Ruhequartier hinter Höhe „304“,
den 18. Januar 1917Liebe Familie Jaeger!
Haben Sie innigsten Dank für Ihre freundlichen Worte! Es geht mir noch sehr gut. Hoffentlich Ihnen allen auch. Ich bin für 14 Tage zu einem Sturmkursus abkommandiert. Wir sollen an einem Sturmwerke Sturmangriffe üben. Hoffentlich kommt es nicht so weit, daß aus den Übungen Ernst wird. Doch wie Gott will.
Da ich bald wieder mit Urlaub an der Reihe bin, habe ich unseren Kompagniefeldwebel gebeten, mich anschließend an den Kursus fahren zu lassen, und es ist mir zugesagt worden. Wenn der Urlaub länger als 8 Tage dauerte, würde ich gern einmal den Umweg über Bielefeld machen, so aber ist die Zeit zu knapp und ich will mich ganz meinen Eltern geben.
In den nächsten Tagen wird es wohl wieder lebhafter werden an unserer Front. Ich erinnere mich noch deutlich der ersten Zeit vor Verdun im Frühjahre 1916 und dann der Tage, die wir hinter der Sommefront im September als Todgeweihte warten mußten. Da haben wir noch spät abends eine stille Höhle aufgesucht und zum Herrn gerufen. Einer aus unserer Gemeinschaft ist dann wenige Tage später zu unserem Herrn heimgegangen. Nun ist schon fast ein halbes Jahr darüber vergangen und mein Weg geht hier weiter. Ich bin dankbar dafür, bes. auch um meiner Eltern willen. Der Herr will mich wohl noch brauchen, und so ist es mein einziges Ziel auf Erden, ein rechter Pfarrer zu werden durch Ihn. Ich erkenne immer mehr, wie mir der Herr hilft, dadurch, daß er mich durch diesen Krieg führt. Ich werde etwas selbständiger, fester und freier, besonders da ich jetzt als Unt[ero]ff[i]z[ier] vorn eine Gruppe zu führen habe. Wann wird das Ende dieses Krieges kommen? Wir wollen es weiterhin unserem Herrn anheimstellen und treu für einander beten.In herzlicher Liebe denkt an Sie alle Ihr
Alfred Heinisch
Alfred Heinisch, geboren am 27.9.1893, war im Sommersemester 1914 Student an der Theologischen Schule Bethel. Pastor Samuel Jaeger war Rektor der späteren Kirchlichen Hochschule.
Quelle: LkA EKvW Bestand 13.99 (Kirchliche Hochschule Bethel), Nr. 1250/2