willen; denn sie blicken auf uns und sind wir verzagt in der Not des Feuers, so werden sie schwerlich Zutrauen zu unserem Herrn und seiner Kraft fassen.

Herr Missionar Storck schrieb mir zuletzt aus Warschau. Er war traurig, einem Ruf des Herrn nicht gefolgt zu sein. Er sollte mit dem Stab des G[eneral]f[eld]marschalls v.d. Goltz nach der Türkei; hoffe jedoch, daß ihm dieser Weg noch möglich wird. Er würde ihn zweifellos mehr befriedigen als das rauhe, mit der Zeit vielleicht sogar abstumpfende Kriegshandwerk. Ihr schönes Weihnachtspacket habe ich erhalten; vielen Dank dafür, besonders auch für all die freundlichen Grüße und die Schrift von D. Kähler über „den Verkehr mit Christo“, die mich gestärkt und gefördert hat. Im Mangel und in der Not bewährt sich die Kraft des „gütigen Wortes Gottes“. Ich erwidere alle freundlichen Grüße auf das herzlichste und bleibe
Ihr
Alfred Heinisch

7. AK 13. I.D. IR 13. 12. Komp.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Weihnachtsgrüße des Theologiestudenten Alfred Heinisch von der Front, 1915

Nordwestfront
Dezember 1915

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Gruß! Es freut uns im Felde jedes Wort der Teilnahme, wie auch mir oft nach Hause danken und uns freuen, daß daheim wenigstens Frieden ist und wir nicht umsonst leiden. Auch der Christ braucht sich seiner Angst nicht zu schämen. Aber es ist ein Leid, immer in Angst zu sein, und dagegen tröstlich, daß man sich letzten Endes doch in des Herrn Hand weiß. Neulich erhielten wir beim Ausschachten eines Wassergrabens hinter der vorderen Stellung Artilleriefeuer. Ohne Unterstände, nur mit dem geringen Schutz des Grabens, erwarteten wir jede Granate, wie sie zischend herankam, in atemloser Spannung. Es wurde, gottlob, niemand verletzt. Der beste Treffer war ein Blindgänger. Vor einigen Tagen mußte ich mit einem Kameraden über eine weite Höhe, auf der uns die Engländer gut beobachten konnten. Während ich etwas unruhig einen Flieger über uns beobachtete, den ich dann allerdings als einen deutschen erkannte, fand der andere – ein Buch:
Manuel des Enfants de Marie, ein Werk, das mich in der Achtung, die ich auch vor der katholischen Kirche habe, noch bestärkt. Es ist eben nicht alles Formsache, sondern auch drüben ein Glaube möglich, der bewahrt und auch zum Leben führen kann, wo Aufrichtigkeit ist. In dem Orte, wo wir sonst in Ruhe liegen, gehen viele Leute täglich, wahrscheinlich zu kurzer Andacht, in die Kirche. Neulich hatten wir ein schönes Weihnachtskonzert in einer Ortschaft hier dicht hinter der Front. Weihnachten wird es uns vielleicht vergönnt sein, in Ruhe zu feiern.
Zu dem schönen Feste sendet Ihnen die herzlichsten Segenswünsche

Ihr
Alfred Heinisch.

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Erste Fronteindrücke des Theologiestudenten Alfred Heinisch, 1915

Den 10.9. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Ganz plötzlich mußten wir nach 7 wöchentlicher Ausbildung von Detmold fort. Unsere Fahrt führte über Bielefeld, wo ich einen letzten Blick nach Bethel hinaus hatte, über Barmen, Düsseldorf Aachen nach Belgien. Am Dienstag kamen wir durch Lüttich. Der Morgennebel verhüllte uns leider jede Aussicht. Dann bekamen wir sehr schönes, klares Wetter und fuhren den ganzen Tag durch erobertes Gebiet. Da merkte ich, was unsere Truppen im August 1914 geleistet haben. – An der Bahnlinie eine dichte starke Postenkette, oft zerschossene Häuser und hier und da ein Massengrab. Hinter Löwen, wo wir die Hälfte Häuser zusammengeschossen sahen, überholte uns [Luftschiff] LZ 77 und ging dann in eine Halle nieder. Wir fuhren durch Brüssel, Mons, dann nach Frankreich hinein, ?, Montigny und Douai. Südlich von Lille wurden wir nun 20 km hinter der Front noch ein paar Wochen unter dem zeitweiligen Kanonendonner, der von Ypern oder La Bass?in herübertönt, ausgebildet. Oft besucht uns ein feindlicher Flieger. –
Unser Feldwebel fragte mich, ob ich nicht lieber Helfer eines Feldgeistlichen werden wollte. Ich glaube, ein solcher Dienst könnte mich besser auf den künftigen Beruf vorbereiten als das Leben im Schützengraben, und der Feldwebel versprach mir, sich für mich zu bemühen. Vielleicht aber soll mir das Kämpfen mit der Waffe nicht erspart bleiben. Ich bin bereit dazu; denn ich habe volles Vertrauen zu Jesus. Die Wege, die er mich bis jetzt geführt hat, waren manchmal so schwer, daß ich dachte, ich könne nicht mehr durch, aber gerade dadurch ist mir das Wort Mal. 3:3 so lieb geworden: „Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen.“-
In treuem Gedenken
Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Brief von der Front an das Pfarramt in Werther, 30.12.1914

An das Pfarramt zu Werther
30.12.1914

Freudigen Herzens habe ich die liebevollen Grüße aus der teuren Heimat aufgenommen und bringe dafür meinen tiefgefühlten, herzlichsten Dank. Die lieben friedlich läutenden Weihnachtsglocken waren bei uns verstummt, stattdessen hörte man das Dröhnen und Krachen der Kanonen. Schon am Tage vor dem Feste griffen die Franzosen verschiedene Stellungen von uns an, wurden dann aber [unter] schweren Verlusten zurückgeschlagen und dabei noch gegen 200 Gefangene gemacht. Heiligen Abend feierten wir in Beisein unseres Hauptmanns in der Steinhöhle, welcher eine tiefergreifende, eindrucksvolle Ansprache an die Kompagnie hielt. Auch einer unserer Kameraden nahm das Testament zur Hand und reichte trostreiche Worte an uns. [?] Die Höhle war ausgeschmückt mit Tannenzweigen und in der Mitte leuchtete der schöne Christbaum. Vor allem habe ich meinem Gott gedankt, der uns auch hier auf Frankreichs Boden hat Weihnachten feiern lassen, gedacht der Kameraden, die der grüne Rasen in sich birgt und gedankt unserem allmächtigen Gott der uns beschützt hat in den Tagen wo wir von Not, vom Tode und von Gefahr umringt waren. Am ersten Feiertage kamen wir dann zur Ablösung der anderen kurz [?] in den Schützengraben und gleichzeitig durfte ich am selbigen Abend auf Vorposten ziehen. Gedacht habe ich meiner lieben Heimat als die Kameraden im Schützengraben die lieben Weihnachtslieder anstimmten, so bleibt mir diese als eine stete Erinnerung, wenn ich gesund meine Heimat wiedersehen werde. Den lieben Heimatgemeinden meinen herzlichsten Dank und viele liebe Grüße sendet
Jäger August Heidbrede

Signatur: LkA EKvW 4.81 Nr. 501