Propaganda-Karten „Niemals ein Barbar“

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„Deutsches Kriegerherz“ (LkA EKvW 4.43 Nr. 699)

Deutsche Propaganda-Karte des Ersten Weltkriegs, o.D.

Deutsches Kriegerherz.
Nun bringe ich dich in dein Elternhaus,
Doch trinke erst dein Pullecken noch aus.
Und wenn du groß bist, sage wie ich war.
Ein deutscher Held ist niemals ein Barbar.

Signatur: LkA EKvW 4.43 Nr. 699

Belgiens Neutralität, die auch vom Deutschen Reich vertraglich zugesichert war, wurde seit Beginn des Krieges 1914 durch die Anwendung des sog. Schlieffen-Plans von den Deutschen missachtet. Der deutsche Vorstoß durch Belgien versuchte die in Ostfrankreich konzentrierte französische Armee und die dortigen Festungen strategisch zu umgehen. Bereits in den Morgenstunden des 4. Augusts 1914 war der deutsche Einmarsch in Belgien erfolgt. Erste Übergriffe fanden in Gemmenich statt. Nach dem unerwartet starken Widerstand Belgiens gegen die Invasion kam es in der Anfangsphase des Krieges zu vorsätzlichen Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung und zur Tötung von mehreren tausend belgischen Zivilisten. Unter den Opfern waren auch Frauen und Kinder. Der deutschen Armee wurden eine Vielzahl von Übergriffen und Gräueltaten gegen die belgische Bevölkerung sowie zahlreiche Zerstörungen und Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung angelastet [http://de.wikipedia.org/wiki/Rape_of_Belgium].

Die Massaker wurden von der alliierten Propaganda aufgegriffen. Den Entente-Mächten und besonders den Franzosen lieferte der Einmarsch der deutschen Armee in Belgien genügend Anlass, gegen das widerrechtliche Vorgehen Deutschlands zu polemisieren. Der „hässliche Deutsche“, der „Hunne“ sowie die „Vergewaltigung der Nachbarstaaten“ tauchten als Plakatmotiv im Verlauf des Krieges immer wieder auf. Vom preußischen Militarismus und kaiserlichen Großmachtswahn musste die Welt befreit werden. Die Deutschen waren vor allem die „Barbaren“. Geschichten deutscher Gräueltaten an der Zivilbevölkerung wurden von den Propagandisten ausführlich beschrieben und verbreitet. Furchteinflößende Visionen von einer deutschen Herrschaft in Europa sollten den Kriegswillen gegen Deutschland stärken. Dafür fanden die Künstler drastische Bilder: Deutsche Soldaten hinterließen in Frankreich und Belgien als „Mordbrenner“ zerstörte Kirchen, stießen den Gekreuzigten in den Schmutz und zogen plündernd und frauenschändend durch die Lande [http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda/].

Kultur allemande

Französische Darstellung des deutschen „Barbaren“. Karikatur von Guillaume Morinet, 1915

Die deutsche Propaganda stellte die deutschen Soldaten hingegen als fürsorgliche Betreuer dar (siehe Karte oben „Deutsches Kriegerherz“). Die deutsche Plakat-Antwort auf den „Barbaren“-Vorwurf der Entente kam beispielsweise von dem deutschen Gebrauchsgraphiker und Künstler Louis Oppenheim (1879-1936): Auf einem Plakat hält er der Propaganda der Entente Statistiken entgegen, die Deutschlands, Englands und Frankreichs Sozialleistungen vergleichen sollen („Sind wir die Barbaren?“):

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Deutsches Plakat „Sind wir die Barbaren?“ von Louis Oppenheim

Quelle: Irina Renz, Plakate fürs Vaterland. Die Plakatsammlung der Bibliothek für Zeitgeschichte zum Ersten Weltkrieg. Artikelserie 100 Jahre Erster Weltkrieg – 100 Jahre Bibliothek für Zeitgeschichte, hg. v. Christian Westerhoff, in: Portal Militärgeschichte, 7. Juli 2014, URL: http://portal-militaergeschichte.de/renz_plakate. (Aufruf: 8.8.2014)

Tagebuch Hermann Bornemann, 21.8.1914

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Tagebuch Hermann Bornemann, 21.8.1914 (Ausschnitt)

Biwack auf der Straße bei Langen, Richtung Brüssel, den 21. August

½ 5 wecken, Kaffee kochen, Pferde tränken. Haben alle guten Hunger. Durch [Seite 16] kollosalen Staub gestern sehen alle, Menschen und Pferde, grau und verdreckt aus. Wir reinigen uns erst einmal persönlich an einem Loch. Einige Flieger ziehen über uns weg. Die Kaffeebohnen wurden heil gekocht heute Morgen, da keine Mühle zu haben war. Schmeckte nicht gut, doch es ging, das Wasser war ja heiß. Der Chef ist recht schlechter Laune, hat schon viele Leute angestaucht. Ein Kalb wir[d] geschlachtet, einige Kartoffeln sind auch bald gefunden und ½ 1 ist ein gutes Essen fertig. Liegen bis ½ 2 still und gestern dieser kolossale Marsch. 2 Uhr Abmarsch Richtung Brüssel. Schreibe erst noch zwei Karten. Die Feldpost treffen wir wohl mal; dann werden wir die Sachen los. Kommen an einem brennenden Gehöft vorbei; einige tote Pferde liegen dort. Passieren noch einige schöne Dörfer und Städte. Leider hat keine eine Karte; man weiß nicht, wie die Ortschaften heißen. Beziehen in einem herrlichen Schloß Massenquartier; ich mit den Pferden im Marstall. Wunderbar eingerichtet. Richtiger Park. In einer Geschirrkammer ganze Haufen Sattelzeug. Starke Sicherung, da in dem Nachbargehöft in voriger Nacht eine Husaren-Patrouille hingeschlachtet ist. Auch dieses Gebäude brennt noch. Die ganze Familie ist erschossen. Heute die Gräber im Garten gesehen. Dies Schloß und Dorf heißt Le Usine Mechelin. Wetter war heute schön; die Straßen sind mit mächtigen Bäumen bestanden, vier Reihen. Überall große Landgüter und Schlösser. Viel Vieh läuft hier herrenlos herum. Ich lege mich im Stalle schlafen. Einige Infanteristen [Seite 17] schlafen auch hier; jeder die Waffe zur Hand.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.

Tagebuch Hermann Bornemann, 18.8.1914

Biwack auf der Straße in Verviers, den 18. August
½ 6 tränken und füttern. ½ 7 fertig machen. Das Wetter ist etwas besser; der Regen hat nachgelassen. Hier und da bieten uns die Einwohner sogar eine Tasse Kaffee an. Sprechen auch zum Teil gut Deutsch. An der Bahn entladen und neue Ladung empfangen. Tüchtige Arbeit. Mittags kosteten und aßen wir im Wartesaal 1. Klasse. Wie sieht hier alles aus! Alles kurz und klein, sieht ganz toll [im Sinne von: verrückt] aus. 4 Uhr Abmarsch über Herve, total entzwei geschossen, nur die Kirche steht noch zum Teil. Alle Häuser sind ausgebrannt. Zeug usw. liegt in Haufen auf den Straßen umher. Kein Einwohner mehr drin. Hier ist unsere Inf[anterie] von den Einwohnern beschossen. Eine Menge der Zivilisten sind dann in der Wiese füsiliert [erschossen worden]. [Unleserlich] schießt in ein Haus; er behauptet, es sei ein Mann mit Gewehr im Anschlag [Seite 13] drin gewesen. Kommen durch Meelen [Melen]. Kein Haus mehr ganz; nur noch schwarze Ruinen. Zwei Radfahrer, zivil, wollen schnell an uns vorüber. Ein Inf[anterie]-Bahnposten schießt drauf. Da machen sie schnell kehrt. Auch hier viel Industrie, besonders Bergwerk. In einem Garten sind soeben einige Kameraden bestattet. Es waren schwer Verwundete; sie sind in voriger Nacht getötet. Die Franktireus [Freischärler, Partisanen] hatten ihnen die Kehle durchgeschnitten. Um 11 ½ Uhr beziehen wir Biwack auf der Dorfstraße. Hier spricht alles Französisch. Ich lege mich mit meinem Woylach [Satteldecke] auf einen Wagen, der mit Brot beladen ist; schlechte Lage, auch ist es ziemlich kalt diese Nacht.

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.