Theologiestudent Alfred Heinisch vor dem Ausrücken, 1915

Detmold, den 1. Sept. 15

Hochverehrter Herr Pastor Jaeger!
Hochverehrte Frau Pastor!

Herzlichen Dank für die freundliche Karte vom 12.8. Ich fand sie in meinem Quartier vor, als ich von meinem 3 tägigen Heimaturlaub zurückkehrte. Daß es mir vergönnt war, vor dem Ausmarsche noch einmal mit meinen Eltern zusammen zu sein, danke ich Gott; denn die Tage waren durch die liebevolle Sorge meiner Eltern für mich eine wahre Erholung von dem rauhen Soldatenleben, für das man letzten Endes eben doch nicht eingerichtet ist, wenn es für eine Zeit lang auch ganz schön ist. Wie mögen sich die Kameraden draußen nach der Heimat sehnen! Aber „bei den Preußen“ kommt nicht einmal der Gedanke eines Widerstandes gegen Vorschrift und Dienstbefehl auf. Man tut alles, ohne zu überlegen – und ist dabei im Ganzen recht fröhlich. – Nächsten Sonntag kommen wir auf 8 Tage nach der Senne bei Paderborn, um in größeren Truppenverbänden zu üben. Nach der Rückkehr werden wir wohl gleich von Detmold ausrücken. Hoffentlich kann ich dann vorher noch einmal nach Bethel kommen. – Die lutherische Gemeinde in Detmold hat zwei tüchtige Pastoren, ich glaube, sie heißen P. Jahr und P. Scheumann. Vor allem der letztere macht mir, seinen Predigten nach zu schließen, den Eindruck eines tiefgläubigen und ernsten Christen, der wirklich vom Heiland berührt ist. Es war mir immer mein Sonntagsvergnügen während der Ausbildungszeit, ihn zu hören. Abgesehen von einem Bethelbruder, Bruder Schorrmann aus Gilgal, stehe ich ganz allein; die Kameraden meist recht gute Jungens, die Vorgesetzten auch gut, aber von Gott wissen sie gar nichts. –
In Dankbarkeit bleibt Ihnen verbunden

Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 1.10.1914

Endlich treibt uns wieder ein Böllerschuß aus dem Bette. Deutsches Kriegsschiff habe 4 engl[ische] Dampfer in den Grund gebohrt. Wir verstehen erst Kriegsschiffe & jubeln. Dann kommt der Dämpfer, es sind nur Dampfer (aber immerhin Kriegsdampfer). – Auch das stellt sich als Irrtum heraus. Man sollte nicht zu früh mit Böllern schießen!

Es soll alles vorhandene Geld ans Rote Kreuz abgesandt werden. –

Karte von Heini: Versetzt zur Torpedo-Division nach W[ilhelms9haven. Clara & Magdalene nach Oldendorf bringen einen Brief von m[einem] Patensohn Reg[ierungs-]Baum[ei]st[e]r Ernst Hitzemann mit, der eine ergreifende Schilderung von den furchtb[aren] Opfern in der Schlacht bei Tannenberg geben zugleich von seinem Gottvertrauen. Er war durch Streifschuß im Gesicht tagelang geblendet. –

Brief von einem Duisburger über das Gefangenenlager in der Senne. Nur die Engländer sind bitter verhaßt.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 17/1.10.1914

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Foto „Überlandflug nach Serbien“, Manöver in Senne, 26.7.1914

001_0002Atelier-Fotografie vom Truppenübungsplatz Senne, 26. Juli 1914 (Foto: Kreisarchiv Paderborn)

„Wer wir wir fidel gewest,
Für den ist die Senne
das schönste Nest.“

„26/7.14
Überlandflug
nach Serbien“

Brennt noch so heiß
der Sennestrand,
Nichts trennet unser
Freundschaftsband.“

Der in den 1890er Jahren errichtete Truppenübungsplatz in der Senne bei Paderborn stellte an die Soldaten „höchste Ansprüche“ und war entsprechend gefürchtet. Viele ließen sich am Ende der Manöverzeit fotografieren. Ein offenbar florierender Markt, denn es gab mehrere Fotografen in Sennelager. Am 26. Juli 1914 stellte der Fotograf W. Metze diese Abbildung mit den drei „fliegenden“ Soldaten her. Zu den Requisiten gehörte auch das Schild „Überlandflug nach Serbien“, Indiz für propagandistisch gesteuerte Kriegsbegeisterung.

Bereits am Tag darauf erhielten alle in der Senne übenden Truppen den Befehl, wegen „drohender Kriegsgefahr“ den Übungsplatz zu verlassen und in die Heimatstandorte zurückzukehren. Einer der drei abgebildeten Soldaten schickte das Erinnerungsfoto am 29. Juli seiner Schwester und ihrem Mann nach Solingen: „teile Euch eben mit, daß wir diese Nacht abgerückt sind aus der Senne, es ist sehr schlimm gestellt.“ Von kriegerischer Begeisterung also keine Spur.

(Wilhelm Grabe, Kreisarchiv Paderborn)