Aufenthaltsorte des Soldaten Heinrich Büsemeyer von März 1916 bis Mai 1918

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Heinrich und Johanne Büsemeyer um 1910 (privat)

Der Besenkämper Hauptlehrer Heinrich Büsemeyer (*13.8.1884, †16.5.1918) hat als Soldat im Ersten Weltkrieg hunderte von Briefen, Ansichtskarten, Fotografien und Visitenkarten an seine 1909 geehelichte Frau Johanne Büsemeyer (1886-1957) und seinen 1911 geborenen Sohn geschickt, die die Familie bis heute bewahrt. Neben seinen Briefen hat Heinrich Büsemeyer, der Mitte Mai 1918 fiel, auch ein Kriegstagebuch geführt. Aus diesen Quellen hat sein namensgleicher Enkel folgende Aufenthaltsorte für die Jahre 1916 bis 1918 exzerpiert.

Aufenthaltsorte von Heinrich Büsemeyer  von März 1916 bis Mai 1918

1916

6.3.    „… bin auf dem Weg nach Münster“ (eingezogen)

12.3.    Neuer Krug, Münster

16.4.        „Fahrt über Haltern, Wanne und Düsseldorf-Rath nach Cöln, das wir gegen Abend erreichen.“

12.00 Uhr nachts: „Wir sind in Herbestal. … Hinter mir das liebe deutsche Vaterland … Im Morgengrauen tauchen die Türme von Lüttich auf … Weiter geht die Fahrt durch das Maastal nach Namur… Über Namur geht die Fahrt weiter nach Charleroi… Von Charleroi bis Mons … . Gegen Abend sind wir in Tournay … weiter geht die Fahrt in der Richtung auf Orchies… Auf der Haltestelle Rumes verlassen wir den Zug und marschieren bei Anbrechen der Dunkelheit schwer bepackt durch den strömenden Regen nach Bourghelles …

20.4.        Verlegung nach Bachy, etwa 4km südlich von Bourghelles. „Ostern feierte ich in Bachy in Nordfrankreich.“ „Bachy war mein erstes Quartier auf französischem Boden.“

1.5.        „Letzter Tag meines Aufenthaltes in Bachy. Morgen geht’s zum Regiment 13.“

2.5.        „Nach langem, beschwerlichen Marsch über die holprigen französischen und belgischen Straßen bin ich in Antoiny (Belgien) beim Regiment 13 angekommen.

9.5.        (Brief 311 vom 9.5.1918:) „Heute vor 2 Jahren (…) fuhren wir von Bavi-Maulde in Belgien ab nach den blutgetränkten Feldern von Verdun.“

3.6.    „… bin nicht mehr in Belgien“

4.6.    „30 km nördlich von Verdun“. „Pfingsten feierte ich auf den Totenfeldern vor Verdun.“

6. – 16.6.    keine Korrespondenz

7.6.        „Am 7. Juni marschierte unser Bataillon von Murvaux aus in Stellung. Wir brachen um drei Uhr nachmittags feldmarschmäßig bepackt auf, waren gegen acht Uhr in Danneroux, wo wir aus der Feldküche das Essen empfingen. Um 10.30 Uhr ging’s im strömenden Regen weiter. Wir kamen bald in einen großen Wald, wie ich später feststellte, war es der berüchtigte, von französischen Granaten arg heimgesuchte Forges-Wald. … Als wir aus dem Walde heraus waren, kamen wir in das Forgesbachtal.

17.6.    „… schwere Tage liegen hinter mir“

19.6.    „… liege am Ufer der Maas“

25.6.    „… bin in der Nähe des ‚Toten Mann'“

1.7.        Mauldes in Belgien, Beginn der Daumenentzündung (siehe Brief 16.7.)

2.7.    „… wohne in der Taufkirche der Johanna von Orleans“ (Domrémy-la-Pucelle, Dep. Vosges)

3.7.    „… wohne in einer arg zerschossenen Dorfkirche, 15 km hinter der Front, am ‚Toten Mann'“

4.7.         „Vor Verdun“

6.7.        „Morgen werden wir in unsere Sturmstellung einrücken. Ich habe mich freiwillig für den Stoßtrupp gemeldet.“

8.7.         Am „Toten Mann“ vor Verdun

9.7.    „… bin ins Feldlazarett in einer früheren Pfarre überwiesen worden“ (Daumenoperation)

11.7.    Hat in den vergangenen Tagen eine Karte aus Brieulles geschickt

11.7.    „Wir liegen etwa 4 km vom vordersten Graben in einer ausgebauten, günstigen Stellung.“

15.7.    Ist ins Kriegslazarett Laneuville verlegt worden, in einem Schloß („eher wie ein besserer Gutshof“) mit Park

19.7.    Laneuville liegt 10 km (?! – stimmt nicht!) von Stenay, dem Hauptquartier des Kronprinzen, die Front ist 40 km entfernt

30.7.        Laneuville:    „Duft blühender Linden, …sitze auf einem Balkon mit Wein und Kletterrosen“

14.8.    Wurde nach Stenay zur Genesungsabteilung verlegt

15.8.    Zur Bahnhofskommandantur Stenay abkommandiert

26.8.    „… schlafe nicht im Bahnhof, sondern vor der Stadt in der Infanteriekaserne“

2.9.    „… kann dicht am Bahnhof ein Zimmer beziehen – reinlich, tapeziert, mit wunderschönem Ausblick“

10.9.    „… war vor ein paar Tagen wegen eines Kantinen-Einkaufs in Sedan“

28.9.    „Turmuhr Laneuville schlägt 11 Uhr abends, 3 Schlag den Dreiklang abwärts“

1.10.    „… sitze in der Gartenlaube (an der Wohnung?!), dicht vor mir, unterhalb der alten Gartenmauer, weiden einige Dutzend Kühe“

1917

14.1.    Im dienstlichen Auftrag nach Sedan

25.1.         Aus dem Urlaub (Ankunft Bielefeld am 20.1.) in Besenkamp zurück in Stenay, Fahrt ging über Bahnhof Ückingen bei Diedenhofen. Er schreibt nach Lotte, wo er Johanne und Günther noch vermutet.

31.1.    Ende der Zeit in Stenay: „Am 31. Januar bin ich wieder zu meiner Kompanie und damit wiederum in die Welt der Schützengräben gekommen.“

5.2.        -21° C

7.2.    „in Stellung“

21.2.    im Ruhequartier Waldlager Münster (Munster?)

1.3.    „im Unterstand“

5.3.    „… aus dem Graben“ – bis 24.3. abkommandiert nach Currel („1/2 Stunde entfernt“) zum Kursus zum Gebrauch der Nahkampfmittel

8.3.        „… heute nach Currel übergesiedelt“, (9.3.:) „bis Ende März“

20.3.        Currel

27.3.        Besuch bei Herrn Wöhrmann in Vilosnes (am 28.5. fragt er, ob Herr Wöhrmann bei Vilosnes „geblieben“ sei)

1.4.    Heimaturlaub (Karte aus Stenay vom 11.4.: „… wieder zurück im verhaßten Frankreich“), danach:

„Der Übergang aus dem friedlichen Daheim in das Elend des Schützengrabens wurde mir dadurch erleichtert, daß ich die ersten 10 Tage nach meiner Rückkehr bei der Feldintendantur unserer Division beschäftigt war.“

15.4.        „Seit gestern etwas nach Westen verlegt in die Nähe des Cheppi-Waldes“

3.5.    „Seit vorgestern wieder in Stellung als Gefechtsordonnanz beim Bataillon“,
„Links von uns die Trümmer von Malancourt und Haucourt , etwas weiter die Mauerreste von Béthincourt , schräg vor uns der Tote Mann und Höhe 304.“

6.5.        „Wir kommen also auch in die große Offensive an unserer Westfront.“

10.5.        „Heute sind wir zum letzten Mal vor Verdun ins Stellung.“

14.5.        Wir sind auf der Fahrt und berührten Sedan-Charleville.

15.5.        „Ankunft in Rocoy. Marsch bis Renneville; ungefähr 6 km. Ortsunterkunft auf Stallboden.“

16.5.        „Marsch nach Lappion. Von 1.00 Uhr bis 5.00 Uhr Ruhe in der Kirche zu Lappion, dann Weitermarsch nach Truppenübungsplatz Sissons.“

„Letzte Grüße aus dem Waldlager, wir rücken morgen ab.“

17.5.        Marsch nach Samoussy.

Liegen in der Nähe von Laon, Unterkunft in Zelten

2.6.        Marsch in Stellung Höhle Cerny-West. Zwischenaufenthalt in Parfondru. „Abends gegen einhalb 11 Uhr bei Montenault ins Artilleriefeuer gekommen.“

3.6.        „… sind Höhlenbewohner geworden.“

6.6.    „… liegen am Rande des ehemaligen Dorfes Cerny.“

13.6.        „… Chemin des dames wird von unserem Graben durchschnitten.“

19.-20.6.    „Urlaub nach Sedan zwecks Vernehmung als Zeuge.“

23.6.        Abends 7.00 Uhr: „Marsch in die Stellung. Alles ruhig, durch Artillerie nicht belästigt. In Martigny Kirschen gepflückt.“

3.-6.7.        „Bataillon mit 3 Kompanien in Reserve im Negerdorf. 1. Kompanie bleibt vorn. Während dieser Tage bin ich zum Barackenbau im Waldlager bei Parfondru abkommandiert.“

„Negerdorf“ liegt 1,5 km hinter der ersten Linie.

6.7.        „… das letzte Mal am Chemin des dames in Stellung.“

7.7.        Marsch in Stellung nach Cerny-Ost.

18.7.        Morgens 5.30 Uhr: „Marsch aus Stellung. Feuer bei Martigny.“

29.7.        „Um 6.00 Uhr abends fand in der Dorfkirche zu Parfondru die Feier des heiligen Abendmahls statt für evangelische Mannschaften.“

2.8.        Morgens 7.30 Verwundung durch französische Sprenggranate an der rechten Wange, … zu Fuß nach Chamoully, von da mit einem Krankenauto nach Bruyères gefahren wurde. Von Bruyères zum Hauptverbandsplatz auf einer Ferme bei Parfondru. Von da aus am selben Abend ins Feldlazarett 70 in Liesse.

2.8.-6.8.    Feldlazarett in Liesse.

6.8.        „… mit einem Lazarettzug nach dem Kriegslazarett Glageon bei Hirson.“

6.8.-10.9.    Kriegslazarett Glageon, dann zur Truppe entlassen. Fahrt bis Hirson.

11.9.        Von Hirson dem Feldrekruten-Depot in Thénailles überwiesen; Fahrt bis Vervins.

13.9.    Zur Feldersatzkompanie der 13. I.B. überwiesen.

27.9.    Zur Kompanie nach Crécy sur Serre zurück.

1.10.    Er kündigt Urlaub ab 10. oder 11. Oktober an.

4.10.        Nächsten Donnerstag oder Freitag soll Günther zuweilen nach Bünde oder  nach Brinkmanns hinausschauen, ob der Vater kommt.

24./28.10.        Ist nachts um 2 aus dem Urlaub wieder in Laon angekommen, Regiment liegt nach schweren Tagen in Ruhe.  Regiment liegt in der Nähe von Hirson und wird am 29.10. verladen.

31.10.        Bataillon liegt seit 30.10. in Floing, „bewohne mit 5 Kameraden ein Zimmer am Marktplatz“ (Beschreibung in Brief 252). Regiment hatte große Verluste, „von meinen Bekannten nichts mehr da“. „Wie ist es mit Günthers Lehmumschlägen?“ (erstmals wird die Knieverletzung erwähnt).

18.11.        Besuch bei Bruder August in Virton, den er seit 3 Jahren nicht gesehen hat. Verlegung kündigt sich an, angeblich zum Truppenübungsplatz
Beverlos in Belgien.

23./25.11.        Liegen in Imécourt in den Argonnen, Quartier in einem alten Klosterhof mit Wassergraben, 20 km hinter der Front.

1918

1.1.-6.1.    Liegt als Beobachter „¾ Stunde vor der Kompanie“.

11.1.    Am 13. Tag in Stellung.

13.1.    Aus der Stellung – im Waldlager (Cierges); Verlegung deutet sich an, „Bewegungskrieg wird vorbereitet“.

16.1.        Liegen in Ruhe in Cierges.

22.1.    Wieder in Stellung, „war kürzlich dem Tode sehr nahe“ (Flugzeug hatte ihn am 21.1. im Beobachtungsstand beschossen – Brief 278).

25.1.        „Vor 2 Stunden (ca. 7.30) tobte hier eine wahre Hölle“.

31.1.        In Ruhe im Waldlager (=Cierges)

7.2.    „Seit gestern liegen wir in Arlon an der belgisch-luxemburgischen Grenze. (…) wohne mit zwei Unteroffizieren in einer kleinen Wirtschaft.“

15.2.        „Werden wahrscheinlich wieder verlegt.“

19.2.    „Liegen in Anzin an der französisch-belgischen Grenze, einem Vorort von Valenciennes (…) bin in einer Schule untergebracht.“ Operation an Günthers Knie wird erwogen.

1.3.        Post soll angeblich für 14 Tage gesperrt werden.

7.3.    „Von morgen an werden keine Briefe mehr befördert“ – nur noch Postkarten als „Lebenszeichen“.

bis 18.3.    nur kurze Feldpostkarten-Grüße

18.3.    schreibt Abschiedsbrief, der in seiner Brieftasche bleibt

21.3.        Offensive beginnt (Brief 304)

3.4.    „Leben gut von den Vorräten, die uns der Tommy zurückgelassen hat.“ Große Sorge um Günthers Krankheit, die „falsch behandelt“ wurde.

7.4.    „Gestern hat man mich zum Vizefeldwebel gemacht, natürlich wegen Tapferkeit vorm Feinde. Als ob’s für einen Soldaten etwas anderes gibt als Tapferkeit.“

15.4.    Günther ist im Krankenhaus

19.4.    Auf dem Marsch

20.4.    „Links der Somme“, seit 20.3. erstmals wieder unter einem Dach, ist beim Bataillonsstab

30.4.    „Die Kompanie hat nur noch einen Offizier, sonst keinen Feldwebel und Unteroffizier mehr.“

9.5.        „Wir alle sind durch die großen Strapazen und schweren Kämpfe der letzten Wochen seelisch krank geworden. Infolge der starken Verluste sind die alten Gesichter fast ganz aus der Kompagnie verschwunden. Man führt sich ordentlich vereinsamt und fremd.“

Am 16. Mai 1918 findet Heinrich Büsemeyer den Tod durch einen Granatvolltreffer bei Castel/Picardie.

Quellen: Kriegstagebücher 16.4.1916 – 4.10.1917, Briefe 22.2.1916 – 16.5.1918 (+), Privatarchiv Heinrich Büsemeyer

Lit.: Heinrich Büsemeyer: „Wer behauptet, der Krieg mache die Menschen besser, der spricht eine Lüge aus.“ Briefe des Besenkämper Hauptlehrers Heinrich Büsemeyer 1916-1918, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 18/2011, 161-191.

Theologiestudent Alfred Heinisch berichtet vom Sturmkursus, 1917

Ruhequartier hinter Höhe „304“,
den 18. Januar 1917

Liebe Familie Jaeger!

Haben Sie innigsten Dank für Ihre freundlichen Worte! Es geht mir noch sehr gut. Hoffentlich Ihnen allen auch. Ich bin für 14 Tage zu einem Sturmkursus abkommandiert. Wir sollen an einem Sturmwerke Sturmangriffe üben. Hoffentlich kommt es nicht so weit, daß aus den Übungen Ernst wird. Doch wie Gott will.
Da ich bald wieder mit Urlaub an der Reihe bin, habe ich unseren Kompagniefeldwebel gebeten, mich anschließend an den Kursus fahren zu lassen, und es ist mir zugesagt worden. Wenn der Urlaub länger als 8 Tage dauerte, würde ich gern einmal den Umweg über Bielefeld machen, so aber ist die Zeit zu knapp und ich will mich ganz meinen Eltern geben.
In den nächsten Tagen wird es wohl wieder lebhafter werden an unserer Front. Ich erinnere mich noch deutlich der ersten Zeit vor Verdun im Frühjahre 1916 und dann der Tage, die wir hinter der Sommefront im September als Todgeweihte warten mußten. Da haben wir noch spät abends eine stille Höhle aufgesucht und zum Herrn gerufen. Einer aus unserer Gemeinschaft ist dann wenige Tage später zu unserem Herrn heimgegangen. Nun ist schon fast ein halbes Jahr darüber vergangen und mein Weg geht hier weiter. Ich bin dankbar dafür, bes. auch um meiner Eltern willen. Der Herr will mich wohl noch brauchen, und so ist es mein einziges Ziel auf Erden, ein rechter Pfarrer zu werden durch Ihn. Ich erkenne immer mehr, wie mir der Herr hilft, dadurch, daß er mich durch diesen Krieg führt. Ich werde etwas selbständiger, fester und freier, besonders da ich jetzt als Unt[ero]ff[i]z[ier] vorn eine Gruppe zu führen habe. Wann wird das Ende dieses Krieges kommen? Wir wollen es weiterhin unserem Herrn anheimstellen und treu für einander beten.

In herzlicher Liebe denkt an Sie alle Ihr
Alfred Heinisch

Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.

Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2

Die „Herforder Luftschiffer“ – Wilhelm Vogt als Ballonflieger im Ersten Weltkrieg

Vogt Herforder Luftschiffer

Herforder Luftschiffer 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Stolz posieren die „Herforder Luftschiffer“ mit einem dicken Fass 1914/15. Dieses Bild ist bisher einmalig und schlägt ein unbekanntes Kapitel zum Einsatz Herforder Soldaten im Ersten Weltkrieg auf. Mit auf dem Bild ist der Wilhelm Vogt, geboren 1878 in Diebrock und im zivilen Leben Herforder Polizeisergeant. Er wohnte an der Bielefelder Straße und war im Krieg einer der wenigen deutschen Luftschiffer. Am 15. Januar 1917 schickte im „Ihre Freundin“ Auguste Petzhold verspätete Neujahrsgrüße zur Feld-Luftschiff Abteilung Nummer 12 im Westen. Hier nämlich war Vogt seit 1914 beim Ballonzug 33 des Luftschifftrupps No. 3 eingesetzt. Ob wirklich als Fahrer eines Ballons oder „nur“ im Wagenbaukommando, ist bisher unklar. Jedenfalls stand er mit seiner Truppe in Westflandern und bei Ypern im schon bald sinnlos werdenden Stellungskrieg.

Vogt Wagenbaukommando

Wagenbaukommando der Feldluftschiffer Abteilung 12 vor Ypern 1914/15 (Foto: Stadtarchiv Herford)

Vogt Westflandern

Westflandern Feldzug 1914/1915 Fröhliche Ostern (Foto: Stadtarchiv Herford)

Die an einer Trosse aufsteigenden Fesselballons dienten im Ersten Weltkrieg zur taktischen Gefechtsfeldaufklärung. Erfinder und Namensgeber waren August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld. Die ziemlich schwerfälligen Geräte fanden zunächst nur wenig Verwendung, sie wurden aber im Graben- und Stellungskrieg ab September 1914 wichtiger, da von ihnen aus auch die die kleinsten Truppenverlegungen beobachtet werden konnten. Trotzdem hatte das Heer im Februar 1915 an der Westfront nur neun Fesselballone mit entsprechend wenigen Feldluftschiffern. Jeder Ballonzug besaß nur einen Ballon, wenn dieser zerstört worden war, fiel die gesamte Einheit aus.

Vogt Ballon

Feldluftschiff / Ballon im Einsatz (Foto: Stadtarchiv Herford)

Noch war diese Waffe zu unbekannt auch bei der Heeresleitung. Erst im März 1915 wurde die Dienststelle „Chef des Feldflugwesens“ gegründet. Im Angriff auf Verdun im Februar 1916 setzte sie erstmals zwölf Ballone koordiniert ein, deren Aufklärungsmeldungen zentral an die Führung weitergeleitet.

1916 verfügte das deutsche Heer über 53 Feldluftschiffabteilungen und 128 Ballonzüge, im Sommer 1918 über 186 Ballonzüge. Materialengpässe machten 1918 die Zusammenführung von je zwei Ballonzügen zu einem Ballonzug notwendig. Die neue Struktur gewährleistete neue (schnellere) Material- und Personal-Verfügbarkeit. Gleichzeitig mit dem Ausbau gab es die höchsten Verluste ihrer Geschichte. Mit neuer Brandmunition schoss der jeweilige Gegner die Ballone ab.

Vogt gehörte zur Feldluftschiffer-Abteilung 12, die von September bis November bei den Kämpfe um Nancy, bis Ende April 1915 an den Stellungskämpfen an der Yser, im Mai 1915 bei den Kämpfen um Ypern, ab Februar 1916 bis September 1917 bei Verdun und 1918 in den Abwehrkämpfen zwischen Maas und Argonnen eingesetzt war. Die von ihm gesammelten Bilder zeigen auch mit Toten im Schützengraben auch die Schrecken des Krieges.

Vogt schützengraben Tote

Tote Soldaten im Schützengraben. Foto aus dem Album des Herforder Soldaten Wilhelm Vogt (Foto: Stadtarchiv Herford)

Er überlebte den Einsatz und starb 1930 in Herford, 1953 starb seine Frau Henriette, geb. Schwagmeier. Nach dem Tod des Sohnes und Kleinbahnbeamten Fritz gelangten die Bilder in den 1990er Jahre auf dem Flohmarkt. Ein aufmerksamer Sammler stellte sie vor kurzem dem Herforder Stadtarchiv zur Verfügung.

(Christoph Laue, Stadtarchiv Herford)

Signatur: Kommunalarchiv Herford, Stadtarchiv Herford Slg. E 518

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 18.12.1916

Übereinstimmend wird erzählt, wie mißvergnügt die Urlauber sprechen. Einer aus Lage habe gesagt: Im Frühjahr kriegen wir was auf den Deckel. Ein anderer habe gesagt: ach was Hände hoch, dann hat die Schlächterei ein Ende.. Ich höre, daß 3 ausgebrochene Gefangene in Osnabrück wiedergefangen sind. Der Oberwachtmeister sagt daß viele durchkommen. Heinr[ich] Heermeier auf Urlaub kommend erzählt, daß in seinem Dorf 3 Deutsche aus der fr[an]z[ösischen] Gefangenschaft entronnene Deutsche angekommen seien. – Leider lese ich im fr[an]z[ösischen] Tagesbericht, daß vor Verdun 9.000 deutsche Gefangene gemacht sind & der Geländeverlust ist auch nicht unbedeutend. Da scheint irgend etwas nicht zu stimmen. – Christbäume aus dem Walde geholt.

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, 18.12.1916

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Postkarte „Die Bäume sind fortgefegt“. Vor Verdun 1916

P1100467
P1100468

Feldpost

Landsturm Mergard
Et[appen-]Hilfs-Komp[anie] 25
Duisburg

Abs[ender] Mergard Res. 6,83
25. Res[erve-]Division

d[en] 26.11.[19]16

Lieber Br[uder] Philipp.
Herzlichen Dank für deine
Karte, die ich gestern Abend
erhalten habe. Es freut mich, daß
es dir noch gut geht, selbiges
ist auch bei mir noch der Fall.
Habe von Hannes auch lange nichts
gehört, habe ihn aber auch eine Karte
geschrieben. Von zu Hause auch viel
gute Nachricht. Herzliche Grüße s[endet] d[ein] Br[uder] Fritz

Quelle: Private Fotosammlung Martin Hülsenbeck (Bielefeld), Album 1 [P1100467 und P1100468]

Anti-Kriegsstimmung im Jahr 1916 und behördliches Einschreiten

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Schreiben des Magistrats der Stadt Lage an die Fürstliche Regierung zu Detmold vom 9. 9.1916 (Signatur: LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026)

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Beschlagnahmte Bittschrift des SPD-Vorstandes (Berlin) mit Namen und Adressen der Bittsteller (Signatur: LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026)

Transkript des Petitionstextes:

Herausgegeben vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Berlin SW, 68, Lindenstraße 3

Petition an Se. Exzellenz den Herrn Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg.

Die Unterzeichneten fordern, daß dem Krieg, der seit mehr als zwei Jahren Europa verwüstet und allen beteiligten Ländern ungeheure Opfer an Gut und Blut auferlegt, so bald als möglich ein Ende bereitet wird. Unter Ablehnung aller Eroberungspläne, die nicht nur den Krieg verlängern, sondern auch den Keim zu neuen Kriegen in sich tragen, fordern die Unterzeichneten von den Verbündeten Regierungen, daß sie sich zum Abschluß eines Friedens bereit erklären, der dem Reiche
1. seine politische Unabhängigkeit,
2. seine territoriale Unversehrtheit,
3. seine wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit gewährleistet.

Signatur: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Ostwestfalen-Lippe (LAV NRW OWL) L 79 Nr. 7026
Amtliches Schreiben aus dem Bestand Regierungsakten LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026 (Lippische Regierung, Jüngere Registratur) sowie Petition des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an Reichskanzler von Bethmann-Hollweg vom September 1916. Beschlagnahmte Bittschrift des SPD-Vorstandes (Berlin) mit Namen und Adressen der Bittsteller, ebenfalls aus dem Bestand Regierungsakten LAV NRW OWL L 79 Nr. 7026.

Das Schreiben des Magistrats der Stadt Lage im Format DIN A 5 beschreibt die Beschlagnahmung einer – nach Darstellung des Magistrats – durch die SPD der Stadt Lage in Umlauf gebrachte Friedenspetition und überreicht insgesamt 7 einzelne Listen im Original an die Fürstliche Regierung. Somit ist davon auszugehen, dass in Lage allein an mindestens 7 Stellen diese Petition ausgelegen haben muss, oder sie auf andere Weise ihrem Adressatenkreis zugänglich gemacht worden ist. Das Schreiben trägt den Eingangsstempel der Fürstlichen Regierung vom 12.9.1916 sowie verschiedene zeitgenössische handschriftliche Vermerke der Bearbeitenden.

Die Friedenspetition trägt in der linken oberen Ecke die Adresse des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und nennt als Ziele der Petition das möglichst baldige Ende des Krieges und die Aufgabe aller Eroberungspläne unter den Bedingungen der politischen Unabhängigkeit des Deutschen Reiches, seines territorialen Fortbestandes und seiner wirtschaftlichen „Entwicklungsfreiheit“. Es folgt eine Tabelle, die den Eintrag der Namen, Berufe und Adressen der Unterzeichnenden vorsieht und die ausgefüllt vorliegt. Insgesamt beläuft sich die in der Akte überlieferte Liste der Unterzeichner auf 14 DIN A 4 Seiten mit 137 namentlich genannten Personen. Außer des hier gezeigten Exemplars mit insgesamt 15 Unterzeichnern befinden sich weitere 6 in der Akte.

Die vorliegende Unterschriftenliste ist im Zusammenhang mit der Forderung einer Friedensinitiative des Parteivorstandes der SPD zu sehen, der am 11. August 1916 zu einer Unterschriftensammlung für eine Petition aufrief, die sich gegen die Propaganda der Annexionisten wendete. Die Kriegsziele eines Eroberungskrieges, wie er von den Annexionisten vertreten wurde, waren inzwischen allgemein bekannt. Dies stand gegen die Darstellung des Krieges als ein Verteidigungskrieg gegen die russische Monarchie, die es 1914 möglich gemacht hatte, die Politik des Burgfriedens und die Gewährung der Kriegskredite auf Seiten der SPD durchzusetzen. Allerdings gingen maßgebliche Teile die SPD weiter grundsätzlich vom Führen eines Verteidigungskrieges aus, was in der Rechtfertigung der Politik seit dem 4. August 1914 durch Verabschiedung des Manifestes „Zur Friedensfrage“, das am 23.9.1916 verabschiedet wurde, deutlich wird. Das Manifest wurde mit einer Mehrheit von 251 angenommen. Es gab nur 5 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen. Die Petition wurde, versehen mit 899.149 Unterschriften, am 16. Dezember 1916 dem Reichskanzler zugestellt.

Nach zeitgenössischen Berichten aus Bad Salzuflen – einem Schreiben des Magistrats an die Fürstlich-Lippische Regierung und das Stellvertretende Generalkommando in Münster – wurde die Petition in Bad Salzuflen über den dortigen Konsumverein verbreitet. Es wurde weiter berichtet, dass auch in anderen Städten „diese Schriftstücke“ auslägen. Das Stellvertretende Generalkommando in Münster berichtete in einem Schreiben vom 7. September 1916, dass die „Petitionen der sozialdemokratischen Partei“ durch Zeitungsboten verbreitet werde und diese auch Unterschriften sammelten. Es verfügte die Beschlagnahmung. Das Verbot war bereits mit Schreiben vom 16. August durch das Stellvertretende Generalkommando ausgesprochen worden mit der Anweisung: „Etwa auftauchende Schriftstücke sind zu beschlagnahmen und in polizeiliche Verwahrung zu nehmen“. Ein weiteres Schreiben des Stellvertretenden Generalkommandos vom 18. August 1916 weist auf einen weiteren Verbreitungsweg hin, der offensichtlich von den Verbreitern der Petition genutzt wurde, nämlich das Auslegen in Gaststätten. Man wollte auf staatlicher und militärischer Seite aber offenkundig eine Verhärtung der Positionen verhindern, denn das Schreiben des Stellvertretenden Generalkommandos weist ausdrücklich darauf hin, dass Maßnahmen wie Verhaftungen und Haussuchungen zu vermeiden seien.

Im bereits genannten Schreiben des Magistrates der Stadt Bad Salzuflen heißt es: „Wir halten das Verfahren [Anm. der Verfasserin: Auslegen einer Petition für den Frieden] für bedenklich und dem vaterländischen Interesse widersprechend, da man möglicherweise nachher die Feststellung machen wird, daß Millionen von Deutschen unter allen Umständen den Frieden wollen und daß diese Feststellung vom Auslande unter Entstellung der Tatsachen ausgebeutet wird.“

1916 war ein Jahr der schwierigen Nahrungsmittelversorgung, der zunehmenden Kriegsmüdigkeit und auch der vermehrten Streikbereitschaft. Im Sommer fanden Demonstrationen gegen Lebensmittelknappheit und den Krieg statt. Das Jahr 1916 war ebenfalls das Jahr der Verabschiedung des Gesetzes über den Vaterländischen Hilfsdienst (5.12.1916) und der Friedenspetition des Deutschen Reichstages (12.12.1916), die von den alliierten Mächte als unannehmbar abgelehnt wurde (30.12.1916). Die SPD schwankte zwischen dem Hoffen auf eine Wahlrechtsreform nach Kriegsende, der positiven Bewertung der staatlichen Intervention in wirtschaftlichen Fragen als einer Art „Kriegssozialismus“ und der Erfahrung einer wirtschaftlichen Verelendung vieler durch die Folgen der Kriegswirtschaft und der Militarisierung. Sie forderte immer wieder Interventionen des Staates zur Sicherung der Versorgung aller. Die Spaltung der Linken hatte begonnen. Die Spartakusgruppe sah die „Petition für den Frieden“ denn auch eher als  „Eine Petition gegen den Frieden“ an. Insgesamt habe eine Friedenspetition, die an den Reichkanzler gerichtet sei, keine Chance, da sie aufgrund der Politik der Regierung unberücksichtigt bleiben müsse, heißt es in einem ihrer Flugblätter. Die Regierungshaltung wird darin als eine Politik mit imperialistischer Ausrichtung eingestuft. Dementgegen gehe die Petition weiter von einem Verteidigungskrieg aus, was nicht den Realitäten entspreche.

Die oben beschriebene Kriegsmüdigkeit erklärt sich neben der schlechten Nahrungsmittelversorgung aus der Situation an der Front. Dort fand die deutsche Offensive um einen Durchbruch an der französischen Front statt; die „Blutmühle“ von Verdun wurde sprichwörtlich. Es handelte sich um einen zähen Stellungskrieg, dessen Opfer sich in acht Monaten auf deutscher Seite auf 336.000 und auf französischer auf 365.000 beliefen. Zur Entlastung der Alliierten begann die britische Armee zudem ihren Angriff an der Somme und die russische Armee ging mit der Brusilov-Offensive gegen die österreichisch-ungarische Seite vor. Die prekäre Situation führte zur Absetzung Erich von Falkenhayns, der von Hindenburg und Ludendorff als Vertreter eines Siegfriedens und der Expansion abgelöst wurde.

Bearbeitung: Heike Fiedler M.A., Archivpädagogin, mit Unterstützung von Dr. Hermann Niebuhr, Landesarchiv NRW Abteilung OWL

Link zum Angebot des Archivpädagogischen Dienstes der Abteilung Ostwestfalen-Lippe in Detmold

Weiterführende Literatur/ Internetquellen:

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Hartmann (Rödinghausen), 8.5.1916

Geld geordnet. – Milder Regen. Erbsen & Bohnen gepflanzt. Hebr. Konferenz in Buer. Im strömenden Regen über Drückemühle nach Buer. Wohin man im Hannöverschen schaut, sieht man Gefangene als Arbeiter. So holte Einer Mehl von der Mühle; andere luden Kartoffeln auf. Diesen hielt ich für einen Knecht bis er dem Kamerade mit unverfälschtem frz. Akzent zurief: „Albert“! Der Regen kam so erwünscht wie kann nun alles wachsen. Der Rückweg von Markendorf bis zur Grenze war ein Gang durch eine Blütenwolke. In Buer erdröhnte 2mal ein Schuß. Höhe 303 vor Verdun und 1.680 Franzosen seien genommen. Hoffentlich läßt sie uns Gott behalten. Ich rief einem Gefangenen auf dem Rückwege zu: Encore un peu plus prix de la Paix. Hauteur 304 prise. Vive la paix. Ob es straffällig war? Ich versuche Rübsamen oder anderes Vogelfutter für Mätzchen zu bekommen. Nichts war zu haben. […].

Aus dem Kriegstagebuch von Pfarrer Ernst Hartmann, Kirchengemeinde Rödinghausen, S. 87/08.05.1916

Signatur: LkA EKvW Best. 4.31 Abt. B HS 2 (Quelle); LkA EKvW W 15193 (Transkription)

Feldpost von Rudolf Kisker mit Stoffbahn eines abgeschossenen französischen Flugzeugs

morane2 morane1 Textilstoff eines abgeschossenen französischen Jagdflugzeugs, 1916, mit Aufschrift:

Moran[e-Saulnier-N-]Kampf-Einsitzer. Abgesch[ossen] 9./3. [19]16 bei Ostaverne Durch L[eutnan]t Patheiger. Art[illerie] Fl[ie]g[er] Abt[ei]l[ung] 213

Flugzeug patheiger

Auf dem unteren Foto (undatiert, zweite Jahreshälfte 1915) ist u.a. ganz oben links der Pilot Patheiger zu sehen, der das französische Flugzeug abgeschossen hat, von dem die obigen Textilreste stammen. Des Weiteren sind zu sehen (von oben v.l.n.r.): Vizefeldwebel Neufeld, Oberleutnant Dohmen, Oberleutnant Seer (mit Hund „Schnaps“), Leutnant Pampe (mit Hund „Lux“), Leutnant Baerensprung (mit Hund „Stani“), Leutnant Stober (mit Hund „Flick“), Hauptmann Palmer, Leutnant Küppers, Leutnant Rudolf Kisker, Leutnant Wieland (mit Hund „Poschthörnle“), Oberleutnant vom Holtz (der als Beobachter zusammen mit Rudolf Kisker abgeschossen wurde und ebenfalls zu Tode kam), Leutnant Giese. Das obere Foto benennt mit „AEG“ die Herstellerfirma des Flugzeugs. Von den abgebildeten Personen ist ganz links Leutnant Wieland zu erkennen. Fünfter von links ist Hauptmann Palmer, zweiter von rechts wohl Leutnant Baerensprung. (Fotos: Kisker-Archiv).

Vgl. den Feldpostbrief von Rudolf Kisker an seine Mutter bzw. Eltern in Bielefeld (Link)

Signatur: Privatarchiv Familie Kisker (Bielefeld), Nr. 194 und Nr. 10019 (Fotos)

Dank an MattyBoy und Soderbaum vom Aerodrome Forum für Transkriptionskorrekturen!

Hans Friedrich – verhinderter Student der Theologischen Schule Bethel

Der kaum 20-jährige Student der Theologie Hans Friedrich, geboren am 12. Juni 1894, begann sein Studium im Sommersemester 1914 in Bethel, bevor der Krieg ausbrach und er Soldat wurde. In Verdun erkrankte Hans Friedrich an Typhus und verstarb am 6. Dezember 1914 im Lazarett. Seine „Personalakte“ aus der Theologischen Schule Bethel beinhaltet einige Dokumente über seinen Werdegang und von seiner trauernden Familie.

Lebenslauf

Am 12. Juni des Jahres 1894, als Sohn des Gutsverwalters Paul Friedrich, zu Groß Hoschütz Kreis Ratibor in Oberschlesien geboren, besuchte ich nach privater Vorbereitung die Sexta [Klasse 5] des Realgymnasiums zu St. Johann in Danzig. Infolge der Versetzung meines Vaters als staatlicher Gutsverwalter nach Wongrowitz, besuchte ich dort von Quinta [Klasse 6] ab das humanistische Gymnasium. Ostern 1914 habe ich das Abiturientenexamen bestanden und beabsichtige, mich der Theologie zu widmen. Da ich hier nur 1 Jahr Hebräisch mitgenommen habe, muß ich das Hebraikum noch machen. Zu diesem Zwecke und zur Einführung in die Theologie komme ich gern nach Bethel, da ich glaube, dort einen guten Grund für mein späteres Studium zu legen.

Hans Friedrich

friedrich_telegramm

Telegramm an die Theologische Schule Bethel bei Bielefeld:

Komme nicht zum Sommersemester – Brief folgt – Hans Friedrich

friedrich_191412308_Todesanzeige-Hans

Todesanzeige Hans Friedrich

friedrich_19150106

Wongrowitz, am 6t. Januar 1915

Sehr geehrter Herr Pastor!

Gestatten Sie mir bitte daß ich Ihnen, und wenn ich um gütige Uebervermittelung bitten darf, den Herr[e]n Lehrern und Schülern der Ihnen unterstellten theologischen Schule für die große Liebe und Treue welche Sie alle unserem Hans in so reichem Maße erwiesen haben, meiner Frau und meinen wärmsten, herzlichsten Dank hierdurch aussprechen darf.
Hans hat es auch uns gegenüber ausgesprochen, wie gern und dankbar er an die schöne in Bethel erlebte Zeit, die ihm so viel gegeben, zurückdachte. Daß er die ersten, für sein weiteres Leben und seinen späteren Beruf maßgebenden und segensreichen Grundsätze und Eindrücke aus Ihrer Anstalt mitnehmen durfte, dafür sind wir Ihnen und seinen Lehrern tiefgefühltesten Dank schuldig; ebenso für die unsere Elternherzen erfreuende vollzählige Teilnahme an der Beerdigungsfeier,
und die freundliche, Empfänger und Geber ehrende, Kranzspende.
Den früheren Kameraden unseres lieben Heimgegangenen danken wir für alle ihm erwiesene treue Freundschaft, die Beteiligung an der für uns unvergeßlichen Feier, und die ihm gewidmete Kranzspende herzlichst.
Gott der Herr lohne Ihnen was Sie und die ganze theologische Schule an unserem Jungen gethan haben,
wozu wir Eltern ja völlig außer Stande sind.
Mit den angelegentlichsten Empfehlungen und besten Grüßen, auch von meiner Frau, an Sie und Ihre verehrten Herrn Collegen habe ich, in vorzüglichster Hochachtung und nochmaligem herzlichstem Dank, die Ehre zu sein
Ihr sehr ergebenster
Friedrich

friedrich_19150216

Wongrowitz, den 16.II. 15.

H[errn] P[astor] Jäger
Sehr geehrter Herr Pastor!
Für das Geld ist bereits gedankt
Durch Ihr wertes Schreiben vom 6t ds. Mts, hatten Sie die Güte mir den Empfang der überwiesenen 200 M. zu bestätigen. Ich muß tausendmal um Vergebung bitten, daß das Ihnen s[ein]er Zeit von meiner Frau auf dem Postabschnitt avisierte Schreiben noch immer ausgeblieben ist. Wir beiden
Alten waren aber, neben der auf uns lastenden seelischen Depression, auch gesundheitlich und körperlich so elend und herunter, daß ich während dieser ganzen Zeit von Privatsachen nur das Allernötigste zu erledigen vermochte, und auch das Schreiben an Sie immer wieder aufschob. Es war meiner Frau und mir Herzensbedürfnis, uns in irgend einer Weise für alle, nicht allein nur gelegentlich der Beerdigung
unseres lieben Hans durch gütige Vermittelung der Grabstellen, sondern auch diesem selbst bei Lebzeiten während seines Aufenthalts auf Ihrer Theologischen Schule, erwiesene Liebe erkenntlich zu zeigen. Aus diesem Gefühl heraus, darf ich wohl bitten dieses kleine Scherflein zum Besten Ihrer Hochschule, welcher unser Junge soviel verdankt, oder zu welchem Zweck Sie es sonst zu verwenden für gut und zweckmäßig halten, freundlichst anzunehmen.
Nun nehmen Sie bitte auf diesem Wege nochmals meiner Frau und meinen herzlichsten Dank für Alles was Sie unserem Kinde und uns gethan haben gütigst entgegen, und genehmigen Sie die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung und Verehrung, mit welcher ich die Ehre habe zu sein und stets zu bleiben

Ihr aufrichtig und sehr ergebener
Friedrich

Signatur: LkA EKvW 13.99 Nr. 982/7

Das Rettungshaus Schildesche im Ersten Weltkrieg

Birkenhof_um_1930

Der Birkenhof als Schule für die Kinder des „Rettungshauses Schildesche“. In der Mitte des Gebäudes befand sich ein gewölbter Durchgang zum Betsaal. Rechts davon war an der Hausfront eine Inschrift angebracht: „Mit Gott thu‘ Alles fangen an, Dann wirst du Glück und Segen han. Des Menschen Fleiss gar nichts gelingt, Wenn Gott nicht seinen Segen bringt.“

Das 1852 in Schildesche bei Bielefeld gegründete „Rettungshaus Schildesche“ war eine evangelische Fürsorgeerziehungsanstalt, in der 1914 etwa 200 Kinder und Jugendliche lebten. Seit 1875 führte der jeweilige Anstaltsleiter eine Chronik, in der über die wesentlichen Ereignisse des Jahres berichtet wurde.

Die „Kriegschronik“ der Jahre 1914 bis 1918 stammt aus der Feder von Pastor Paul Bellingrodt (1875-1951), der die Anstalt von 1912 bis 1923 leitete. 1916 ergänzte er seine Aufzeichnungen mit drei Zeitungsausschnitten (Todesanzeigen und Spendenaufruf).

Am 31. Dezember 1923 schloss er seine Eintragungen in das Chronikbuch mit einer Liste der im Ersten Weltkrieg gefallenen Zöglinge. Der jüngste der dort aufgeführten jungen Männer war Albert Liebig (1898-1916). Der Sohn eines Fabrikarbeiters aus dem westfälischen Gronau war 1910 im Alter von 11 Jahren in das Schildescher Rettungshaus gekommen. Wenige Wochen nach seinem 16. Geburtstag im Oktober 1914 entwich er aus der Erziehungsanstalt und trat als Freiwilliger beim Militär ein. 1916 fiel er vor Verdun.

Die Chronik ist von 1875 bis 1931 handschriftlich geführt worden. Die Transkription aus den Kriegsjahren umfasst nur Eintragungen, die sich auf die Kriegsereignisse beziehen.

(Bärbel Thau, Archiv des Ev. Johanneswerks Bielefeld)

Brief des Malers Peter August Böckstiegel an Hanna Müller, 3. September 1914 (Auszug)

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Kurz nach Kriegsausbruch, am 3. September 1914, schreibt der Maler Peter August Böckstiegel aus Arrode (Werther) an seine spätere Ehefrau Hanna Müller in Dresden. Er berichtet zunächst, dass er noch nicht zum Landsturm einberufen wurde, um dann auf die hohen Verluste einzugehen, die schon in den ersten Tagen des Krieges zu beklagen waren. Im Januar 1915 musste dann auch Peter August Böckstiegel seinen Kriegsdienst als Landsturmmann antreten. Er erhielt im schlesischen Märzdorf seine militärische Ausbildung, anschließend wurde er zwischen 1916 und 1918 in Russland, Rumänien und der Ukraine eingesetzt. Erst im März 1919 kehrte er mit einem englischen Truppentransport aus der Ukraine nach Deutschland zurück.

Transkription:

„Meine liebe Hanna! Heute Sonntagnachmittag sitze ich in der Stube und denke an Dir, war sonst um diese Zeit schon lange bei Dir, um etwas an die Luft zu gehen, was ich heute alleine besorgen muß, immer mit Dich, meine Hanna, im Herzen. […] Bei uns ist alles mit Verwundeten fast in jedem Bauernhaus gefüllt. Schon viele Schulkammeraden und Bekannte sind schon den Heldentot in die Arme gefallen, auch ein Lehrkollege von mir ist bei Verdun […] gefallen. Mein Bruder ist wieder an der Bahn tätig, was er mir gestern geschrieben hat, ist er zurückberufen.“

(Ralf Othengrafen, Kreisarchiv Gütersloh)

 

Signatur: Kreisarchiv Gütersloh, C 01/1 – 001/1/17

Der Postbeamte und Soldat Hermann Bornemann (1878-1959)

Abb_1 Bornemann

Hermann Bornemann in der Gala-Uniform eines Rekruten des Ulanen-Regiments, 1900.

Hermann Bornemann wurde am 1. Juli 1878 in Vahrenholz (Lippe) geboren. Nach dem Besuch der Schule begann er eine Ausbildung zum Postbeamten und arbeitete als Postkutscher. In dieser Rolle hatte er 1896 mehrere Generäle zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Porta Westfalica zu fahren. Seinen Wehrdienst leistete er von 1897 bis 1900 in Mörchingen/Lothringen (= Morhange) im 2. Hannoverschen Ulanenregiment ab. Nach seinem Wehrdienst kehrte er in den Zivilberuf zurück und heiratete. Aus der Ehe gingen fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter hervor.

Abb_2_Bornemann_bild

Hermann Bornemann (2. von rechts) mit drei Kameraden vor einem Unterstand in Brandeville, 12. Juli 1917

Am 5. August 1914 wurde er zum Kriegsdienst einberufen und nahm mit seiner Einheit, einer Versorgungskompanie, zunächst an der deutschen Invasion Belgiens teil, bis der Vormarsch seiner Kompanie im Oktober 1915 in der Gegend von Laon zum Stehen kam. Dort blieb er stationiert bis die Einheit im Januar 1916 in die Gegend von Verdun versetzt wurde, wo sie bis zum Herbst 1917 blieb. Als Unteroffizier seiner Versorgungskompanie musste er während der Kämpfe bei Verdun jeden dritten Tag aus einem hinter der Frontlinie liegendem Lager Munition und andere Versorgungsgüter an die vorderste Frontlinie transportieren.

Abb_3_Karte Verdun

In das Tagebuch hat Hermann Bornemann eine Karte seiner Einsatzorte bei Verdun eingeklebt.

Zunächst nach Westen in die Picardie verlegt zog sich die Einheit im April 1918 in das lothringische Kohlebecken um Longwy und im Spätsommer schließlich nach Süden in die Gegend um Metz zurück. Von dort begann Ende Oktober der Rückzug auf deutsches Staatsgebiet.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Hermann Bornemann in seinen zivilen Beruf als Postbeamter zurück und arbeitete bis zum Eintritt in der Ruhestand in Herford. Er ist am 12. November 1959 gestorben.

Tagebuch Bornemann_außen02

Vorwort
Am 4ten Mobilmachungstage, dem 5. August 1914, mußte auch mich, laut Paßnotiz, als k[riegs]v[erwendungsfähiger] Soldat in Detmold melden. Es ist mir vergönnt gewesen, 53 Monate im Feindeslande zu sein und gesund wieder heimzukehren. Viele gewaltige Episoden, herrliche und grausige Kriegsbilder sowie wunderbare Landschaften zogen vor meinem Auge vorüber. Große Arbeitsleistungen und Strapatzen sind auch von uns, den Kolonnen, geleistet. Von Tag zu Tag, im Quartier, im Biwack und auf dem Marsch habe ich kleine Aufzeichnungen gemacht, oft bei flackerndem Kerzenlicht, bis zum Tage der Heimkehr am 17. Dez[ember] 1918.
Dieses Tagebuch widme ich meinen Kindern zum Andenken an ihren Vater; mögen sie darin lesen.
H[ermann] Bornemann – Herford, im Februar 1919

Gudrun Dreyer, eine Enkelin Hermann Bornemanns, lebt seit mehreren Jahren in Herzebrock-Clarholz und hat dem Gemeindearchiv das über 1.000 Seiten umfassende Kriegstagebuch (Abbildung oben) ihres Großvaters zur Verfügung gestellt.

(Eckhard Möller, Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz)

Quelle: Tagebuch von Hermann Bornemann (Herford). Privatbesitz. Leihgabe an das Gemeindearchiv Herzebrock-Clarholz.