Tod des Hilfspredigers Paul Waltking, 21.7.1915

Minden Westf. 30.7. 15.
Gutenbergstr. 7.

Sehr geehrter Herr Pastor!

In tiefstem Herzweh möchte ich Ihnen heute die Mitteilung machen, daß unser Sohn Paul, unser lieber, lieber Ältester, am 21. Juli gefallen ist, nördlich von Ypern, im Schützengraben.
Vor 2 Jahren arbeitete Paul bei Ihnen in der theol. Schule für das bevorstehende Examen. Hernach bekam er seine erste Anstellung als Hilfsprediger in Buer-Erle. (Westf.). Hier hat er traut verkehrt im Hause von Herrn P[astor] Volkening. Hier in der Stille hat er sich zu einem Prediger herangebildet, der besonders von Gott begnadet erschien. Als er die Wintermonate hier in Minden seine militärische Ausbildung erhielt, da hatten wir die Freude, ihn einmal, am 3. Jan[uar 1915], predigen zu hören, als er die Vertretung von dem erkrankten Herrn P[astor] Cordemann in unsrer Kirche, St. Martini, übernommen hatte. Er ist damals in den Ruf einer seltenen Tüchtigkeit gekommen und sein früher Tod wird von Vielen beklagt und beweint.
Im Dezember [1914] wurde Paul Soldat, Artillerist. Mit welcher Begeisterung er hier ankam, um seinem Kaiser, seinem Vaterlande zu dienen, läßt sich nicht beschreiben. Aber viel zu langsam ging ihm die Ausbildung voran. Immer wieder kamen neue Rekruten, mit denen er die einfachsten Uebungen von vorn anfing. Seine frohe Hoffnung, bald befördert zu werden, schlug fehl, trotz all seiner Tüchtigkeit als Soldat. Als er im März glaubte, endlich ins Feld zu dürfen, da kam er noch nach Jüterbog auf 7 Wochen. Endlich, endlich kamen begeisterte Karten aus dem Eisenbahnzuge, jetzt durfte er fort, streiten zu helfen für Recht und Freiheit. Aber – 4 km hinter Ypern blieb er halten an der Ballonabwehrkanone. Zum Schießen kam er nicht, das ließen sich die älteren Krieger nicht nehmen. So tat er immer nur die niedersten Dienste, längere Wochen hindurch u. Beförderung kam immer noch nicht. Und weil der Hauptm[ann] den Gedanken aussprach, das würde noch lange so bleiben, wenn aber jemand von den Einjährigen lieber zur Inf. übertreten wolle, mit der Aussicht, dann bald Offizier zu werden, der möge sich melden. Das taten sie dann alle, Paul zuerst. In Gent bekamen sie ihre Ausbildung als Off[i]z[iers]-Asp[iranten] der Inf[anterie]. Aber die Hoffnung, die ihnen gemacht war, auf die Kriegsschule in Roulers zu kommen, wurde nicht erfüllt. Als gew. Inf[anterie] wurden sie in die vordersten Schützengräben verwiesen, wo Paul nach wenigen Tagen seinen Tod fand. All die Enttäuschungen nahm er hin als aus Gottes Hand. „Ich bin in Gottes Schule gewesen“, schreibt er darüber. An einem Herzschuß ist er gefallen u. liegt in einem Einzelgrab bestattet. Der Gott, der ihn uns genommen hat, wolle uns beistehen in unserm Leid.

Frau L. Waltking

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Signatur: LkA EKvW Best. 13.99 (Waltking)